trunknen Geschöpfe der Nacht ausgestrekket, nur mich flieht er; Nacht ist es in meiner Seele, ein Gemisch von Traurigkeit, ein dum- pfes Gefühl der Nichtigkeit dieses Alls, zerreissen mein Jnnerstes und entlokken mir Tränen, und ich habe niemanden, an dessen Busen ich sie ausströmen könnte. So soll denn mein Schmerz in Klagen ausbrechen, und hinhallen, wo die Eule flattert, und die magere Distel weht! vielleicht wallet unter den verschütteten Ruinen der Geist Colmas, und vernimmt meine Töne, die ein gepreßtes Herz mir entlokket. Doch sie schallen mit leisen Schwingen zu den Ohren meines Phanor, und der vernimmt sie. Schaudervolle Szene! wie lebhaft fühl ich dich noch, wie hast du alle Freuden aus meiner Seele verscheucht, ihr Ruhe und Heiterkeit ge- raubt, und wo soll ich einen Quell in einer dür- ren Sandwüste finden, mein erstorbeues Herz zu beleben?
Jch war heute so beklemmt und traurig, ein dumpfes Vorgefühl entfernter Leiden würkte so lebhaft auf meine Seele, daß alle Thätigkeit, alle Kraft dahin schwand, ich eilte in die Arme der Natur, sonst war sie ja immer die Quelle
trunknen Geſchoͤpfe der Nacht ausgeſtrekket, nur mich flieht er; Nacht iſt es in meiner Seele, ein Gemiſch von Traurigkeit, ein dum- pfes Gefuͤhl der Nichtigkeit dieſes Alls, zerreiſſen mein Jnnerſtes und entlokken mir Traͤnen, und ich habe niemanden, an deſſen Buſen ich ſie ausſtroͤmen koͤnnte. So ſoll denn mein Schmerz in Klagen ausbrechen, und hinhallen, wo die Eule flattert, und die magere Diſtel weht! vielleicht wallet unter den verſchuͤtteten Ruinen der Geiſt Colmas, und vernimmt meine Toͤne, die ein gepreßtes Herz mir entlokket. Doch ſie ſchallen mit leiſen Schwingen zu den Ohren meines Phanor, und der vernimmt ſie. Schaudervolle Szene! wie lebhaft fuͤhl ich dich noch, wie haſt du alle Freuden aus meiner Seele verſcheucht, ihr Ruhe und Heiterkeit ge- raubt, und wo ſoll ich einen Quell in einer duͤr- ren Sandwuͤſte finden, mein erſtorbeues Herz zu beleben?
Jch war heute ſo beklemmt und traurig, ein dumpfes Vorgefuͤhl entfernter Leiden wuͤrkte ſo lebhaft auf meine Seele, daß alle Thaͤtigkeit, alle Kraft dahin ſchwand, ich eilte in die Arme der Natur, ſonſt war ſie ja immer die Quelle
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trunknen Geſchoͤpfe der Nacht ausgeſtrekket,
nur mich flieht er; Nacht iſt es in meiner
Seele, ein Gemiſch von Traurigkeit, ein dum-
pfes Gefuͤhl der Nichtigkeit dieſes Alls, zerreiſſen
mein Jnnerſtes und entlokken mir Traͤnen, und
ich habe niemanden, an deſſen Buſen ich
ſie ausſtroͤmen koͤnnte. So ſoll denn mein
Schmerz in Klagen ausbrechen, und hinhallen,
wo die Eule flattert, und die magere Diſtel weht!
vielleicht wallet unter den verſchuͤtteten Ruinen
der Geiſt Colmas, und vernimmt meine Toͤne,
die ein gepreßtes Herz mir entlokket. Doch ſie
ſchallen mit leiſen Schwingen zu den Ohren
meines Phanor, und der vernimmt ſie.
Schaudervolle Szene! wie lebhaft fuͤhl ich
dich noch, wie haſt du alle Freuden aus meiner
Seele verſcheucht, ihr Ruhe und Heiterkeit ge-
raubt, und wo ſoll ich einen Quell in einer duͤr-
ren Sandwuͤſte finden, mein erſtorbeues Herz
zu beleben?
Jch war heute ſo beklemmt und traurig, ein
dumpfes Vorgefuͤhl entfernter Leiden wuͤrkte ſo
lebhaft auf meine Seele, daß alle Thaͤtigkeit,
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/112>, abgerufen am 23.11.2024.
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