Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Eihüllen der Säugethiere.
Wahre Zotten und eine Placenta entwickelt jedoch auch beim Ka-
ninchen nur der Theil des Chorions, an dessen Bildung die Allantois
sich betheiligt.

Die früheren Zustände des Kanincheneies anlangend, so habe
ich Ihnen vor Allem zu bemerken, dass dasselbe im Eileiter eine
starke Eiweissschicht erhält und in dieser Beziehung dem Vo-
geleie gleicht, ein Verhalten, welches ebenfalls nach den bisherigen
Ermittlungen bei den Säugethieren ganz allein dasteht. Sowie dann
nach der Furchung sich die Keimblase zu bilden beginnt und das
ganze Ei sich ausdehnt, wird die Eiweissschicht nach und nach im-
mer dünner und verschwindet endlich ganz. Bischoff hat diese
Verhältnisse so dargestellt, als ob die Eiweissschicht mit der Zona
verschmelze, allein es ist wohl naturgemässer zu sagen: die Eiweiss-
schicht wird resorbirt und dient zur Ernährung der Keimblase.

Ist das Eiweiss resorbirt, so findet man dann als äussere Be-
grenzung des Eies eine ganz dünne Haut, die nichts anderes ist, als
die verdünnte Zona pellucida oder die Dotterhaut und auf dieser
bilden sich dann an liniengrossen Kanincheneiern zu einer Zeit, wo
vom Embryo noch gar nichts zu sehen, wohl aber der Fruchthof
schon angelegt ist, die schon früher beschriebenen structurlosen Zött-
chen im ganzen Umkreise des Eies (Figg. 11, 12, 13). Wie beim Hunde
so nimmt Bischoff auch für das Kaninchen an, dass diese primiti-
ven Zöttchen der Zona pellucida unmittelbar in die Zotten der spä-
teren Placenta übergehen; eine Auffassung, der ich auch hier nicht
beipflichten kann. Auch beim Kaninchen gehen offenbar die Zona
und die primitiven Zöttchen in späteren Zeiten verloren und sind
die bleibenden Chorionzotten eine ganz neue Bildung, welche aus
der serösen Hülle in Verbindung mit der Allantois sich entwickelt.

Ich schildere Ihnen nun ferner das Ei der Wiederkäuer,Wiederkäuer.
(Fig. 77), das einen langen spindelförmigen Schlauch darstellt. Hat
dieses Ei eine gewisse Entwicklung erlangt, so findet man, dass die
äussere Begrenzung desselben von dem Chorion gebildet wird, wel-
ches da und dort Haufen oder Büschel von Zotten trägt, die rund-
liche, bei einigen Gattungen convexe, bei andern an der Endfläche
vertiefte Erhebungen bilden. Diese Massen, welche in grösseren
Abständen über die ganze Oberfläche des Eies zerstreut sind und
nur an den zugespitzten Enden desselben fehlen, nennt man die
Cotyledonen; dieselben sind jedoch, wie Sie leicht einsehen,
nichts Anderes, als kleine fötale Placenten. Das Chorion mit Aus-

Eihüllen der Säugethiere.
Wahre Zotten und eine Placenta entwickelt jedoch auch beim Ka-
ninchen nur der Theil des Chorions, an dessen Bildung die Allantois
sich betheiligt.

Die früheren Zustände des Kanincheneies anlangend, so habe
ich Ihnen vor Allem zu bemerken, dass dasselbe im Eileiter eine
starke Eiweissschicht erhält und in dieser Beziehung dem Vo-
geleie gleicht, ein Verhalten, welches ebenfalls nach den bisherigen
Ermittlungen bei den Säugethieren ganz allein dasteht. Sowie dann
nach der Furchung sich die Keimblase zu bilden beginnt und das
ganze Ei sich ausdehnt, wird die Eiweissschicht nach und nach im-
mer dünner und verschwindet endlich ganz. Bischoff hat diese
Verhältnisse so dargestellt, als ob die Eiweissschicht mit der Zona
verschmelze, allein es ist wohl naturgemässer zu sagen: die Eiweiss-
schicht wird resorbirt und dient zur Ernährung der Keimblase.

