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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Entwicklung des Knochensystems.

Zur Vervollständigung der Schilderungen über die Entwick-Extremitäten.
lung des Knochensystems habe ich Ihnen nun noch über die Extre-
mitäten
zu berichten. Was die äussere Erscheinung der GliederAeussere Gestalt
derselben.

anlangt, so wissen Sie aus Früherem (siehe Vorl. XI, XVII), dass die-
selben, beim Menschen in der 4. Woche, uranfänglich in der Gestalt
kleiner einfacher Stummelchen auftreten, welche aus den dem Rü-
cken am nächsten gelegenen Theilen der Seitenplatten sich hervor-
bilden, und ebenso habe ich Ihnen auch schon mitgetheilt, dass die
obere Extremität früher erscheint, als die untere. In weiterer Ent-
wicklung sondert sich schon in der 5. Woche jede Gliedmaasse zu-
nächst in zwei Abtheilungen, von denen die äussere mehr verbrei-
terte oder schaufelförmige der Hand und dem Fuss, die andere
mehr cylindrische oder stielartige den zwei ersten Abschnitten der-
selben entspricht (Fig. 95). Dann treten, zuerst an der Hand und
dann auch am Fusse, ungefähr in der 7. Woche, vier schwache Ein-
schnitte auf, welche die ersten Anlagen der Finger und Zehen be-
zeichnen, und während diese mehr sich ausbilden, wird etwa in der
8. Woche auch die Trennung der beiden ersten Gliederabschnitte
deutlich, so dass am Ende des 2. Monates äusserlich alle Hauptab-
schnitte angelegt sind, wobei jedoch noch das zu bemerken ist, dass
um diese Zeit beide Extremitäten einander noch sehr ähnlich sehen
und die Unterschiede erst im 3. Monate mit der weiter fortschreiten-
den Entwicklung derselben ganz bezeichnend auftreten.

Eine weitere Schilderung der äusseren Form der Glieder wer-
den Sie mir wohl erlassen und wende ich mich daher gleich zur
Besprechung der Hartgebilde derselben. Wie Sie aus Früherem
haben entnehmen können (St. 68, 69), so ist es auch der neueren
Entwicklungsgeschichte noch nicht gelungen, genau nachzuweisen,
woher das Blastem stammt, aus dem die Knochen und Muskeln
der Extremitäten ihren Ursprung nehmen, und ist namentlich die
Frage noch ganz unerledigt, ob und welchen Antheil die Urwirbel
an der Bildung derselben haben. Die Möglichkeit, dass alle Theile
des Extremitätenskelettes aus den Urwirbeln hervorgehen, ist nicht
zu läugnen, auf der andern Seite ist es aber auch ebensogut ge-
denkbar, dass die Seitenplatten resp. die Hautplatten es sind,
welche ebenso wie die Haut der Glieder, so auch die innern Theile
mit Ausnahme der Nerven liefern. Würdigt man beide Fälle unbe-
fangen, so erscheint es am wahrscheinlichsten, dass die eigentliche
Extremität, vom Oberarm und Oberschenkel an, sammt ihren Mus-

Entwicklung des Knochensystems.

Zur Vervollständigung der Schilderungen über die Entwick-Extremitäten.
lung des Knochensystems habe ich Ihnen nun noch über die Extre-
mitäten
zu berichten. Was die äussere Erscheinung der GliederAeussere Gestalt
derselben.

anlangt, so wissen Sie aus Früherem (siehe Vorl. XI, XVII), dass die-
selben, beim Menschen in der 4. Woche, uranfänglich in der Gestalt
kleiner einfacher Stummelchen auftreten, welche aus den dem Rü-
cken am nächsten gelegenen Theilen der Seitenplatten sich hervor-
bilden, und ebenso habe ich Ihnen auch schon mitgetheilt, dass die
obere Extremität früher erscheint, als die untere. In weiterer Ent-
wicklung sondert sich schon in der 5. Woche jede Gliedmaasse zu-
nächst in zwei Abtheilungen, von denen die äussere mehr verbrei-
terte oder schaufelförmige der Hand und dem Fuss, die andere
mehr cylindrische oder stielartige den zwei ersten Abschnitten der-
selben entspricht (Fig. 95). Dann treten, zuerst an der Hand und
dann auch am Fusse, ungefähr in der 7. Woche, vier schwache Ein-
schnitte auf, welche die ersten Anlagen der Finger und Zehen be-
zeichnen, und während diese mehr sich ausbilden, wird etwa in der
8. Woche auch die Trennung der beiden ersten Gliederabschnitte
deutlich, so dass am Ende des 2. Monates äusserlich alle Hauptab-
schnitte angelegt sind, wobei jedoch noch das zu bemerken ist, dass
um diese Zeit beide Extremitäten einander noch sehr ähnlich sehen
und die Unterschiede erst im 3. Monate mit der weiter fortschreiten-
den Entwicklung derselben ganz bezeichnend auftreten.

