Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechzehnte Vorlesung.
bezeichnet, und deren beim Säugethierembryo vier vorhanden sind
(s. Fig. 62, in welcher das Herz und der Raum zwischen den Kie-
menbogen noch von einer dünnen Haut, der primitiven Brustwand
[Abbildung] Fig. 62.
bedeckt zu denken ist). Der erste dieser Kie-
menbogen (Fig. 62. d) liegt zwischen der Mund-
öffnung und der ersten Spalte; der zweite (f)
zwischen der ersten und zweiten Spalte, der
dritte (f') zwischen der zweiten und dritten und
der vierte (f") endlich zwischen der dritten
und vierten Kiemenspalte. Von diesen Kiemen-
bogen nun sind der erste, zweite und dritte am
Ende kolbig, so dass sie bei der Ansicht von vorn,
die ich Ihnen nach Bischoff hier vorgeführt habe,
ein eigenthümliches Bild geben, indem sie ge-
wissermaassen wie rippenähnliche Bogen er-
scheinen, die sich gegen einander krümmen. Die ersten Bogen be-
rühren sich in der Mittellinie, während die folgenden je weiter nach
hinten, um so mehr von einander abstehen, und in der Lücke zwi-
schen dem Ende derselben findet sich die ursprüngliche Halswand
als dünne Haut (untere Verbindungshaut) und bedeckt von dieser
die primitiven Aortenbogen, von denen Fig. 61 drei Paare zeigt.
Der erste Kiemenbogen zeigt ferner einen kleinen Ausläufer, welcher
nach oben den Mund umgibt und der "Oberkieferfortsatz" heisst.

Den Zusammenhang nun der so eben besprochenen Bildungen
mit der weiteren Entwickelung des Halses werde ich Ihnen später
schildern, doch können Sie immerhin schon jetzt Folgendes sich
merken. -- In einem späteren Stadium verschwinden die Kiemen-
spalten bis auf die erste, welche sich zum äusseren und mittleren
Ohr gestaltet; die Kiemenbogen verschwinden z. Th., z. Th. werden
sie knorpelig und verwandeln sich, indem sie später theilweise ver-
knöchern, in gewisse länger oder ganz sich erhaltende Theile, nämlich
den "Meckel'schen Fortsatz" am Unterkiefer, den Hammer, Ambos
und Steigbügel und das Zungenbein sammt dem Griffelfortsatz des
Schädels um.

[Abbildung]

Fig. 62. Kopf des Embryo der Fig. 61 von unten gesehen, mehr vergr.
Nach Bischoff. a Vorderhirn, b Augen, c Mittelhirn, d Unterkieferfortsatz,
e Oberkieferfortsatz der ersten Kiemenbogen, f f' f" 2--4 Kiemenbogen,
g linkes, h rechtes Herzohr, k rechte, i linke Kammer, l Aorta mit 3 Paar
Arcus aortae.

Sechzehnte Vorlesung.
bezeichnet, und deren beim Säugethierembryo vier vorhanden sind
(s. Fig. 62, in welcher das Herz und der Raum zwischen den Kie-
menbogen noch von einer dünnen Haut, der primitiven Brustwand
[Abbildung] Fig. 62.
bedeckt zu denken ist). Der erste dieser Kie-
menbogen (Fig. 62. d) liegt zwischen der Mund-
öffnung und der ersten Spalte; der zweite (f)
zwischen der ersten und zweiten Spalte, der
dritte (f′) zwischen der zweiten und dritten und
der vierte (f″) endlich zwischen der dritten
und vierten Kiemenspalte. Von diesen Kiemen-
bogen nun sind der erste, zweite und dritte am
Ende kolbig, so dass sie bei der Ansicht von vorn,
die ich Ihnen nach Bischoff hier vorgeführt habe,
ein eigenthümliches Bild geben, indem sie ge-
wissermaassen wie rippenähnliche Bogen er-
scheinen, die sich gegen einander krümmen. Die ersten Bogen be-
rühren sich in der Mittellinie, während die folgenden je weiter nach
hinten, um so mehr von einander abstehen, und in der Lücke zwi-
schen dem Ende derselben findet sich die ursprüngliche Halswand
als dünne Haut (untere Verbindungshaut) und bedeckt von dieser
die primitiven Aortenbogen, von denen Fig. 61 drei Paare zeigt.
Der erste Kiemenbogen zeigt ferner einen kleinen Ausläufer, welcher
nach oben den Mund umgibt und der »Oberkieferfortsatz« heisst.

