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Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878.

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1. Das Vorkommen der Mikroorganismen im erkrankten menschl. Körper.

Oertel 1) fand indessen die entzündete Schleimhaut vollge¬
pfropft mit Mikrokokken und konnte sie ausserdem in den zu¬
führenden Lymphgefässen der nächstgelegenen Lymphdrüsen, in
den Drüsen selbst, sowie in den Blutgefässen der Nieren und an¬
derer innerer Organe nachweisen.

Dieselbe Beobachtung wurde von Eberth, Nassiloff und
Letzerich gemacht.

Später ist es noch wiederholt bestätigt2), dass bei Diphtheritis
kleine Bakterienherde im Herzfleisch, in der Leber, den Nieren
und andern Organen sich finden.

Von verschiedenen Beobachtern3), namentlich denjenigen,
welche die Diphtheritis auf die Kaninchencornea überimpften, wird
die bräunliche Färbung der Mikrokokkenmassen erwähnt.

Vergleicht man das Verhalten der Bakterien bei Diphtheritis
und bei Pyämie, dann fällt sofort eine merkwürdige Ueberein¬
stimmung auf. Bei beiden Krankheitsprocessen sind die Wund¬
flächen mit Mikrokokken-Anhäufungen bedeckt, die in die tieferen
Gewebsschichten und Lymphgefässe hineinwuchern, bei beiden
finden sich die eigenthümlichen miliaren Bakterienherde im Herz¬
fleisch, Leber, Nieren und zeigen diese Bakterienhaufen eine bräun¬
liche Farbe. Unwillkürlich drängt sich bei diesem Ergebniss die
Frage auf, ob nicht die parasitischen Mikroorganismen der Pyämie
und der Diphtheritis identisch sind?

Dieselbe Erscheinung wiederholt sich beim Puerperalfieber,
bei welcher Krankheit Waldeyer 4) Kugelbakterien in den er¬
krankten Geweben, in den Lymphgefässen und im peritonitischen
Exsudat, ferner Birch-Hirschfeld 5) Mikrokokkenmassen auf Va¬
ginalgeschwüren, im perivaginalen Zellgewebe, im Blute, in der
Milz und Leber aufgefunden haben. In den Nieren, Lungen und
im Herzmuskel wurden die Mikrokokken von Heiberg und Orth 6)
nachgewiesen und es erwähnt letzterer die graugelbliche Farbe
der in den knotig aufgetriebenen Harnkanälchen liegenden Mikro¬
kokken.

Als zum Puerperalfieber wahrscheinlich in naher Beziehung

1) Steudener l. c. S. 24.
2) Cohnheim l. c. S. 480.
3) Birch-Hirschfeld l. c. S. 799.
4) Archiv f. Gynäkologie. II. Bd. 1871.
5) Med. Jahrbb. Bd. 155. S. 105.
6) Ebendas. Bd. 166. S. 188.
1. Das Vorkommen der Mikroorganismen im erkrankten menschl. Körper.

Oertel 1) fand indessen die entzündete Schleimhaut vollge¬
pfropft mit Mikrokokken und konnte sie ausserdem in den zu¬
führenden Lymphgefässen der nächstgelegenen Lymphdrüsen, in
den Drüsen selbst, sowie in den Blutgefässen der Nieren und an¬
derer innerer Organe nachweisen.

Dieselbe Beobachtung wurde von Eberth, Nassiloff und
Letzerich gemacht.

Später ist es noch wiederholt bestätigt2), dass bei Diphtheritis
kleine Bakterienherde im Herzfleisch, in der Leber, den Nieren
und andern Organen sich finden.

Von verschiedenen Beobachtern3), namentlich denjenigen,
welche die Diphtheritis auf die Kaninchencornea überimpften, wird
die bräunliche Färbung der Mikrokokkenmassen erwähnt.

Vergleicht man das Verhalten der Bakterien bei Diphtheritis
und bei Pyämie, dann fällt sofort eine merkwürdige Ueberein¬
stimmung auf. Bei beiden Krankheitsprocessen sind die Wund¬
flächen mit Mikrokokken-Anhäufungen bedeckt, die in die tieferen
Gewebsschichten und Lymphgefässe hineinwuchern, bei beiden
finden sich die eigenthümlichen miliaren Bakterienherde im Herz¬
fleisch, Leber, Nieren und zeigen diese Bakterienhaufen eine bräun¬
liche Farbe. Unwillkürlich drängt sich bei diesem Ergebniss die
Frage auf, ob nicht die parasitischen Mikroorganismen der Pyämie
und der Diphtheritis identisch sind?

