St. 37, 41, 94, 111). Remak hat übrigens nirgends bestimmtere Andeutungen gegeben, wie eigentlich die Entwicklung des periphe- rischen Nervensystems vor sich gehe, doch findet man bei ihm noch die Bemerkungen: 1) dass die sensiblen Wurzeln von den Ganglien, und die motorischen von den Stämmen aus gegen das Mark sich bil- den, und 2) dass alle eben entstandenen Nerven aus ganz homoge- nen Fasern ohne Kerne bestehen, welche letzteren erst nachträglich sich bilden sollen (Darmnervensystem, St. 11 und 26).
Vergleichen Sie nun mit diesen Angaben die früher schon mit- getheilten der neuesten Beobachter in diesem Gebiete, so werden Sie finden, dass Bidder-Kupfer und Remak mit Bezug auf die selb- ständige und isolirte Entstehung der Spinalganglien ganz mit ein- ander übereinstimmen, nur dass erstere es unentschieden lassen, ob die hintere Wurzel vom Ganglion gegen das Mark oder umgekehrt sich hervorbilde. Dagegen weichen Bidder u. Kupfer sehr wesent- lich darin ab, dass sie, wenn auch nicht mit Bestimmtheit, doch mit Wahrscheinlichkeit die motorischen Wurzeln aus dem Rücken- mark hervorwachsen lassen und dieselben schon zu einer Zeit fin- den, wo von den sensiblen Elementen noch gar nichts da ist, ausser dem Ganglion.
So weit die bisherigen Annahmen und Erfahrungen. Fragen Sie nun, welches Ergebniss meine Beobachtungen geliefert haben, so kann ich Ihnen Folgendes sagen. Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, dass die Ganglien der Cerebrospinalnerven selbständig aus einem Theile der Urwirbelplatten sich bilden. Ebenso kann ich nach meinen Beobachtungen am Hühnchen dahin mich aussprechen, dass die Ganglien der Spinalnerven anfänglich mit dem Marke nicht ver- bunden sind, und dass die sensiblen Wurzeln nicht in loco aus Ele- menten sich bilden, die zwischen dem Ganglion und dem Marke liegen. Wäre dem so, so müssten diese Wurzeln eine Zusammen- setzung aus zelligen Elementen zeigen und könnten nicht, wie Remak und Bidder-Kupfer mit Recht angeben, aus gleichartigen feinen Fäser- chen bestehen. Dagegen erlauben mir meine Wahrnehmungen bis- her keine Entscheidung über die wichtige Frage, ob die genannten Wurzeln vom Ganglion gegen das Mark oder in umgekehrter Richtung sich hervorbilden. -- Die motorischen Wurzeln anlangend, so scheint es mir unzweifelhaft, dass dieselben aus dem Marke, d. h. den Zellen der grauen Substanz desselben, hervorwachsen, denn sie zeigen an- fänglich keine Spur einer Zusammensetzung aus kernhaltigen Ele-
Siebenundzwanzigste Vorlesung.
St. 37, 41, 94, 111). Remak hat übrigens nirgends bestimmtere Andeutungen gegeben, wie eigentlich die Entwicklung des periphe- rischen Nervensystems vor sich gehe, doch findet man bei ihm noch die Bemerkungen: 1) dass die sensiblen Wurzeln von den Ganglien, und die motorischen von den Stämmen aus gegen das Mark sich bil- den, und 2) dass alle eben entstandenen Nerven aus ganz homoge- nen Fasern ohne Kerne bestehen, welche letzteren erst nachträglich sich bilden sollen (Darmnervensystem, St. 11 und 26).
Vergleichen Sie nun mit diesen Angaben die früher schon mit- getheilten der neuesten Beobachter in diesem Gebiete, so werden Sie finden, dass Bidder-Kupfer und Remak mit Bezug auf die selb- ständige und isolirte Entstehung der Spinalganglien ganz mit ein- ander übereinstimmen, nur dass erstere es unentschieden lassen, ob die hintere Wurzel vom Ganglion gegen das Mark oder umgekehrt sich hervorbilde. Dagegen weichen Bidder u. Kupfer sehr wesent- lich darin ab, dass sie, wenn auch nicht mit Bestimmtheit, doch mit Wahrscheinlichkeit die motorischen Wurzeln aus dem Rücken- mark hervorwachsen lassen und dieselben schon zu einer Zeit fin- den, wo von den sensiblen Elementen noch gar nichts da ist, ausser dem Ganglion.
