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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Neunzehnte Vorlesung.
Theil, der, wie ich Ihnen schon früher sagte, in Form einer Haut
von 1/4--1/2''' Dicke die Uterinfläche der losgelösten Placenta beklei-
det; man findet ferner die beiden verwachsenen hinfälligen Häute,
das Chorion und Amnios entweder nur in Fetzen, in welchem Falle
sich Theile derselben schon während der Geburt abgelöst haben,
oder ziemlich gut erhalten und mit der Placenta verbunden in Form
eines Sackes, der natürlich an einer Stelle, die, je nach dem Sitze
der Placenta, derselben näher oder ferner liegt, eingerissen ist.
Nach der Geburt stossen sich dann während der Lochien immer
noch vorzüglich von der Placentarstelle, weniger von den übrigen
Gegenden, Theile der Uterusschleimhaut in Fetzen ab. Sind die
Lochien vorbei, so bildet sich allmählich wieder eine neue Schleim-
haut im Uterus auf eine Weise, die leider noch nicht hinreichend
genau verfolgt ist. Nach den vorliegenden Beobachtungen ist es
mehr als wahrscheinlich, dass bei einer normalen Geburt niemals
die ganze Schleimhaut sich ablöst, vielmehr der äusserste mit der
Muskelhaut verbundene Theil derselben zurückbleibt, um dann von
sich aus, sowohl im Bereiche der Decidua vera als in dem der Placenta
uterina
, eine neue vollständige Mucosa zu bilden. Nach den Anga-
ben französischer Autoren (Robin u. And.) soll die Bildung der
neuen Schleimhaut sogar schon während der Schwangerschaft in
der Nähe der Muskelhaut beginnen, ich muss jedoch gestehen, dass
ich in den bisher beigebrachten Thatsachen schlagende Beweise für
diese Behauptung vermisse.

Extrauterin-
schwangerschaf-
ten.
Es ist vielleicht nicht unzweckmässig, bei dieser Gelegenheit
noch etwas über Extrauterinschwangerschaften zu bemer-
ken. Es gibt Fälle, wo das befruchtete Ei nicht in den Uterus ge-
langt und trotzdem sich entwickelt. Das Ei kann entweder in den
Tuben liegen bleiben (gewöhnliche Tubarschwangerschaft
und interstitielle Schwangerschaft, wenn das Ei in dem
Theile der Tuba sitzt, der durch die Substanz des Uterus verläuft), oder
es kann gar nicht in die Tuben gelangen, sondern in die Beckenhöhle
sich verirren und da oder dort hinter den breiten Mutterbändern sich
festsetzen (Abdominalschwangerschaft). In beiden Fällen läuft
die Entwicklung des Eies selbst wie gewöhnlich ab, und entstehen die
normalen fötalen Hüllen, was freilich weniger merkwürdig ist, als
dass auch eine Art Decidua vera und eine Placenta uterina sich aus-
bilden und eine Verbindung des Eies mit dem mütterlichen Orga-
nismus entsteht, die eine ziemlich gute Ernährung des Eies ermög-

Neunzehnte Vorlesung.
Theil, der, wie ich Ihnen schon früher sagte, in Form einer Haut
von ¼—½‴ Dicke die Uterinfläche der losgelösten Placenta beklei-
det; man findet ferner die beiden verwachsenen hinfälligen Häute,
das Chorion und Amnios entweder nur in Fetzen, in welchem Falle
sich Theile derselben schon während der Geburt abgelöst haben,
oder ziemlich gut erhalten und mit der Placenta verbunden in Form
eines Sackes, der natürlich an einer Stelle, die, je nach dem Sitze
der Placenta, derselben näher oder ferner liegt, eingerissen ist.
Nach der Geburt stossen sich dann während der Lochien immer
noch vorzüglich von der Placentarstelle, weniger von den übrigen
Gegenden, Theile der Uterusschleimhaut in Fetzen ab. Sind die
Lochien vorbei, so bildet sich allmählich wieder eine neue Schleim-
haut im Uterus auf eine Weise, die leider noch nicht hinreichend
genau verfolgt ist. Nach den vorliegenden Beobachtungen ist es
mehr als wahrscheinlich, dass bei einer normalen Geburt niemals
die ganze Schleimhaut sich ablöst, vielmehr der äusserste mit der
Muskelhaut verbundene Theil derselben zurückbleibt, um dann von
sich aus, sowohl im Bereiche der Decidua vera als in dem der Placenta
uterina
, eine neue vollständige Mucosa zu bilden. Nach den Anga-
ben französischer Autoren (Robin u. And.) soll die Bildung der
neuen Schleimhaut sogar schon während der Schwangerschaft in
der Nähe der Muskelhaut beginnen, ich muss jedoch gestehen, dass
ich in den bisher beigebrachten Thatsachen schlagende Beweise für
diese Behauptung vermisse.

