Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878.

Bild:
<< vorherige Seite

2. Experim. nachgewiesene Beziehungen d. Mikroorganismen z. d. Wundinf.
heiten hervorrufen und dass die Verschlechterung der Wunde etwas
Secundäres ist. Zur Entscheidung dieses Streites sind zahllose
Experimente vorgenommen. Aber die Experimentatoren beschränk¬
ten sich lange Zeit darauf, überhaupt den schädlichen Einfluss der
in das Blut oder das subcutane Gewebe gespritzten fauligen Sub¬
stanzen an Thieren zu erforschen und die in den Faulflüssigkeiten
enthaltene giftige Substanz zu isoliren. Ob die Krankheit, welche
sie durch die Einspritzung der giftigen Flüssigkeit hervorriefen,
in der That nur eine einfache Vergiftung war oder ob sie auch
wirklich die infectiösen Eigenschaften besass, wie die beim Men¬
schen beobachteten Krankheiten, darum haben sich die älteren
Experimentatoren und auch die meisten neueren gar nicht geküm¬
mert. Es genügte, am Thier durch Einspritzung einer Faulflüssig¬
keit eine der menschlichen Infectionskrankheit einigermaassen
durch Symptome und Leichenerscheinungen gleichende Krankheit
zu erzeugen, um beide sofort zu identificiren und aus diesem
Experiment weitgehende Schlüsse über Infectionskrankheiten zu
ziehen. Wenn derartige Experimente für oder gegen Infections¬
krankheiten etwas beweisen sollen, muss vor allen Dingen durch
weitere Uebertragung der Krankheit von einem Thier aufs andere
die Sicherheit gegeben werden, dass die experimentell erzeugte
Krankheit ebenfalls eine unzweifelhafte Infectionskrankheit war.

Da wir es hier nur mit Infectionskrankheiten zu thun haben,
so müssen alle die Untersuchungen, welche sich nur mit den
toxischen Eigenschaften der putriden Stoffe beschäftigt haben und
ebenfalls diejenigen, bei denen die Möglichkeit einer Verwechs¬
lung zwischen Intoxication und Infection nicht ausgeschlossen ist,
unberücksichtigt bleiben.

Der erste Versuch, künstliche Wundinfectionskrankheiten bei
Thieren hervorzurufen ist von Coze und Feltz 1) angestellt. Diese
Forscher spritzten einige Gramm Blut von an putrider Vergiftung
und Puerperalfieber Verstorbenen in das subcutane Bindegewebe
von Kaninchen. In Folge dessen starben die Thiere unter be¬
stimmten charakteristischen Symptomen. Von dem Blute der in
dieser Weise getödteten Kaninchen wurde eine weit kleinere Menge
anderen Kaninchen ebenfalls subcutan injicirt und dieselben Krank¬
heitserscheinungen und tödtlicher Ausgang wie mit dem ursprüng¬
lichen putriden Blute bewirkt. Coze und Feltz setzten diese

1) Virchow und Hirsch: Jahresbericht für 1866. I. S. 195.

2. Experim. nachgewiesene Beziehungen d. Mikroorganismen z. d. Wundinf.
heiten hervorrufen und dass die Verschlechterung der Wunde etwas
Secundäres ist. Zur Entscheidung dieses Streites sind zahllose
Experimente vorgenommen. Aber die Experimentatoren beschränk¬
ten sich lange Zeit darauf, überhaupt den schädlichen Einfluss der
in das Blut oder das subcutane Gewebe gespritzten fauligen Sub¬
stanzen an Thieren zu erforschen und die in den Faulflüssigkeiten
enthaltene giftige Substanz zu isoliren. Ob die Krankheit, welche
sie durch die Einspritzung der giftigen Flüssigkeit hervorriefen,
in der That nur eine einfache Vergiftung war oder ob sie auch
wirklich die infectiösen Eigenschaften besass, wie die beim Men¬
schen beobachteten Krankheiten, darum haben sich die älteren
Experimentatoren und auch die meisten neueren gar nicht geküm¬
mert. Es genügte, am Thier durch Einspritzung einer Faulflüssig¬
keit eine der menschlichen Infectionskrankheit einigermaassen
durch Symptome und Leichenerscheinungen gleichende Krankheit
zu erzeugen, um beide sofort zu identificiren und aus diesem
Experiment weitgehende Schlüsse über Infectionskrankheiten zu
ziehen. Wenn derartige Experimente für oder gegen Infections¬
krankheiten etwas beweisen sollen, muss vor allen Dingen durch
weitere Uebertragung der Krankheit von einem Thier aufs andere
die Sicherheit gegeben werden, dass die experimentell erzeugte
Krankheit ebenfalls eine unzweifelhafte Infectionskrankheit war.

