meines Herzens, versiegt der Born meines Lebens, meine Wange erbleicht, die Röte erlischt, das Auge schwimmt in Tränen, der Körper zittert in Paro- xismen einer fiebrischen Hizze, und schwankt zwi- schen Fortdauern und Vernichtung -- Dann pakt mich wieder ein eiskalter Schauder, und spannt alle die Fasern ab, die mich noch an dies elende Leben fesseln.
All' meine Nerven, wie las, und schlaf sie sind, meine Fibern wie fühllos und erstorben! und es war doch eine Zeit, wo sie fest und stark waren, und vor Fülle der Gesundheit strozten. Es war eine Zeit, wo man mich gern sah, wo meine Gespielinnen sich um mich drängten, und mir Beifall zuwinkten, wo Jüng- linge um mich bulten, und mir den Weihrauch der Schmeichelei streuten. Aber du weißt es, Schöpfer meines Lebens! wie wenig ich nach Lob und Ruhm geizte, wie wenig eitel ich auf die Vorzüge war, die ein Geschenk deiner Milde waren, wie mir das un- gekünstelte Lob des Greises werther war, als des eitlen Stuzzers -- Es war eine Zeit, wo ich noch jeder Empfängnis der Freude, jeder Rührung an fremden Schmerz fähig war, wo ich nicht schlafen konnte, wenn ich nicht den Tag mit einer edlen Handlung bezeichnet hätte, oder mir den Gedanken entfalten konnte, du hast deinen Geist vervoll- kommnet. Und jezt -- der Genuß der Natur! die
meines Herzens, verſiegt der Born meines Lebens, meine Wange erbleicht, die Roͤte erliſcht, das Auge ſchwimmt in Traͤnen, der Koͤrper zittert in Paro- xismen einer fiebriſchen Hizze, und ſchwankt zwi- ſchen Fortdauern und Vernichtung — Dann pakt mich wieder ein eiskalter Schauder, und ſpannt alle die Faſern ab, die mich noch an dies elende Leben feſſeln.
All’ meine Nerven, wie las, und ſchlaf ſie ſind, meine Fibern wie fuͤhllos und erſtorben! und es war doch eine Zeit, wo ſie feſt und ſtark waren, und vor Fuͤlle der Geſundheit ſtrozten. Es war eine Zeit, wo man mich gern ſah, wo meine Geſpielinnen ſich um mich draͤngten, und mir Beifall zuwinkten, wo Juͤng- linge um mich bulten, und mir den Weihrauch der Schmeichelei ſtreuten. Aber du weißt es, Schoͤpfer meines Lebens! wie wenig ich nach Lob und Ruhm geizte, wie wenig eitel ich auf die Vorzuͤge war, die ein Geſchenk deiner Milde waren, wie mir das un- gekuͤnſtelte Lob des Greiſes werther war, als des eitlen Stuzzers — Es war eine Zeit, wo ich noch jeder Empfaͤngnis der Freude, jeder Ruͤhrung an fremden Schmerz faͤhig war, wo ich nicht ſchlafen konnte, wenn ich nicht den Tag mit einer edlen Handlung bezeichnet haͤtte, oder mir den Gedanken entfalten konnte, du haſt deinen Geiſt vervoll- kommnet. Und jezt — der Genuß der Natur! die
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meines Herzens, verſiegt der Born meines Lebens,
meine Wange erbleicht, die Roͤte erliſcht, das Auge
ſchwimmt in Traͤnen, der Koͤrper zittert in Paro-
xismen einer fiebriſchen Hizze, und ſchwankt zwi-
ſchen Fortdauern und Vernichtung — Dann pakt
mich wieder ein eiskalter Schauder, und ſpannt alle
die Faſern ab, die mich noch an dies elende Leben
feſſeln.
All’ meine Nerven, wie las, und ſchlaf ſie ſind,
meine Fibern wie fuͤhllos und erſtorben! und es war
doch eine Zeit, wo ſie feſt und ſtark waren, und vor
Fuͤlle der Geſundheit ſtrozten. Es war eine Zeit, wo
man mich gern ſah, wo meine Geſpielinnen ſich um
mich draͤngten, und mir Beifall zuwinkten, wo Juͤng-
linge um mich bulten, und mir den Weihrauch der
Schmeichelei ſtreuten. Aber du weißt es, Schoͤpfer
meines Lebens! wie wenig ich nach Lob und Ruhm
geizte, wie wenig eitel ich auf die Vorzuͤge war, die
ein Geſchenk deiner Milde waren, wie mir das un-
gekuͤnſtelte Lob des Greiſes werther war, als des
eitlen Stuzzers — Es war eine Zeit, wo ich noch
jeder Empfaͤngnis der Freude, jeder Ruͤhrung an
fremden Schmerz faͤhig war, wo ich nicht ſchlafen
konnte, wenn ich nicht den Tag mit einer edlen
Handlung bezeichnet haͤtte, oder mir den Gedanken
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/102>, abgerufen am 23.11.2024.
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