Dieselbe Erscheinung wiederholt sich beim Puerperalfieber,
bei welcher Krankheit Waldeyer 4) Kugelbakterien in den er¬
krankten Geweben, in den Lymphgefässen und im peritonitischen
Exsudat, ferner Birch-Hirschfeld 5) Mikrokokkenmassen auf Va¬
ginalgeschwüren, im perivaginalen Zellgewebe, im Blute, in der
Milz und Leber aufgefunden haben. In den Nieren, Lungen und
im Herzmuskel wurden die Mikrokokken von Heiberg und Orth 6)
nachgewiesen und es erwähnt letzterer die graugelbliche Farbe
der in den knotig aufgetriebenen Harnkanälchen liegenden Mikro¬
kokken.

Als zum Puerperalfieber wahrscheinlich in naher Beziehung

1) Steudener l. c. S. 24.
2) Cohnheim l. c. S. 480.
3) Birch-Hirschfeld l. c. S. 799.
4) Archiv f. Gynäkologie. II. Bd. 1871.
5) Med. Jahrbb. Bd. 155. S. 105.
6) Ebendas. Bd. 166. S. 188.
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[13/0023] 1. Das Vorkommen der Mikroorganismen im erkrankten menschl. Körper. Oertel 1) fand indessen die entzündete Schleimhaut vollge¬ pfropft mit Mikrokokken und konnte sie ausserdem in den zu¬ führenden Lymphgefässen der nächstgelegenen Lymphdrüsen, in den Drüsen selbst, sowie in den Blutgefässen der Nieren und an¬ derer innerer Organe nachweisen. Dieselbe Beobachtung wurde von Eberth, Nassiloff und Letzerich gemacht. Später ist es noch wiederholt bestätigt 2), dass bei Diphtheritis kleine Bakterienherde im Herzfleisch, in der Leber, den Nieren und andern Organen sich finden. Von verschiedenen Beobachtern 3), namentlich denjenigen, welche die Diphtheritis auf die Kaninchencornea überimpften, wird die bräunliche Färbung der Mikrokokkenmassen erwähnt. Vergleicht man das Verhalten der Bakterien bei Diphtheritis und bei Pyämie, dann fällt sofort eine merkwürdige Ueberein¬ stimmung auf. Bei beiden Krankheitsprocessen sind die Wund¬ flächen mit Mikrokokken-Anhäufungen bedeckt, die in die tieferen Gewebsschichten und Lymphgefässe hineinwuchern, bei beiden finden sich die eigenthümlichen miliaren Bakterienherde im Herz¬ fleisch, Leber, Nieren und zeigen diese Bakterienhaufen eine bräun¬ liche Farbe. Unwillkürlich drängt sich bei diesem Ergebniss die Frage auf, ob nicht die parasitischen Mikroorganismen der Pyämie und der Diphtheritis identisch sind? Dieselbe Erscheinung wiederholt sich beim Puerperalfieber, bei welcher Krankheit Waldeyer 4) Kugelbakterien in den er¬ krankten Geweben, in den Lymphgefässen und im peritonitischen Exsudat, ferner Birch-Hirschfeld 5) Mikrokokkenmassen auf Va¬ ginalgeschwüren, im perivaginalen Zellgewebe, im Blute, in der Milz und Leber aufgefunden haben. In den Nieren, Lungen und im Herzmuskel wurden die Mikrokokken von Heiberg und Orth 6) nachgewiesen und es erwähnt letzterer die graugelbliche Farbe der in den knotig aufgetriebenen Harnkanälchen liegenden Mikro¬ kokken. Als zum Puerperalfieber wahrscheinlich in naher Beziehung 1) Steudener l. c. S. 24. 2) Cohnheim l. c. S. 480. 3) Birch-Hirschfeld l. c. S. 799. 4) Archiv f. Gynäkologie. II. Bd. 1871. 5) Med. Jahrbb. Bd. 155. S. 105. 6) Ebendas. Bd. 166. S. 188.

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Zitationshilfe: Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wundinfektionskrankheiten_1878/23>, abgerufen am 29.03.2024.