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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

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rührter Seele anflehen: Vater, leite uns, daß
wir nicht straucheln!
-- leite all' unsere Ge-
danken auf gute Entschlüsse, daß sie lauter edle
Thaten zur Reife bringen, würdig der Vergel-
tung hienieden, und des Lohns hinter den Ci-
pressen." Diese Ergiessung eures Herzens wird
euch vor Stolz und Hochmut bewahren, ihr
werdet nicht mit kalten Blikken auf eure unglük-
liche Brüder herabschauen, sondern ihr werdet
das Elend zu lindern suchen, und so weit euer
Würkungskreis reicht, Ruhe und Freude verbrei-
ten. Für euch schrieb ich diese Blätter nieder,
mit dem herzlichen Wunsch, daß sie eine sanfte
Schwermut, welche süsser ist, denn alle Freude
der Welt, in euch hervorbringe.

Es sind kostbare Tränen, die um die Leiden
unserer Brüder, um den Fall der Unschuld von
den Wangen herabgleiten, sie sind köstlicher,
denn jeder Ausbruch der thörichten Freude, das
Lachen und Singen der Fröhlichkeit: diese lassen
oft das Herz leer, und erzeugen Ekel und Ueber-
druß, aber jene veredeln die Seele, erweitern
das Herz, machen es gut und edel, erfüllen den
Geist mit Liebe und Wolwollen, und schaffen
helle lichte Aussicht jenseits den Schranken, wo

ruͤhrter Seele anflehen: Vater, leite uns, daß
wir nicht ſtraucheln!
— leite all’ unſere Ge-
danken auf gute Entſchluͤſſe, daß ſie lauter edle
Thaten zur Reife bringen, wuͤrdig der Vergel-
tung hienieden, und des Lohns hinter den Ci-
preſſen.” Dieſe Ergieſſung eures Herzens wird
euch vor Stolz und Hochmut bewahren, ihr
werdet nicht mit kalten Blikken auf eure ungluͤk-
liche Bruͤder herabſchauen, ſondern ihr werdet
das Elend zu lindern ſuchen, und ſo weit euer
Wuͤrkungskreis reicht, Ruhe und Freude verbrei-
ten. Fuͤr euch ſchrieb ich dieſe Blaͤtter nieder,
mit dem herzlichen Wunſch, daß ſie eine ſanfte
Schwermut, welche ſuͤſſer iſt, denn alle Freude
der Welt, in euch hervorbringe.

Es ſind koſtbare Traͤnen, die um die Leiden
unſerer Bruͤder, um den Fall der Unſchuld von
den Wangen herabgleiten, ſie ſind koͤſtlicher,
denn jeder Ausbruch der thoͤrichten Freude, das
Lachen und Singen der Froͤhlichkeit: dieſe laſſen
oft das Herz leer, und erzeugen Ekel und Ueber-
druß, aber jene veredeln die Seele, erweitern
das Herz, machen es gut und edel, erfuͤllen den
Geiſt mit Liebe und Wolwollen, und ſchaffen
helle lichte Ausſicht jenſeits den Schranken, wo

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[8/0016] ruͤhrter Seele anflehen: Vater, leite uns, daß wir nicht ſtraucheln! — leite all’ unſere Ge- danken auf gute Entſchluͤſſe, daß ſie lauter edle Thaten zur Reife bringen, wuͤrdig der Vergel- tung hienieden, und des Lohns hinter den Ci- preſſen.” Dieſe Ergieſſung eures Herzens wird euch vor Stolz und Hochmut bewahren, ihr werdet nicht mit kalten Blikken auf eure ungluͤk- liche Bruͤder herabſchauen, ſondern ihr werdet das Elend zu lindern ſuchen, und ſo weit euer Wuͤrkungskreis reicht, Ruhe und Freude verbrei- ten. Fuͤr euch ſchrieb ich dieſe Blaͤtter nieder, mit dem herzlichen Wunſch, daß ſie eine ſanfte Schwermut, welche ſuͤſſer iſt, denn alle Freude der Welt, in euch hervorbringe. Es ſind koſtbare Traͤnen, die um die Leiden unſerer Bruͤder, um den Fall der Unſchuld von den Wangen herabgleiten, ſie ſind koͤſtlicher, denn jeder Ausbruch der thoͤrichten Freude, das Lachen und Singen der Froͤhlichkeit: dieſe laſſen oft das Herz leer, und erzeugen Ekel und Ueber- druß, aber jene veredeln die Seele, erweitern das Herz, machen es gut und edel, erfuͤllen den Geiſt mit Liebe und Wolwollen, und ſchaffen helle lichte Ausſicht jenſeits den Schranken, wo

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Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/16>, abgerufen am 19.04.2024.