So weit die bisherigen Annahmen und Erfahrungen. Fragen Sie nun, welches Ergebniss meine Beobachtungen geliefert haben, so kann ich Ihnen Folgendes sagen. Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, dass die Ganglien der Cerebrospinalnerven selbständig aus einem Theile der Urwirbelplatten sich bilden. Ebenso kann ich nach meinen Beobachtungen am Hühnchen dahin mich aussprechen, dass die Ganglien der Spinalnerven anfänglich mit dem Marke nicht ver- bunden sind, und dass die sensiblen Wurzeln nicht in loco aus Ele- menten sich bilden, die zwischen dem Ganglion und dem Marke liegen. Wäre dem so, so müssten diese Wurzeln eine Zusammen- setzung aus zelligen Elementen zeigen und könnten nicht, wie Remak und Bidder-Kupfer mit Recht angeben, aus gleichartigen feinen Fäser- chen bestehen. Dagegen erlauben mir meine Wahrnehmungen bis- her keine Entscheidung über die wichtige Frage, ob die genannten Wurzeln vom Ganglion gegen das Mark oder in umgekehrter Richtung sich hervorbilden. — Die motorischen Wurzeln anlangend, so scheint es mir unzweifelhaft, dass dieselben aus dem Marke, d. h. den Zellen der grauen Substanz desselben, hervorwachsen, denn sie zeigen an- fänglich keine Spur einer Zusammensetzung aus kernhaltigen Ele-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0282"n="266"/><fwplace="top"type="header">Siebenundzwanzigste Vorlesung.</fw><lb/>
St. 37, 41, 94, 111). <hirendition="#k">Remak</hi> hat übrigens nirgends bestimmtere<lb/>
Andeutungen gegeben, wie eigentlich die Entwicklung des periphe-<lb/>
rischen Nervensystems vor sich gehe, doch findet man bei ihm noch<lb/>
die Bemerkungen: 1) dass die sensiblen Wurzeln von den Ganglien,<lb/>
und die motorischen von den Stämmen aus gegen das Mark sich bil-<lb/>
den, und 2) dass alle eben entstandenen Nerven aus ganz homoge-<lb/>
nen Fasern ohne Kerne bestehen, welche letzteren erst nachträglich<lb/>
sich bilden sollen (Darmnervensystem, St. 11 und 26).</p><lb/><p>Vergleichen Sie nun mit diesen Angaben die früher schon mit-<lb/>
getheilten der neuesten Beobachter in diesem Gebiete, so werden<lb/>
Sie finden, dass <hirendition="#k">Bidder-Kupfer</hi> und <hirendition="#k">Remak</hi> mit Bezug auf die selb-<lb/>
ständige und isolirte Entstehung der Spinalganglien ganz mit ein-<lb/>
ander übereinstimmen, nur dass erstere es unentschieden lassen, ob<lb/>
die hintere Wurzel vom Ganglion gegen das Mark oder umgekehrt<lb/>
sich hervorbilde. Dagegen weichen <hirendition="#k">Bidder</hi> u. <hirendition="#k">Kupfer</hi> sehr wesent-<lb/>
lich darin ab, dass sie, wenn auch nicht mit Bestimmtheit, doch<lb/>
mit Wahrscheinlichkeit die motorischen Wurzeln aus dem Rücken-<lb/>
mark hervorwachsen lassen und dieselben schon zu einer Zeit fin-<lb/>
den, wo von den sensiblen Elementen noch gar nichts da ist, ausser<lb/>
dem Ganglion.</p><lb/><p>So weit die bisherigen Annahmen und Erfahrungen. Fragen Sie<lb/>
nun, welches Ergebniss meine Beobachtungen geliefert haben, so<lb/>
kann ich Ihnen Folgendes sagen. Es unterliegt nicht dem geringsten<lb/>
Zweifel, dass die Ganglien der Cerebrospinalnerven selbständig aus<lb/>
einem Theile der Urwirbelplatten sich bilden. Ebenso kann ich nach<lb/>
meinen Beobachtungen am Hühnchen dahin mich aussprechen, dass<lb/>
die Ganglien der Spinalnerven anfänglich mit dem Marke nicht ver-<lb/>
bunden sind, und dass die sensiblen Wurzeln nicht in loco aus Ele-<lb/>
menten sich bilden, die zwischen dem Ganglion und dem Marke<lb/>
liegen. Wäre dem so, so müssten diese Wurzeln eine Zusammen-<lb/>
setzung aus zelligen Elementen zeigen und könnten nicht, wie <hirendition="#k">Remak</hi><lb/>
und <hirendition="#k">Bidder-Kupfer</hi> mit Recht angeben, aus gleichartigen feinen Fäser-<lb/>
chen bestehen. Dagegen erlauben mir meine Wahrnehmungen bis-<lb/>
her keine Entscheidung über die wichtige Frage, ob die genannten<lb/>
Wurzeln vom Ganglion gegen das Mark oder in umgekehrter Richtung<lb/>
sich hervorbilden. — Die motorischen Wurzeln anlangend, so scheint<lb/>
es mir unzweifelhaft, dass dieselben aus dem Marke, d. h. den Zellen<lb/>
der grauen Substanz desselben, hervorwachsen, denn sie zeigen an-<lb/>
fänglich keine Spur einer Zusammensetzung aus kernhaltigen Ele-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[266/0282]
Siebenundzwanzigste Vorlesung.
