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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Entwicklung des Knochensystems.
beins auffand. Müller sah bei einem Kalbsembryo von 3" die
Chorda aus dem Zahne des Epistropheus und dem Lig. suspensorium
dentis
in den Knorpel der Pars basilaris ossis occipitis eintreten. Von
hier ging sie, immer im Knorpel gelegen, unter dem basilaren Kno-
chenkerne durch, stieg dann in der Synchondrosis spheno-occipitalis
gegen die Mitte des Knorpels aufwärts und erreichte dicht hinter der
Sattellehne die Oberfläche des Knorpels, so dass sie eigentlich
ganz in dessen Perichondrium lag, um dann schliesslich wieder in
den Knorpel der Sella einzutreten und dicht hinter dem Hirnanhange
sich zu verlieren. Bei menschlichen Embryonen gelang es H. Müller
nicht, eine solche oberflächliche Lage der Chorda an einer Stelle mit
Bestimmtheit zu demonstriren, ausser in einem Falle am hintern
Ende des Basilarknorpels, dagegen zeigten sich bestimmte Chorda-
reste sowohl im Basilarknorpel, als in der spheno-occipitalen Syn-
chondrose bei Embryonen von 21/2--9". Bei älteren Embryonen
und Neugeborenen fand Müller in der angegebenen Synchondrose
verschieden geformte Höhlen mit gallertigem Inhalte und Elementen,
die ganz den früher beschriebenen blasigen Chordazellen aus den
Ligamenta intervertebralia glichen, und steht dieser Forscher nicht
an, dieselben für Chordareste zu erklären, in welcher Beziehung er
mir vollkommen im Rechte zu sein scheint. -- Das Vorkommen von
Resten der Chorda dorsalis bei älteren Embryonen hat nun aber
ausser der embryologischen noch eine andere Bedeutung, worauf
Müller ebenfalls die Aufmerksamkeit gelenkt hat. Es haben näm-Gallertge-
schwülste des
Clivus und ihre
Beziehung zu den
Chordaresten.

lich vor nicht langer Zeit Virchow, Luschka und Zenker eigenthüm-
liche gallertartige Geschwülste am Clivus beschrieben, welche Vir-
chow
und Luschka als aus Umwandlungen des ursprünglichen Knor-
pels der Schädelbasis hervorgegangen betrachten. Die Elemente
dieser Geschwülste, die Virchow als Physaliden und die Ge-
schwülste selbst als Physaliphoren bezeichnet, haben die grösste
Aehnlichkeit mit denen der ältern Chorda dorsalis, wie diess schon
Virchow hervorhebt; da man jedoch allgemein annahm, dass die
Chorda im Schädel sehr früh schwinde, so kam Niemand auf den Ge-
danken, diese Bildungen mit der Chorda in Verbindung zu bringen;
H. Müller dagegen musste, sobald er von der langen Persistenz der
Chordareste in der spheno-occipitalen Synchondrose sich überzeugt,
und auch Umwandlungen derselben in grössere Höhlungen mit
blasigen Zellen aufgefunden hatte, diese Möglichkeit nahetreten, und
scheint es mir, dass er mit vollem Rechte die Vermuthung aus-

Entwicklung des Knochensystems.
beins auffand. Müller sah bei einem Kalbsembryo von 3″ die
Chorda aus dem Zahne des Epistropheus und dem Lig. suspensorium
dentis
in den Knorpel der Pars basilaris ossis occipitis eintreten. Von
hier ging sie, immer im Knorpel gelegen, unter dem basilaren Kno-
chenkerne durch, stieg dann in der Synchondrosis spheno-occipitalis
gegen die Mitte des Knorpels aufwärts und erreichte dicht hinter der
Sattellehne die Oberfläche des Knorpels, so dass sie eigentlich
ganz in dessen Perichondrium lag, um dann schliesslich wieder in
den Knorpel der Sella einzutreten und dicht hinter dem Hirnanhange
sich zu verlieren. Bei menschlichen Embryonen gelang es H. Müller
nicht, eine solche oberflächliche Lage der Chorda an einer Stelle mit
Bestimmtheit zu demonstriren, ausser in einem Falle am hintern
Ende des Basilarknorpels, dagegen zeigten sich bestimmte Chorda-
reste sowohl im Basilarknorpel, als in der spheno-occipitalen Syn-
chondrose bei Embryonen von 2½—9″. Bei älteren Embryonen
und Neugeborenen fand Müller in der angegebenen Synchondrose
verschieden geformte Höhlen mit gallertigem Inhalte und Elementen,
die ganz den früher beschriebenen blasigen Chordazellen aus den
Ligamenta intervertebralia glichen, und steht dieser Forscher nicht
an, dieselben für Chordareste zu erklären, in welcher Beziehung er
mir vollkommen im Rechte zu sein scheint. — Das Vorkommen von
Resten der Chorda dorsalis bei älteren Embryonen hat nun aber
ausser der embryologischen noch eine andere Bedeutung, worauf
Müller ebenfalls die Aufmerksamkeit gelenkt hat. Es haben näm-Gallertge-
schwülste des
Clivus und ihre
Beziehung zu den
Chordaresten.