Extrauterin-
schwangerschaf-
ten.
Es ist vielleicht nicht unzweckmässig, bei dieser Gelegenheit
noch etwas über Extrauterinschwangerschaften zu bemer-
ken. Es gibt Fälle, wo das befruchtete Ei nicht in den Uterus ge-
langt und trotzdem sich entwickelt. Das Ei kann entweder in den
Tuben liegen bleiben (gewöhnliche Tubarschwangerschaft
und interstitielle Schwangerschaft, wenn das Ei in dem
Theile der Tuba sitzt, der durch die Substanz des Uterus verläuft), oder
es kann gar nicht in die Tuben gelangen, sondern in die Beckenhöhle
sich verirren und da oder dort hinter den breiten Mutterbändern sich
festsetzen (Abdominalschwangerschaft). In beiden Fällen läuft
die Entwicklung des Eies selbst wie gewöhnlich ab, und entstehen die
normalen fötalen Hüllen, was freilich weniger merkwürdig ist, als
dass auch eine Art Decidua vera und eine Placenta uterina sich aus-
bilden und eine Verbindung des Eies mit dem mütterlichen Orga-
nismus entsteht, die eine ziemlich gute Ernährung des Eies ermög-

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[158/0174] Neunzehnte Vorlesung. Theil, der, wie ich Ihnen schon früher sagte, in Form einer Haut von ¼—½‴ Dicke die Uterinfläche der losgelösten Placenta beklei- det; man findet ferner die beiden verwachsenen hinfälligen Häute, das Chorion und Amnios entweder nur in Fetzen, in welchem Falle sich Theile derselben schon während der Geburt abgelöst haben, oder ziemlich gut erhalten und mit der Placenta verbunden in Form eines Sackes, der natürlich an einer Stelle, die, je nach dem Sitze der Placenta, derselben näher oder ferner liegt, eingerissen ist. Nach der Geburt stossen sich dann während der Lochien immer noch vorzüglich von der Placentarstelle, weniger von den übrigen Gegenden, Theile der Uterusschleimhaut in Fetzen ab. Sind die Lochien vorbei, so bildet sich allmählich wieder eine neue Schleim- haut im Uterus auf eine Weise, die leider noch nicht hinreichend genau verfolgt ist. Nach den vorliegenden Beobachtungen ist es mehr als wahrscheinlich, dass bei einer normalen Geburt niemals die ganze Schleimhaut sich ablöst, vielmehr der äusserste mit der Muskelhaut verbundene Theil derselben zurückbleibt, um dann von sich aus, sowohl im Bereiche der Decidua vera als in dem der Placenta uterina, eine neue vollständige Mucosa zu bilden. Nach den Anga- ben französischer Autoren (Robin u. And.) soll die Bildung der neuen Schleimhaut sogar schon während der Schwangerschaft in der Nähe der Muskelhaut beginnen, ich muss jedoch gestehen, dass ich in den bisher beigebrachten Thatsachen schlagende Beweise für diese Behauptung vermisse. Es ist vielleicht nicht unzweckmässig, bei dieser Gelegenheit noch etwas über Extrauterinschwangerschaften zu bemer- ken. Es gibt Fälle, wo das befruchtete Ei nicht in den Uterus ge- langt und trotzdem sich entwickelt. Das Ei kann entweder in den Tuben liegen bleiben (gewöhnliche Tubarschwangerschaft und interstitielle Schwangerschaft, wenn das Ei in dem Theile der Tuba sitzt, der durch die Substanz des Uterus verläuft), oder es kann gar nicht in die Tuben gelangen, sondern in die Beckenhöhle sich verirren und da oder dort hinter den breiten Mutterbändern sich festsetzen (Abdominalschwangerschaft). In beiden Fällen läuft die Entwicklung des Eies selbst wie gewöhnlich ab, und entstehen die normalen fötalen Hüllen, was freilich weniger merkwürdig ist, als dass auch eine Art Decidua vera und eine Placenta uterina sich aus- bilden und eine Verbindung des Eies mit dem mütterlichen Orga- nismus entsteht, die eine ziemlich gute Ernährung des Eies ermög- Extrauterin- schwangerschaf- ten.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/174>, abgerufen am 24.11.2024.