Ist das Eiweiss resorbirt, so findet man dann als äussere Be-
grenzung des Eies eine ganz dünne Haut, die nichts anderes ist, als
die verdünnte Zona pellucida oder die Dotterhaut und auf dieser
bilden sich dann an liniengrossen Kanincheneiern zu einer Zeit, wo
vom Embryo noch gar nichts zu sehen, wohl aber der Fruchthof
schon angelegt ist, die schon früher beschriebenen structurlosen Zött-
chen im ganzen Umkreise des Eies (Figg. 11, 12, 13). Wie beim Hunde
so nimmt Bischoff auch für das Kaninchen an, dass diese primiti-
ven Zöttchen der Zona pellucida unmittelbar in die Zotten der spä-
teren Placenta übergehen; eine Auffassung, der ich auch hier nicht
beipflichten kann. Auch beim Kaninchen gehen offenbar die Zona
und die primitiven Zöttchen in späteren Zeiten verloren und sind
die bleibenden Chorionzotten eine ganz neue Bildung, welche aus
der serösen Hülle in Verbindung mit der Allantois sich entwickelt.

Ich schildere Ihnen nun ferner das Ei der Wiederkäuer,Wiederkäuer.
(Fig. 77), das einen langen spindelförmigen Schlauch darstellt. Hat
dieses Ei eine gewisse Entwicklung erlangt, so findet man, dass die
äussere Begrenzung desselben von dem Chorion gebildet wird, wel-
ches da und dort Haufen oder Büschel von Zotten trägt, die rund-
liche, bei einigen Gattungen convexe, bei andern an der Endfläche
vertiefte Erhebungen bilden. Diese Massen, welche in grösseren
Abständen über die ganze Oberfläche des Eies zerstreut sind und
nur an den zugespitzten Enden desselben fehlen, nennt man die
Cotyledonen; dieselben sind jedoch, wie Sie leicht einsehen,
nichts Anderes, als kleine fötale Placenten. Das Chorion mit Aus-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0181" n="165"/><fw place="top" type="header">Eihüllen der Säugethiere.</fw><lb/>
Wahre Zotten und eine Placenta entwickelt jedoch auch beim Ka-<lb/>
ninchen nur der Theil des Chorions, an dessen Bildung die Allantois<lb/>
sich betheiligt.</p><lb/>
        <p>Die früheren Zustände des Kanincheneies anlangend, so habe<lb/>
ich Ihnen vor Allem zu bemerken, dass dasselbe im Eileiter eine<lb/>
starke <hi rendition="#g">Eiweissschicht</hi> erhält und in dieser Beziehung dem Vo-<lb/>
geleie gleicht, ein Verhalten, welches ebenfalls nach den bisherigen<lb/>
Ermittlungen bei den Säugethieren ganz allein dasteht. Sowie dann<lb/>
nach der Furchung sich die Keimblase zu bilden beginnt und das<lb/>
ganze Ei sich ausdehnt, wird die Eiweissschicht nach und nach im-<lb/>
mer dünner und verschwindet endlich ganz. <hi rendition="#k">Bischoff</hi> hat diese<lb/>
Verhältnisse so dargestellt, als ob die Eiweissschicht mit der Zona<lb/>
verschmelze, allein es ist wohl naturgemässer zu sagen: die Eiweiss-<lb/>
schicht wird resorbirt und dient zur Ernährung der Keimblase.</p><lb/>
        <p>Ist das Eiweiss resorbirt, so findet man dann als äussere Be-<lb/>
grenzung des Eies eine ganz dünne Haut, die nichts anderes ist, als<lb/>
die verdünnte <hi rendition="#i">Zona pellucida</hi> oder die Dotterhaut und auf dieser<lb/>
bilden sich dann an liniengrossen Kanincheneiern zu einer Zeit, wo<lb/>
vom Embryo noch gar nichts zu sehen, wohl aber der Fruchthof<lb/>
schon angelegt ist, die schon früher beschriebenen structurlosen Zött-<lb/>
chen im ganzen Umkreise des Eies (Figg. 11, 12, 13). Wie beim Hunde<lb/>
so nimmt <hi rendition="#k">Bischoff</hi> auch für das Kaninchen an, dass diese primiti-<lb/>
ven Zöttchen der <hi rendition="#i">Zona pellucida</hi> unmittelbar in die Zotten der spä-<lb/>
teren Placenta übergehen; eine Auffassung, der ich auch hier nicht<lb/>
beipflichten kann. Auch beim Kaninchen gehen offenbar die Zona<lb/>
und die primitiven Zöttchen in späteren Zeiten verloren und sind<lb/>
