Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

deutung des Namens liegen, daß es Menschen
brandmarke, deren Handthierung zum Nuzzen der
Gesellschaft gereichen?

Daß unsere alten Vorfahren verschiedene
Gattungen von Menschen für ehrlos hielten, das
berechtigt uns nicht zur Nachahmung. -- So
wenig die damalige Verfassung des Landes, auf
die heutige ihre Anwendung findet, um so viel
weniger können die damaligen Gewonheiten
noch heutiges Tages bei uns geltend sein, ob wir
gleich denselben Boden bewonen, der Deutsch-
land
ehemals hieß, aber auch nichts, als den
blossen Namen beibehalten haben. Wir ver-
mögen nicht die Ursachen zu durchschauen, die
unsere Vorfahren bei dieser und jener Einrich-
tung gehabt haben; es war vielleicht ein uralter
Gebrauch, der sich nach und nach fortflanzte,
und so auf Kind und Kindeskind kam, der dann
hernach ein Gesez für die Nachkommen wurde.
Warum wollen wir nun bei einer ganz andern
Verfassung,
bei andern Sitten, (denn wir
haben ja die guten alten Sitten gänzlich abge-
legt), noch so eifrig an alte Gewonheiten hängen?

Bei den Römern waren auch die Huren-
Wirte,
ja die Huren selbst ehrlos, und dies

J 5

deutung des Namens liegen, daß es Menſchen
brandmarke, deren Handthierung zum Nuzzen der
Geſellſchaft gereichen?

Daß unſere alten Vorfahren verſchiedene
Gattungen von Menſchen fuͤr ehrlos hielten, das
berechtigt uns nicht zur Nachahmung. — So
wenig die damalige Verfaſſung des Landes, auf
die heutige ihre Anwendung findet, um ſo viel
weniger koͤnnen die damaligen Gewonheiten
noch heutiges Tages bei uns geltend ſein, ob wir
gleich denſelben Boden bewonen, der Deutſch-
land
ehemals hieß, aber auch nichts, als den
bloſſen Namen beibehalten haben. Wir ver-
moͤgen nicht die Urſachen zu durchſchauen, die
unſere Vorfahren bei dieſer und jener Einrich-
tung gehabt haben; es war vielleicht ein uralter
Gebrauch, der ſich nach und nach fortflanzte,
und ſo auf Kind und Kindeskind kam, der dann
hernach ein Geſez fuͤr die Nachkommen wurde.
Warum wollen wir nun bei einer ganz andern
Verfaſſung,
bei andern Sitten, (denn wir
haben ja die guten alten Sitten gaͤnzlich abge-
legt), noch ſo eifrig an alte Gewonheiten haͤngen?

Bei den Roͤmern waren auch die Huren-
Wirte,
ja die Huren ſelbſt ehrlos, und dies

J 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0145" n="137"/>
deutung des Namens liegen, daß es Men&#x017F;chen<lb/>
brandmarke, deren Handthierung zum Nuzzen der<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft gereichen?</p><lb/>
        <p>Daß un&#x017F;ere <hi rendition="#fr">alten Vorfahren</hi> ver&#x017F;chiedene<lb/>
Gattungen von Men&#x017F;chen fu&#x0364;r ehrlos hielten, das<lb/>
berechtigt uns nicht zur Nachahmung. &#x2014; So<lb/>
wenig die damalige Verfa&#x017F;&#x017F;ung des Landes, auf<lb/>
die heutige ihre Anwendung findet, um &#x017F;o viel<lb/>
weniger ko&#x0364;nnen die damaligen Gewonheiten<lb/>
noch heutiges Tages bei uns geltend &#x017F;ein, ob wir<lb/>
gleich den&#x017F;elben Boden bewonen, der <hi rendition="#fr">Deut&#x017F;ch-<lb/>
land</hi> ehemals hieß, aber auch nichts, als den<lb/><hi rendition="#fr">blo&#x017F;&#x017F;en Namen</hi> beibehalten haben. Wir ver-<lb/>
mo&#x0364;gen nicht die Ur&#x017F;achen zu durch&#x017F;chauen, die<lb/>
un&#x017F;ere Vorfahren bei die&#x017F;er und jener Einrich-<lb/>
tung gehabt haben; es war vielleicht ein uralter<lb/>
Gebrauch, der &#x017F;ich nach und nach fortflanzte,<lb/>
und &#x017F;o auf Kind und Kindeskind kam, der dann<lb/>
hernach ein Ge&#x017F;ez fu&#x0364;r die Nachkommen wurde.<lb/>
Warum wollen wir nun bei einer ganz <hi rendition="#fr">andern<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;ung,</hi> bei <hi rendition="#fr">andern Sitten,</hi> (denn wir<lb/>
haben ja die guten alten Sitten ga&#x0364;nzlich abge-<lb/>
legt), noch &#x017F;o eifrig an alte Gewonheiten ha&#x0364;ngen?</p><lb/>
        <p>Bei den <hi rendition="#fr">Ro&#x0364;mern</hi> waren auch die <hi rendition="#fr">Huren-<lb/>
Wirte,</hi> ja die <hi rendition="#fr">Huren &#x017F;elb&#x017F;t</hi> ehrlos, und dies<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 5</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0145] deutung des Namens liegen, daß es Menſchen brandmarke, deren Handthierung zum Nuzzen der Geſellſchaft gereichen? Daß unſere alten Vorfahren verſchiedene Gattungen von Menſchen fuͤr ehrlos hielten, das berechtigt uns nicht zur Nachahmung. — So wenig die damalige Verfaſſung des Landes, auf die heutige ihre Anwendung findet, um ſo viel weniger koͤnnen die damaligen Gewonheiten noch heutiges Tages bei uns geltend ſein, ob wir gleich denſelben Boden bewonen, der Deutſch- land ehemals hieß, aber auch nichts, als den bloſſen Namen beibehalten haben. Wir ver- moͤgen nicht die Urſachen zu durchſchauen, die unſere Vorfahren bei dieſer und jener Einrich- tung gehabt haben; es war vielleicht ein uralter Gebrauch, der ſich nach und nach fortflanzte, und ſo auf Kind und Kindeskind kam, der dann hernach ein Geſez fuͤr die Nachkommen wurde. Warum wollen wir nun bei einer ganz andern Verfaſſung, bei andern Sitten, (denn wir haben ja die guten alten Sitten gaͤnzlich abge- legt), noch ſo eifrig an alte Gewonheiten haͤngen? Bei den Roͤmern waren auch die Huren- Wirte, ja die Huren ſelbſt ehrlos, und dies J 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/145
Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/145>, abgerufen am 27.11.2024.