lich vor nicht langer Zeit Virchow, Luschka und Zenker eigenthüm-
liche gallertartige Geschwülste am Clivus beschrieben, welche Vir-
chow
und Luschka als aus Umwandlungen des ursprünglichen Knor-
pels der Schädelbasis hervorgegangen betrachten. Die Elemente
dieser Geschwülste, die Virchow als Physaliden und die Ge-
schwülste selbst als Physaliphoren bezeichnet, haben die grösste
Aehnlichkeit mit denen der ältern Chorda dorsalis, wie diess schon
Virchow hervorhebt; da man jedoch allgemein annahm, dass die
Chorda im Schädel sehr früh schwinde, so kam Niemand auf den Ge-
danken, diese Bildungen mit der Chorda in Verbindung zu bringen;
H. Müller dagegen musste, sobald er von der langen Persistenz der
Chordareste in der spheno-occipitalen Synchondrose sich überzeugt,
und auch Umwandlungen derselben in grössere Höhlungen mit
blasigen Zellen aufgefunden hatte, diese Möglichkeit nahetreten, und
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[207/0223] Entwicklung des Knochensystems. beins auffand. Müller sah bei einem Kalbsembryo von 3″ die Chorda aus dem Zahne des Epistropheus und dem Lig. suspensorium dentis in den Knorpel der Pars basilaris ossis occipitis eintreten. Von hier ging sie, immer im Knorpel gelegen, unter dem basilaren Kno- chenkerne durch, stieg dann in der Synchondrosis spheno-occipitalis gegen die Mitte des Knorpels aufwärts und erreichte dicht hinter der Sattellehne die Oberfläche des Knorpels, so dass sie eigentlich ganz in dessen Perichondrium lag, um dann schliesslich wieder in den Knorpel der Sella einzutreten und dicht hinter dem Hirnanhange sich zu verlieren. Bei menschlichen Embryonen gelang es H. Müller nicht, eine solche oberflächliche Lage der Chorda an einer Stelle mit Bestimmtheit zu demonstriren, ausser in einem Falle am hintern Ende des Basilarknorpels, dagegen zeigten sich bestimmte Chorda- reste sowohl im Basilarknorpel, als in der spheno-occipitalen Syn- chondrose bei Embryonen von 2½—9″. Bei älteren Embryonen und Neugeborenen fand Müller in der angegebenen Synchondrose verschieden geformte Höhlen mit gallertigem Inhalte und Elementen, die ganz den früher beschriebenen blasigen Chordazellen aus den Ligamenta intervertebralia glichen, und steht dieser Forscher nicht an, dieselben für Chordareste zu erklären, in welcher Beziehung er mir vollkommen im Rechte zu sein scheint. — Das Vorkommen von Resten der Chorda dorsalis bei älteren Embryonen hat nun aber ausser der embryologischen noch eine andere Bedeutung, worauf Müller ebenfalls die Aufmerksamkeit gelenkt hat. Es haben näm- lich vor nicht langer Zeit Virchow, Luschka und Zenker eigenthüm- liche gallertartige Geschwülste am Clivus beschrieben, welche Vir- chow und Luschka als aus Umwandlungen des ursprünglichen Knor- pels der Schädelbasis hervorgegangen betrachten. Die Elemente dieser Geschwülste, die Virchow als Physaliden und die Ge- schwülste selbst als Physaliphoren bezeichnet, haben die grösste Aehnlichkeit mit denen der ältern Chorda dorsalis, wie diess schon Virchow hervorhebt; da man jedoch allgemein annahm, dass die Chorda im Schädel sehr früh schwinde, so kam Niemand auf den Ge- danken, diese Bildungen mit der Chorda in Verbindung zu bringen; H. Müller dagegen musste, sobald er von der langen Persistenz der Chordareste in der spheno-occipitalen Synchondrose sich überzeugt, und auch Umwandlungen derselben in grössere Höhlungen mit blasigen Zellen aufgefunden hatte, diese Möglichkeit nahetreten, und scheint es mir, dass er mit vollem Rechte die Vermuthung aus- Gallertge- schwülste des Clivus und ihre Beziehung zu den Chordaresten.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/223>, abgerufen am 24.11.2024.