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Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878.

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Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh.
Menge derselben eine auffallend geringe war, ist bis jetzt zu wenig
hervorgehoben.

Wir wissen allerdings zur Zeit noch nicht, wie viel Bakterien
dazu gehören, um bei einem Menschen bestimmte Krankheits¬
symptome zu bewirken oder um ein Kilogramm Versuchsthier zu
tödten. Unzweifelhaft bestehen aber derartige ganz bestimmte,
höchstens in Folge von Verschiedenheiten der erkrankten Indivi¬
duen nur innerhalb geringer Grenzen schwankende Verhältnisse
zwischen der Menge der pathogenen Bakterien und ihrer Wirkung,
d. h. den Krankheitssymptomen. Die einzige Krankheit, von der
mit voller Sicherheit behauptet werden kann, dass sie eine Bak¬
terienkrankheit ist, der Milzbrand, gibt uns dafür genügende An¬
haltspunkte. Kleine Thiere sterben schneller nach Impfung mit
Milzbrandblut als grössere und bei Thieren derselben Gattung und
von gleicher Grösse tritt das tödtliche Ende später ein, wenn die
Impfflüssigkeit wenige entwicklungsfähige Sporen oder Bacillen
enthält, als wenn sie reich daran ist. Die Erklärung für diese
Erscheinungen kann doch nur darin gefunden werden, dass zur
Tödtung z. B. eines Schafes mehr Bacillen erforderlich sind als
für eine Maus und dass aus den bei der Impfung ohngefähr in
gleicher Menge bei beiden Thieren eingeführten Bacillen resp.
Sporen die kleinere für die Maus genügende Anzahl Bacillen
schneller als die bedeutende zur Tödtung des Schafes erforder¬
liche heranwächst und dass für Thiere derselben Gattung wieder
aus wenigen Sporen sich die tödtliche Menge von Bacillen später
entwickelt als aus von vornherein gegebenen zahlreichen Sporen.

Weiter lehrt die Milzbrandkrankheit, dass sich eine ungemein
grosse Anzahl von Bacillen im Blute entwickelt haben muss, ehe
der Tod eintritt. Auch der Typhus recurrens, dessen Beziehungen
zu den von Obermeier entdeckten Spirochaeten allerdings noch
nicht hinreichend aufgeklärt sind, der aber wegen des ganz con¬
stanten Auftretens dieser Bakterien in jedem einzelnen Fieberan¬
falle doch mit grösster Wahrscheinlichkeit ebenfalls als eine para¬
sitäre Krankheit anzusehen ist, zeigt in Bezug auf die Menge der
im Blute befindlichen Bakterien dasselbe Verhalten. Es ist nun
allerdings nicht anzunehmen, dass sich alle pathogenen Bakte¬
rien in diesem Punkte ganz gleich verhalten, aber so viel lässt
sich nach Analogie des Milzbrandes und Typhus recurrens wohl
schliessen, dass nur bedeutende Mengen von Bakterien krankheits¬
erregend wirken können. Dieser Forderung entsprechen aber die

Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh.
Menge derselben eine auffallend geringe war, ist bis jetzt zu wenig
hervorgehoben.

Wir wissen allerdings zur Zeit noch nicht, wie viel Bakterien
dazu gehören, um bei einem Menschen bestimmte Krankheits¬
symptome zu bewirken oder um ein Kilogramm Versuchsthier zu
tödten. Unzweifelhaft bestehen aber derartige ganz bestimmte,
höchstens in Folge von Verschiedenheiten der erkrankten Indivi¬
duen nur innerhalb geringer Grenzen schwankende Verhältnisse
zwischen der Menge der pathogenen Bakterien und ihrer Wirkung,
d. h. den Krankheitssymptomen. Die einzige Krankheit, von der
mit voller Sicherheit behauptet werden kann, dass sie eine Bak¬
terienkrankheit ist, der Milzbrand, gibt uns dafür genügende An¬
haltspunkte. Kleine Thiere sterben schneller nach Impfung mit
Milzbrandblut als grössere und bei Thieren derselben Gattung und
von gleicher Grösse tritt das tödtliche Ende später ein, wenn die
Impfflüssigkeit wenige entwicklungsfähige Sporen oder Bacillen
enthält, als wenn sie reich daran ist. Die Erklärung für diese
Erscheinungen kann doch nur darin gefunden werden, dass zur
Tödtung z. B. eines Schafes mehr Bacillen erforderlich sind als
für eine Maus und dass aus den bei der Impfung ohngefähr in
gleicher Menge bei beiden Thieren eingeführten Bacillen resp.
Sporen die kleinere für die Maus genügende Anzahl Bacillen
schneller als die bedeutende zur Tödtung des Schafes erforder¬
liche heranwächst und dass für Thiere derselben Gattung wieder
aus wenigen Sporen sich die tödtliche Menge von Bacillen später
entwickelt als aus von vornherein gegebenen zahlreichen Sporen.