Da wir es hier nur mit Infectionskrankheiten zu thun haben,
so müssen alle die Untersuchungen, welche sich nur mit den
toxischen Eigenschaften der putriden Stoffe beschäftigt haben und
ebenfalls diejenigen, bei denen die Möglichkeit einer Verwechs¬
lung zwischen Intoxication und Infection nicht ausgeschlossen ist,
unberücksichtigt bleiben.

Der erste Versuch, künstliche Wundinfectionskrankheiten bei
Thieren hervorzurufen ist von Coze und Feltz 1) angestellt. Diese
Forscher spritzten einige Gramm Blut von an putrider Vergiftung
und Puerperalfieber Verstorbenen in das subcutane Bindegewebe
von Kaninchen. In Folge dessen starben die Thiere unter be¬
stimmten charakteristischen Symptomen. Von dem Blute der in
dieser Weise getödteten Kaninchen wurde eine weit kleinere Menge
anderen Kaninchen ebenfalls subcutan injicirt und dieselben Krank¬
heitserscheinungen und tödtlicher Ausgang wie mit dem ursprüng¬
lichen putriden Blute bewirkt. Coze und Feltz setzten diese

1) Virchow und Hirsch: Jahresbericht für 1866. I. S. 195.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0025" n="15"/><fw place="top" type="header">2. Experim. nachgewiesene Beziehungen d. Mikroorganismen z. d. Wundinf.<lb/></fw> heiten hervorrufen und dass die Verschlechterung der Wunde etwas<lb/>
Secundäres ist. Zur Entscheidung dieses Streites sind zahllose<lb/>
Experimente vorgenommen. Aber die Experimentatoren beschränk¬<lb/>
ten sich lange Zeit darauf, überhaupt den schädlichen Einfluss der<lb/>
in das Blut oder das subcutane Gewebe gespritzten fauligen Sub¬<lb/>
stanzen an Thieren zu erforschen und die in den Faulflüssigkeiten<lb/>
enthaltene giftige Substanz zu isoliren. Ob die Krankheit, welche<lb/>
sie durch die Einspritzung der giftigen Flüssigkeit hervorriefen,<lb/>
in der That nur eine einfache Vergiftung war oder ob sie auch<lb/>
wirklich die infectiösen Eigenschaften besass, wie die beim Men¬<lb/>
schen beobachteten Krankheiten, darum haben sich die älteren<lb/>
Experimentatoren und auch die meisten neueren gar nicht geküm¬<lb/>
mert. Es genügte, am Thier durch Einspritzung einer Faulflüssig¬<lb/>
keit eine der menschlichen Infectionskrankheit einigermaassen<lb/>
durch Symptome und Leichenerscheinungen gleichende Krankheit<lb/>
zu erzeugen, um beide sofort zu identificiren und aus diesem<lb/>
Experiment weitgehende Schlüsse über Infectionskrankheiten zu<lb/>
ziehen. Wenn derartige Experimente für oder gegen Infections¬<lb/>
krankheiten etwas beweisen sollen, muss vor allen Dingen durch<lb/>
weitere Uebertragung der Krankheit von einem Thier aufs andere<lb/>
die Sicherheit gegeben werden, dass die experimentell erzeugte<lb/>
Krankheit ebenfalls eine unzweifelhafte Infectionskrankheit war.</p><lb/>
          <p>Da wir es hier nur mit Infectionskrankheiten zu thun haben,<lb/>
so müssen alle die Untersuchungen, welche sich nur mit den<lb/>
toxischen Eigenschaften der putriden Stoffe beschäftigt haben und<lb/>
ebenfalls diejenigen, bei denen die Möglichkeit einer Verwechs¬<lb/>
lung zwischen Intoxication und Infection nicht ausgeschlossen ist,<lb/>
unberücksichtigt bleiben.</p><lb/>
          <p>Der erste Versuch, künstliche Wundinfectionskrankheiten bei<lb/>
Thieren hervorzurufen ist von <hi rendition="#k">Coze</hi> und <hi rendition="#k">Feltz</hi> <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#k">Virchow</hi> und <hi rendition="#k">Hirsch</hi>: Jahresbericht für 1866. I. S. 195.</note> angestellt. Diese<lb/>
