drehen und wenden, um sich wechselsweise die schwache Seite abzujagen! Und wenn sie nun aus einander gehen, dann zeigt sich immer, daß der Eine den Andern vortrefflich findet, wenn Dieser ihm entweder Gelegenheit gegeben hat, seine Talente auszukramen, oder wenn beyde Narren sich auf ähnliche sympathetische Thor¬ heiten ertappt haben.
Nicht so lustig aber ist der Anblick des Un¬ wesens, das man so oft unter Gelehrten wahr¬ nimmt, die entweder wegen der Verschiedenheit ihrer Meinungen und Systeme sich vor dem ehrsamen Volke wie Bettelbuben herumzanken, oder wenn sie an dem nemlichen Orte leben, und in dem nemlichen Fache auf Ruhm Anspruch machen, einander verfolgen, hassen, einander auch nicht die mindeste Gerechtigkeit wiederfah¬ ren lassen; wie Einer den Andern zu verkleinern und bey dem Publico herabzusetzen sucht -- Pfui! der Niederträchtigkeit! Ist denn die Quelle der Wahrheit nicht reich genug, um zugleich den Durst vieler Tausenden zu stillen, und können Neid, Scheelsucht und pöbelhafte Erbitterung auch Geister herabwürdigen, die der Weisheit
ge¬
drehen und wenden, um ſich wechſelsweiſe die ſchwache Seite abzujagen! Und wenn ſie nun aus einander gehen, dann zeigt ſich immer, daß der Eine den Andern vortrefflich findet, wenn Dieſer ihm entweder Gelegenheit gegeben hat, ſeine Talente auszukramen, oder wenn beyde Narren ſich auf aͤhnliche ſympathetiſche Thor¬ heiten ertappt haben.
Nicht ſo luſtig aber iſt der Anblick des Un¬ weſens, das man ſo oft unter Gelehrten wahr¬ nimmt, die entweder wegen der Verſchiedenheit ihrer Meinungen und Syſteme ſich vor dem ehrſamen Volke wie Bettelbuben herumzanken, oder wenn ſie an dem nemlichen Orte leben, und in dem nemlichen Fache auf Ruhm Anſpruch machen, einander verfolgen, haſſen, einander auch nicht die mindeſte Gerechtigkeit wiederfah¬ ren laſſen; wie Einer den Andern zu verkleinern und bey dem Publico herabzuſetzen ſucht — Pfui! der Niedertraͤchtigkeit! Iſt denn die Quelle der Wahrheit nicht reich genug, um zugleich den Durſt vieler Tauſenden zu ſtillen, und koͤnnen Neid, Scheelſucht und poͤbelhafte Erbitterung auch Geiſter herabwuͤrdigen, die der Weisheit
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drehen und wenden, um ſich wechſelsweiſe die
ſchwache Seite abzujagen! Und wenn ſie nun
aus einander gehen, dann zeigt ſich immer, daß
der Eine den Andern vortrefflich findet, wenn
Dieſer ihm entweder Gelegenheit gegeben hat,
ſeine Talente auszukramen, oder wenn beyde
Narren ſich auf aͤhnliche ſympathetiſche Thor¬
heiten ertappt haben.
Nicht ſo luſtig aber iſt der Anblick des Un¬
weſens, das man ſo oft unter Gelehrten wahr¬
nimmt, die entweder wegen der Verſchiedenheit
ihrer Meinungen und Syſteme ſich vor dem
ehrſamen Volke wie Bettelbuben herumzanken,
oder wenn ſie an dem nemlichen Orte leben, und
in dem nemlichen Fache auf Ruhm Anſpruch
machen, einander verfolgen, haſſen, einander
auch nicht die mindeſte Gerechtigkeit wiederfah¬
ren laſſen; wie Einer den Andern zu verkleinern
und bey dem Publico herabzuſetzen ſucht — Pfui!
der Niedertraͤchtigkeit! Iſt denn die Quelle der
Wahrheit nicht reich genug, um zugleich den
Durſt vieler Tauſenden zu ſtillen, und koͤnnen
Neid, Scheelſucht und poͤbelhafte Erbitterung
auch Geiſter herabwuͤrdigen, die der Weisheit
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/99>, abgerufen am 21.11.2024.
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