St. 37, 41, 94, 111). Remak hat übrigens nirgends bestimmtere
Andeutungen gegeben, wie eigentlich die Entwicklung des periphe-
rischen Nervensystems vor sich gehe, doch findet man bei ihm noch
die Bemerkungen: 1) dass die sensiblen Wurzeln von den Ganglien,
und die motorischen von den Stämmen aus gegen das Mark sich bil-
den, und 2) dass alle eben entstandenen Nerven aus ganz homoge-
nen Fasern ohne Kerne bestehen, welche letzteren erst nachträglich
sich bilden sollen (Darmnervensystem, St. 11 und 26).
Vergleichen Sie nun mit diesen Angaben die früher schon mit-
getheilten der neuesten Beobachter in diesem Gebiete, so werden
Sie finden, dass Bidder-Kupfer und Remak mit Bezug auf die selb-
ständige und isolirte Entstehung der Spinalganglien ganz mit ein-
ander übereinstimmen, nur dass erstere es unentschieden lassen, ob
die hintere Wurzel vom Ganglion gegen das Mark oder umgekehrt
sich hervorbilde. Dagegen weichen Bidder u. Kupfer sehr wesent-
lich darin ab, dass sie, wenn auch nicht mit Bestimmtheit, doch
mit Wahrscheinlichkeit die motorischen Wurzeln aus dem Rücken-
mark hervorwachsen lassen und dieselben schon zu einer Zeit fin-
den, wo von den sensiblen Elementen noch gar nichts da ist, ausser
dem Ganglion.
So weit die bisherigen Annahmen und Erfahrungen. Fragen Sie
nun, welches Ergebniss meine Beobachtungen geliefert haben, so
kann ich Ihnen Folgendes sagen. Es unterliegt nicht dem geringsten
Zweifel, dass die Ganglien der Cerebrospinalnerven selbständig aus
einem Theile der Urwirbelplatten sich bilden. Ebenso kann ich nach
meinen Beobachtungen am Hühnchen dahin mich aussprechen, dass
die Ganglien der Spinalnerven anfänglich mit dem Marke nicht ver-
bunden sind, und dass die sensiblen Wurzeln nicht in loco aus Ele-
menten sich bilden, die zwischen dem Ganglion und dem Marke
liegen. Wäre dem so, so müssten diese Wurzeln eine Zusammen-
setzung aus zelligen Elementen zeigen und könnten nicht, wie Remak
und Bidder-Kupfer mit Recht angeben, aus gleichartigen feinen Fäser-
chen bestehen. Dagegen erlauben mir meine Wahrnehmungen bis-
her keine Entscheidung über die wichtige Frage, ob die genannten
Wurzeln vom Ganglion gegen das Mark oder in umgekehrter Richtung
sich hervorbilden. — Die motorischen Wurzeln anlangend, so scheint
es mir unzweifelhaft, dass dieselben aus dem Marke, d. h. den Zellen
der grauen Substanz desselben, hervorwachsen, denn sie zeigen an-
fänglich keine Spur einer Zusammensetzung aus kernhaltigen Ele-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/282>, abgerufen am 21.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.