die bleibenden Chorionzotten eine ganz neue Bildung, welche aus<lb/>
der serösen Hülle in Verbindung mit der Allantois sich entwickelt.</p><lb/>
        <p>Ich schildere Ihnen nun ferner das Ei der <hi rendition="#g">Wiederkäuer</hi>,<note place="right">Wiederkäuer.</note><lb/>
(Fig. 77), das einen langen spindelförmigen Schlauch darstellt. Hat<lb/>
dieses Ei eine gewisse Entwicklung erlangt, so findet man, dass die<lb/>
äussere Begrenzung desselben von dem Chorion gebildet wird, wel-<lb/>
ches da und dort Haufen oder Büschel von Zotten trägt, die rund-<lb/>
liche, bei einigen Gattungen convexe, bei andern an der Endfläche<lb/>
vertiefte Erhebungen bilden. Diese Massen, welche in grösseren<lb/>
Abständen über die ganze Oberfläche des Eies zerstreut sind und<lb/>
nur an den zugespitzten Enden desselben fehlen, nennt man die<lb/><hi rendition="#g">Cotyledonen</hi>; dieselben sind jedoch, wie Sie leicht einsehen,<lb/>
nichts Anderes, als kleine fötale Placenten. Das Chorion mit Aus-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0181] Eihüllen der Säugethiere. Wahre Zotten und eine Placenta entwickelt jedoch auch beim Ka- ninchen nur der Theil des Chorions, an dessen Bildung die Allantois sich betheiligt. Die früheren Zustände des Kanincheneies anlangend, so habe ich Ihnen vor Allem zu bemerken, dass dasselbe im Eileiter eine starke Eiweissschicht erhält und in dieser Beziehung dem Vo- geleie gleicht, ein Verhalten, welches ebenfalls nach den bisherigen Ermittlungen bei den Säugethieren ganz allein dasteht. Sowie dann nach der Furchung sich die Keimblase zu bilden beginnt und das ganze Ei sich ausdehnt, wird die Eiweissschicht nach und nach im- mer dünner und verschwindet endlich ganz. Bischoff hat diese Verhältnisse so dargestellt, als ob die Eiweissschicht mit der Zona verschmelze, allein es ist wohl naturgemässer zu sagen: die Eiweiss- schicht wird resorbirt und dient zur Ernährung der Keimblase. Ist das Eiweiss resorbirt, so findet man dann als äussere Be- grenzung des Eies eine ganz dünne Haut, die nichts anderes ist, als die verdünnte Zona pellucida oder die Dotterhaut und auf dieser bilden sich dann an liniengrossen Kanincheneiern zu einer Zeit, wo vom Embryo noch gar nichts zu sehen, wohl aber der Fruchthof schon angelegt ist, die schon früher beschriebenen structurlosen Zött- chen im ganzen Umkreise des Eies (Figg. 11, 12, 13). Wie beim Hunde so nimmt Bischoff auch für das Kaninchen an, dass diese primiti- ven Zöttchen der Zona pellucida unmittelbar in die Zotten der spä- teren Placenta übergehen; eine Auffassung, der ich auch hier nicht beipflichten kann. Auch beim Kaninchen gehen offenbar die Zona und die primitiven Zöttchen in späteren Zeiten verloren und sind die bleibenden Chorionzotten eine ganz neue Bildung, welche aus der serösen Hülle in Verbindung mit der Allantois sich entwickelt. Ich schildere Ihnen nun ferner das Ei der Wiederkäuer, (Fig. 77), das einen langen spindelförmigen Schlauch darstellt. Hat dieses Ei eine gewisse Entwicklung erlangt, so findet man, dass die äussere Begrenzung desselben von dem Chorion gebildet wird, wel- ches da und dort Haufen oder Büschel von Zotten trägt, die rund- liche, bei einigen Gattungen convexe, bei andern an der Endfläche vertiefte Erhebungen bilden. Diese Massen, welche in grösseren Abständen über die ganze Oberfläche des Eies zerstreut sind und nur an den zugespitzten Enden desselben fehlen, nennt man die Cotyledonen; dieselben sind jedoch, wie Sie leicht einsehen, nichts Anderes, als kleine fötale Placenten. Das Chorion mit Aus- Wiederkäuer.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/181
Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/181>, abgerufen am 04.05.2024.