Den Zusammenhang nun der so eben besprochenen Bildungen
mit der weiteren Entwickelung des Halses werde ich Ihnen später
schildern, doch können Sie immerhin schon jetzt Folgendes sich
merken. — In einem späteren Stadium verschwinden die Kiemen-
spalten bis auf die erste, welche sich zum äusseren und mittleren
Ohr gestaltet; die Kiemenbogen verschwinden z. Th., z. Th. werden
sie knorpelig und verwandeln sich, indem sie später theilweise ver-
knöchern, in gewisse länger oder ganz sich erhaltende Theile, nämlich
den »Meckel’schen Fortsatz« am Unterkiefer, den Hammer, Ambos
und Steigbügel und das Zungenbein sammt dem Griffelfortsatz des
Schädels um.

[Abbildung]

Fig. 62. Kopf des Embryo der Fig. 61 von unten gesehen, mehr vergr.
Nach Bischoff. a Vorderhirn, b Augen, c Mittelhirn, d Unterkieferfortsatz,
e Oberkieferfortsatz der ersten Kiemenbogen, f f′ f″ 2—4 Kiemenbogen,
g linkes, h rechtes Herzohr, k rechte, i linke Kammer, l Aorta mit 3 Paar
Arcus aortae.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0136" n="120"/><fw place="top" type="header">Sechzehnte Vorlesung.</fw><lb/>
bezeichnet, und deren beim Säugethierembryo vier vorhanden sind<lb/>
(s. Fig. 62, in welcher das Herz und der Raum zwischen den Kie-<lb/>
menbogen noch von einer dünnen Haut, der primitiven Brustwand<lb/><figure><head>Fig. 62.</head></figure><lb/>
bedeckt zu denken ist). Der erste dieser Kie-<lb/>
menbogen (Fig. 62. <hi rendition="#i">d</hi>) liegt zwischen der Mund-<lb/>
öffnung und der ersten Spalte; der zweite (<hi rendition="#i">f</hi>)<lb/>
zwischen der ersten und zweiten Spalte, der<lb/>
dritte (<hi rendition="#i">f</hi>&#x2032;) zwischen der zweiten und dritten und<lb/>
der vierte (<hi rendition="#i">f</hi>&#x2033;) endlich zwischen der dritten<lb/>
und vierten Kiemenspalte. Von diesen Kiemen-<lb/>
bogen nun sind der erste, zweite und dritte am<lb/>
Ende kolbig, so dass sie bei der Ansicht von vorn,<lb/>
die ich Ihnen nach <hi rendition="#k">Bischoff</hi> hier vorgeführt habe,<lb/>
ein eigenthümliches Bild geben, indem sie ge-<lb/>
wissermaassen wie rippenähnliche Bogen er-<lb/>
scheinen, die sich gegen einander krümmen. Die ersten Bogen be-<lb/>
rühren sich in der Mittellinie, während die folgenden je weiter nach<lb/>
hinten, um so mehr von einander abstehen, und in der Lücke zwi-<lb/>
schen dem Ende derselben findet sich die ursprüngliche Halswand<lb/>
als dünne Haut (untere Verbindungshaut) und bedeckt von dieser<lb/>
die primitiven Aortenbogen, von denen Fig. 61 drei Paare zeigt.<lb/>
Der erste Kiemenbogen zeigt ferner einen kleinen Ausläufer, welcher<lb/>
nach oben den Mund umgibt und der »Oberkieferfortsatz« heisst.</p><lb/>
        <p>Den Zusammenhang nun der so eben besprochenen Bildungen<lb/>
mit der weiteren Entwickelung des Halses werde ich Ihnen später<lb/>
schildern, doch können Sie immerhin schon jetzt Folgendes sich<lb/>
merken. &#x2014; In einem späteren Stadium verschwinden die Kiemen-<lb/>
spalten bis auf die erste, welche sich zum äusseren und mittleren<lb/>
Ohr gestaltet; die Kiemenbogen verschwinden z. Th., z. Th. werden<lb/>
sie knorpelig und verwandeln sich, indem sie später theilweise ver-<lb/>
knöchern, in gewisse länger oder ganz sich erhaltende Theile, nämlich<lb/>
den »Meckel&#x2019;schen Fortsatz« am Unterkiefer, den Hammer, Ambos<lb/>
