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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Einundzwanzigste Vorlesung.
heit als Reste der Epithelialblase der Allantois gedeutet werden
können, wie von v. Baer (Entw. II, St. 278), R. Wagner (Icon. phys.
Tab. VIII.), Coste (l. c.), älterer zweifelhafter Erfahrungen von
Seiler und Pockels nicht zu gedenken. -- Wenn man aber auch,
wie diess von vielen Seiten geschieht, diesen letztgenannten Erfah-
rungen keine besondere Beweiskraft zuschreiben will, so wird man
doch nicht umhin können, der vorgetragenen Ansicht wenigstens
insofern beizupflichten, als dieselbe die Gefässschicht der Allantois
an der ganzen innern Oberfläche der serösen Hülle herumwuchern
und das Epithelialblatt derselben keine erhebliche Entwicklung neh-
men lässt. Zweifelhaft bleibt, wie mir scheint, nur Ein Punct und
das ist der, ob das Gefässblatt der Allantois als Blase herumwuchert,
oder gewissermaassen nur mit seinen Blutgefässen in einfacher
Schicht an die seröse Hülle sich anlegt. Für beide Möglichkeiten
finden sich, wie schon vor langer Zeit v. Baer gezeigt hat, bei Thie-
ren Analogien und wird es sich daher vor allem darum handeln,
ob beim Menschen irgendwelche Thatsachen bekannt sind, die nach
der einen oder der anderen Seite den Ausschlag geben. Und solche
liegen in der That vor. Das Chorion ist nämlich auch bei ganz jun-
gen Eiern aus der dritten und vierten Woche in seiner von der Al-
lantois abstammenden Schicht nur einblätterig und zwischen
ihm und dem Amnios keine zweite Membran vorhanden, indem
die sogenannte Tunica media, wie wir früher sahen, nur eine eiweiss-
haltige Gallerte und keine organisirte Haut ist, und glaube ich somit
nicht zu irren, wenn ich der ersten Auffassung den Vorzug gebe.
Aus dem Gesagten können Sie nun auch entnehmen, dass eine an-
dere schon angedeutete Hypothese, nach welcher die Allantois nur
an der spätern Placentarstelle sich anlegen soll, auf jeden Fall zu
verwerfen ist. Es scheitert dieselbe an der Thatsache, die, wie
erwähnt, besonders Coste zu Tage gefördert hat, dass zu einer ge-
wissen Zeit bei ganz jungen Eiern das Chorion ringsum von den
Umbilicalgefässen versorgt wird, aber auch abgesehen hiervon, geht
ja schon aus dem Umstande, dass das Chorion überall zweiblätte-
rig ist, überall eine Bindegewebsschicht besitzt, hervor, dass die
Allantois nicht blos an der Placentarstelle, sondern ringsum mit der
serösen Hülle sich vereint, denn eine Möglichkeit, die Bindegewebs-
schicht des glatten Theiles des Chorions von irgendwo andersher
abzuleiten, liegt nicht vor.


Einundzwanzigste Vorlesung.
heit als Reste der Epithelialblase der Allantois gedeutet werden
können, wie von v. Baer (Entw. II, St. 278), R. Wagner (Icon. phys.
Tab. VIII.), Coste (l. c.), älterer zweifelhafter Erfahrungen von
Seiler und Pockels nicht zu gedenken. — Wenn man aber auch,
wie diess von vielen Seiten geschieht, diesen letztgenannten Erfah-
rungen keine besondere Beweiskraft zuschreiben will, so wird man
doch nicht umhin können, der vorgetragenen Ansicht wenigstens
insofern beizupflichten, als dieselbe die Gefässschicht der Allantois
an der ganzen innern Oberfläche der serösen Hülle herumwuchern
und das Epithelialblatt derselben keine erhebliche Entwicklung neh-
men lässt. Zweifelhaft bleibt, wie mir scheint, nur Ein Punct und
das ist der, ob das Gefässblatt der Allantois als Blase herumwuchert,
oder gewissermaassen nur mit seinen Blutgefässen in einfacher
Schicht an die seröse Hülle sich anlegt. Für beide Möglichkeiten
finden sich, wie schon vor langer Zeit v. Baer gezeigt hat, bei Thie-
ren Analogien und wird es sich daher vor allem darum handeln,
ob beim Menschen irgendwelche Thatsachen bekannt sind, die nach
der einen oder der anderen Seite den Ausschlag geben. Und solche
liegen in der That vor. Das Chorion ist nämlich auch bei ganz jun-
gen Eiern aus der dritten und vierten Woche in seiner von der Al-
lantois abstammenden Schicht nur einblätterig und zwischen
ihm und dem Amnios keine zweite Membran vorhanden, indem
die sogenannte Tunica media, wie wir früher sahen, nur eine eiweiss-
haltige Gallerte und keine organisirte Haut ist, und glaube ich somit
nicht zu irren, wenn ich der ersten Auffassung den Vorzug gebe.