Forscher spritzten einige Gramm Blut von an putrider Vergiftung<lb/>
und Puerperalfieber Verstorbenen in das subcutane Bindegewebe<lb/>
von Kaninchen. In Folge dessen starben die Thiere unter be¬<lb/>
stimmten charakteristischen Symptomen. Von dem Blute der in<lb/>
dieser Weise getödteten Kaninchen wurde eine weit kleinere Menge<lb/>
anderen Kaninchen ebenfalls subcutan injicirt und dieselben Krank¬<lb/>
heitserscheinungen und tödtlicher Ausgang wie mit dem ursprüng¬<lb/>
lichen putriden Blute bewirkt. <hi rendition="#k">Coze</hi> und <hi rendition="#k">Feltz</hi> setzten diese<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0025] 2. Experim. nachgewiesene Beziehungen d. Mikroorganismen z. d. Wundinf. heiten hervorrufen und dass die Verschlechterung der Wunde etwas Secundäres ist. Zur Entscheidung dieses Streites sind zahllose Experimente vorgenommen. Aber die Experimentatoren beschränk¬ ten sich lange Zeit darauf, überhaupt den schädlichen Einfluss der in das Blut oder das subcutane Gewebe gespritzten fauligen Sub¬ stanzen an Thieren zu erforschen und die in den Faulflüssigkeiten enthaltene giftige Substanz zu isoliren. Ob die Krankheit, welche sie durch die Einspritzung der giftigen Flüssigkeit hervorriefen, in der That nur eine einfache Vergiftung war oder ob sie auch wirklich die infectiösen Eigenschaften besass, wie die beim Men¬ schen beobachteten Krankheiten, darum haben sich die älteren Experimentatoren und auch die meisten neueren gar nicht geküm¬ mert. Es genügte, am Thier durch Einspritzung einer Faulflüssig¬ keit eine der menschlichen Infectionskrankheit einigermaassen durch Symptome und Leichenerscheinungen gleichende Krankheit zu erzeugen, um beide sofort zu identificiren und aus diesem Experiment weitgehende Schlüsse über Infectionskrankheiten zu ziehen. Wenn derartige Experimente für oder gegen Infections¬ krankheiten etwas beweisen sollen, muss vor allen Dingen durch weitere Uebertragung der Krankheit von einem Thier aufs andere die Sicherheit gegeben werden, dass die experimentell erzeugte Krankheit ebenfalls eine unzweifelhafte Infectionskrankheit war. Da wir es hier nur mit Infectionskrankheiten zu thun haben, so müssen alle die Untersuchungen, welche sich nur mit den toxischen Eigenschaften der putriden Stoffe beschäftigt haben und ebenfalls diejenigen, bei denen die Möglichkeit einer Verwechs¬ lung zwischen Intoxication und Infection nicht ausgeschlossen ist, unberücksichtigt bleiben. Der erste Versuch, künstliche Wundinfectionskrankheiten bei Thieren hervorzurufen ist von Coze und Feltz 1) angestellt. Diese Forscher spritzten einige Gramm Blut von an putrider Vergiftung und Puerperalfieber Verstorbenen in das subcutane Bindegewebe von Kaninchen. In Folge dessen starben die Thiere unter be¬ stimmten charakteristischen Symptomen. Von dem Blute der in dieser Weise getödteten Kaninchen wurde eine weit kleinere Menge anderen Kaninchen ebenfalls subcutan injicirt und dieselben Krank¬ heitserscheinungen und tödtlicher Ausgang wie mit dem ursprüng¬ lichen putriden Blute bewirkt. Coze und Feltz setzten diese 1) Virchow und Hirsch: Jahresbericht für 1866. I. S. 195.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wundinfektionskrankheiten_1878
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wundinfektionskrankheiten_1878/25
Zitationshilfe: Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wundinfektionskrankheiten_1878/25>, abgerufen am 03.12.2024.