Eine weitere Schilderung der äusseren Form der Glieder wer-
den Sie mir wohl erlassen und wende ich mich daher gleich zur
Besprechung der Hartgebilde derselben. Wie Sie aus Früherem
haben entnehmen können (St. 68, 69), so ist es auch der neueren
Entwicklungsgeschichte noch nicht gelungen, genau nachzuweisen,
woher das Blastem stammt, aus dem die Knochen und Muskeln
der Extremitäten ihren Ursprung nehmen, und ist namentlich die
Frage noch ganz unerledigt, ob und welchen Antheil die Urwirbel
an der Bildung derselben haben. Die Möglichkeit, dass alle Theile
des Extremitätenskelettes aus den Urwirbeln hervorgehen, ist nicht
zu läugnen, auf der andern Seite ist es aber auch ebensogut ge-
denkbar, dass die Seitenplatten resp. die Hautplatten es sind,
welche ebenso wie die Haut der Glieder, so auch die innern Theile
mit Ausnahme der Nerven liefern. Würdigt man beide Fälle unbe-
fangen, so erscheint es am wahrscheinlichsten, dass die eigentliche
Extremität, vom Oberarm und Oberschenkel an, sammt ihren Mus-

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[221/0237] Entwicklung des Knochensystems. Zur Vervollständigung der Schilderungen über die Entwick- lung des Knochensystems habe ich Ihnen nun noch über die Extre- mitäten zu berichten. Was die äussere Erscheinung der Glieder anlangt, so wissen Sie aus Früherem (siehe Vorl. XI, XVII), dass die- selben, beim Menschen in der 4. Woche, uranfänglich in der Gestalt kleiner einfacher Stummelchen auftreten, welche aus den dem Rü- cken am nächsten gelegenen Theilen der Seitenplatten sich hervor- bilden, und ebenso habe ich Ihnen auch schon mitgetheilt, dass die obere Extremität früher erscheint, als die untere. In weiterer Ent- wicklung sondert sich schon in der 5. Woche jede Gliedmaasse zu- nächst in zwei Abtheilungen, von denen die äussere mehr verbrei- terte oder schaufelförmige der Hand und dem Fuss, die andere mehr cylindrische oder stielartige den zwei ersten Abschnitten der- selben entspricht (Fig. 95). Dann treten, zuerst an der Hand und dann auch am Fusse, ungefähr in der 7. Woche, vier schwache Ein- schnitte auf, welche die ersten Anlagen der Finger und Zehen be- zeichnen, und während diese mehr sich ausbilden, wird etwa in der 8. Woche auch die Trennung der beiden ersten Gliederabschnitte deutlich, so dass am Ende des 2. Monates äusserlich alle Hauptab- schnitte angelegt sind, wobei jedoch noch das zu bemerken ist, dass um diese Zeit beide Extremitäten einander noch sehr ähnlich sehen und die Unterschiede erst im 3. Monate mit der weiter fortschreiten- den Entwicklung derselben ganz bezeichnend auftreten. Extremitäten. Aeussere Gestalt derselben. Eine weitere Schilderung der äusseren Form der Glieder wer- den Sie mir wohl erlassen und wende ich mich daher gleich zur Besprechung der Hartgebilde derselben. Wie Sie aus Früherem haben entnehmen können (St. 68, 69), so ist es auch der neueren Entwicklungsgeschichte noch nicht gelungen, genau nachzuweisen, woher das Blastem stammt, aus dem die Knochen und Muskeln der Extremitäten ihren Ursprung nehmen, und ist namentlich die Frage noch ganz unerledigt, ob und welchen Antheil die Urwirbel an der Bildung derselben haben. Die Möglichkeit, dass alle Theile des Extremitätenskelettes aus den Urwirbeln hervorgehen, ist nicht zu läugnen, auf der andern Seite ist es aber auch ebensogut ge- denkbar, dass die Seitenplatten resp. die Hautplatten es sind, welche ebenso wie die Haut der Glieder, so auch die innern Theile mit Ausnahme der Nerven liefern. Würdigt man beide Fälle unbe- fangen, so erscheint es am wahrscheinlichsten, dass die eigentliche Extremität, vom Oberarm und Oberschenkel an, sammt ihren Mus-

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/237>, abgerufen am 05.05.2024.