und Steigbügel und das Zungenbein sammt dem Griffelfortsatz des<lb/>
Schädels um.</p><lb/>
        <figure>
          <p>Fig. 62. Kopf des Embryo der Fig. 61 von unten gesehen, mehr vergr.<lb/>
Nach <hi rendition="#k">Bischoff</hi>. <hi rendition="#i">a</hi> Vorderhirn, <hi rendition="#i">b</hi> Augen, <hi rendition="#i">c</hi> Mittelhirn, <hi rendition="#i">d</hi> Unterkieferfortsatz,<lb/><hi rendition="#i">e</hi> Oberkieferfortsatz der ersten Kiemenbogen, <hi rendition="#i">f f&#x2032; f&#x2033;</hi> 2&#x2014;4 Kiemenbogen,<lb/><hi rendition="#i">g</hi> linkes, <hi rendition="#i">h</hi> rechtes Herzohr, <hi rendition="#i">k</hi> rechte, <hi rendition="#i">i</hi> linke Kammer, <hi rendition="#i">l</hi> Aorta mit 3 Paar<lb/><hi rendition="#i">Arcus aortae</hi>.</p>
        </figure><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0136] Sechzehnte Vorlesung. bezeichnet, und deren beim Säugethierembryo vier vorhanden sind (s. Fig. 62, in welcher das Herz und der Raum zwischen den Kie- menbogen noch von einer dünnen Haut, der primitiven Brustwand [Abbildung Fig. 62.] bedeckt zu denken ist). Der erste dieser Kie- menbogen (Fig. 62. d) liegt zwischen der Mund- öffnung und der ersten Spalte; der zweite (f) zwischen der ersten und zweiten Spalte, der dritte (f′) zwischen der zweiten und dritten und der vierte (f″) endlich zwischen der dritten und vierten Kiemenspalte. Von diesen Kiemen- bogen nun sind der erste, zweite und dritte am Ende kolbig, so dass sie bei der Ansicht von vorn, die ich Ihnen nach Bischoff hier vorgeführt habe, ein eigenthümliches Bild geben, indem sie ge- wissermaassen wie rippenähnliche Bogen er- scheinen, die sich gegen einander krümmen. Die ersten Bogen be- rühren sich in der Mittellinie, während die folgenden je weiter nach hinten, um so mehr von einander abstehen, und in der Lücke zwi- schen dem Ende derselben findet sich die ursprüngliche Halswand als dünne Haut (untere Verbindungshaut) und bedeckt von dieser die primitiven Aortenbogen, von denen Fig. 61 drei Paare zeigt. Der erste Kiemenbogen zeigt ferner einen kleinen Ausläufer, welcher nach oben den Mund umgibt und der »Oberkieferfortsatz« heisst. Den Zusammenhang nun der so eben besprochenen Bildungen mit der weiteren Entwickelung des Halses werde ich Ihnen später schildern, doch können Sie immerhin schon jetzt Folgendes sich merken. — In einem späteren Stadium verschwinden die Kiemen- spalten bis auf die erste, welche sich zum äusseren und mittleren Ohr gestaltet; die Kiemenbogen verschwinden z. Th., z. Th. werden sie knorpelig und verwandeln sich, indem sie später theilweise ver- knöchern, in gewisse länger oder ganz sich erhaltende Theile, nämlich den »Meckel’schen Fortsatz« am Unterkiefer, den Hammer, Ambos und Steigbügel und das Zungenbein sammt dem Griffelfortsatz des Schädels um. [Abbildung Fig. 62. Kopf des Embryo der Fig. 61 von unten gesehen, mehr vergr. Nach Bischoff. a Vorderhirn, b Augen, c Mittelhirn, d Unterkieferfortsatz, e Oberkieferfortsatz der ersten Kiemenbogen, f f′ f″ 2—4 Kiemenbogen, g linkes, h rechtes Herzohr, k rechte, i linke Kammer, l Aorta mit 3 Paar Arcus aortae. ]

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/136
Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/136>, abgerufen am 02.05.2024.