Weiter lehrt die Milzbrandkrankheit, dass sich eine ungemein
grosse Anzahl von Bacillen im Blute entwickelt haben muss, ehe
der Tod eintritt. Auch der Typhus recurrens, dessen Beziehungen
zu den von Obermeier entdeckten Spirochaeten allerdings noch
nicht hinreichend aufgeklärt sind, der aber wegen des ganz con¬
stanten Auftretens dieser Bakterien in jedem einzelnen Fieberan¬
falle doch mit grösster Wahrscheinlichkeit ebenfalls als eine para¬
sitäre Krankheit anzusehen ist, zeigt in Bezug auf die Menge der
im Blute befindlichen Bakterien dasselbe Verhalten. Es ist nun
allerdings nicht anzunehmen, dass sich alle pathogenen Bakte¬
rien in diesem Punkte ganz gleich verhalten, aber so viel lässt
sich nach Analogie des Milzbrandes und Typhus recurrens wohl
schliessen, dass nur bedeutende Mengen von Bakterien krankheits¬
erregend wirken können. Dieser Forderung entsprechen aber die

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[24/0034] Jetziger Stand u. s. w. der Mikroorganismen zu den Wundinfectionskrankh. Menge derselben eine auffallend geringe war, ist bis jetzt zu wenig hervorgehoben. Wir wissen allerdings zur Zeit noch nicht, wie viel Bakterien dazu gehören, um bei einem Menschen bestimmte Krankheits¬ symptome zu bewirken oder um ein Kilogramm Versuchsthier zu tödten. Unzweifelhaft bestehen aber derartige ganz bestimmte, höchstens in Folge von Verschiedenheiten der erkrankten Indivi¬ duen nur innerhalb geringer Grenzen schwankende Verhältnisse zwischen der Menge der pathogenen Bakterien und ihrer Wirkung, d. h. den Krankheitssymptomen. Die einzige Krankheit, von der mit voller Sicherheit behauptet werden kann, dass sie eine Bak¬ terienkrankheit ist, der Milzbrand, gibt uns dafür genügende An¬ haltspunkte. Kleine Thiere sterben schneller nach Impfung mit Milzbrandblut als grössere und bei Thieren derselben Gattung und von gleicher Grösse tritt das tödtliche Ende später ein, wenn die Impfflüssigkeit wenige entwicklungsfähige Sporen oder Bacillen enthält, als wenn sie reich daran ist. Die Erklärung für diese Erscheinungen kann doch nur darin gefunden werden, dass zur Tödtung z. B. eines Schafes mehr Bacillen erforderlich sind als für eine Maus und dass aus den bei der Impfung ohngefähr in gleicher Menge bei beiden Thieren eingeführten Bacillen resp. Sporen die kleinere für die Maus genügende Anzahl Bacillen schneller als die bedeutende zur Tödtung des Schafes erforder¬ liche heranwächst und dass für Thiere derselben Gattung wieder aus wenigen Sporen sich die tödtliche Menge von Bacillen später entwickelt als aus von vornherein gegebenen zahlreichen Sporen. Weiter lehrt die Milzbrandkrankheit, dass sich eine ungemein grosse Anzahl von Bacillen im Blute entwickelt haben muss, ehe der Tod eintritt. Auch der Typhus recurrens, dessen Beziehungen zu den von Obermeier entdeckten Spirochaeten allerdings noch nicht hinreichend aufgeklärt sind, der aber wegen des ganz con¬ stanten Auftretens dieser Bakterien in jedem einzelnen Fieberan¬ falle doch mit grösster Wahrscheinlichkeit ebenfalls als eine para¬ sitäre Krankheit anzusehen ist, zeigt in Bezug auf die Menge der im Blute befindlichen Bakterien dasselbe Verhalten. Es ist nun allerdings nicht anzunehmen, dass sich alle pathogenen Bakte¬ rien in diesem Punkte ganz gleich verhalten, aber so viel lässt sich nach Analogie des Milzbrandes und Typhus recurrens wohl schliessen, dass nur bedeutende Mengen von Bakterien krankheits¬ erregend wirken können. Dieser Forderung entsprechen aber die

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Zitationshilfe: Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wundinfektionskrankheiten_1878/34>, abgerufen am 22.11.2024.