Aus dem Gesagten können Sie nun auch entnehmen, dass eine an-
dere schon angedeutete Hypothese, nach welcher die Allantois nur
an der spätern Placentarstelle sich anlegen soll, auf jeden Fall zu
verwerfen ist. Es scheitert dieselbe an der Thatsache, die, wie
erwähnt, besonders Coste zu Tage gefördert hat, dass zu einer ge-
wissen Zeit bei ganz jungen Eiern das Chorion ringsum von den
Umbilicalgefässen versorgt wird, aber auch abgesehen hiervon, geht
ja schon aus dem Umstande, dass das Chorion überall zweiblätte-
rig ist, überall eine Bindegewebsschicht besitzt, hervor, dass die
Allantois nicht blos an der Placentarstelle, sondern ringsum mit der
serösen Hülle sich vereint, denn eine Möglichkeit, die Bindegewebs-
schicht des glatten Theiles des Chorions von irgendwo andersher
abzuleiten, liegt nicht vor.


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[176/0192] Einundzwanzigste Vorlesung. heit als Reste der Epithelialblase der Allantois gedeutet werden können, wie von v. Baer (Entw. II, St. 278), R. Wagner (Icon. phys. Tab. VIII.), Coste (l. c.), älterer zweifelhafter Erfahrungen von Seiler und Pockels nicht zu gedenken. — Wenn man aber auch, wie diess von vielen Seiten geschieht, diesen letztgenannten Erfah- rungen keine besondere Beweiskraft zuschreiben will, so wird man doch nicht umhin können, der vorgetragenen Ansicht wenigstens insofern beizupflichten, als dieselbe die Gefässschicht der Allantois an der ganzen innern Oberfläche der serösen Hülle herumwuchern und das Epithelialblatt derselben keine erhebliche Entwicklung neh- men lässt. Zweifelhaft bleibt, wie mir scheint, nur Ein Punct und das ist der, ob das Gefässblatt der Allantois als Blase herumwuchert, oder gewissermaassen nur mit seinen Blutgefässen in einfacher Schicht an die seröse Hülle sich anlegt. Für beide Möglichkeiten finden sich, wie schon vor langer Zeit v. Baer gezeigt hat, bei Thie- ren Analogien und wird es sich daher vor allem darum handeln, ob beim Menschen irgendwelche Thatsachen bekannt sind, die nach der einen oder der anderen Seite den Ausschlag geben. Und solche liegen in der That vor. Das Chorion ist nämlich auch bei ganz jun- gen Eiern aus der dritten und vierten Woche in seiner von der Al- lantois abstammenden Schicht nur einblätterig und zwischen ihm und dem Amnios keine zweite Membran vorhanden, indem die sogenannte Tunica media, wie wir früher sahen, nur eine eiweiss- haltige Gallerte und keine organisirte Haut ist, und glaube ich somit nicht zu irren, wenn ich der ersten Auffassung den Vorzug gebe. Aus dem Gesagten können Sie nun auch entnehmen, dass eine an- dere schon angedeutete Hypothese, nach welcher die Allantois nur an der spätern Placentarstelle sich anlegen soll, auf jeden Fall zu verwerfen ist. Es scheitert dieselbe an der Thatsache, die, wie erwähnt, besonders Coste zu Tage gefördert hat, dass zu einer ge- wissen Zeit bei ganz jungen Eiern das Chorion ringsum von den Umbilicalgefässen versorgt wird, aber auch abgesehen hiervon, geht ja schon aus dem Umstande, dass das Chorion überall zweiblätte- rig ist, überall eine Bindegewebsschicht besitzt, hervor, dass die Allantois nicht blos an der Placentarstelle, sondern ringsum mit der serösen Hülle sich vereint, denn eine Möglichkeit, die Bindegewebs- schicht des glatten Theiles des Chorions von irgendwo andersher abzuleiten, liegt nicht vor.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/192>, abgerufen am 04.05.2024.