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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

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tig, für den Andern vielleicht von gar keinem
Belange seyn könne! Wer nicht blos in dersel¬
ben leben und geachtet werden, sondern wer auch
würken, sich emporarbeiten, regieren will, der
muß das Ding freylich noch viel feiner studiren.
Da kann es äusserst wichtig werden, entweder
zu der herrschenden Parthey, oder (wobey man
größtentheils am sichersten geht, wenn man sonst
kein ganz unwichtiger Mann ist) zu gar keiner
zu gehören, um von allen aufgesucht zu werden,
und nach Gelegenheit unmerklich Anführer einer
eigenen zu werden. Da muß oft die Politic uns
lehren, wo wir des sichern Vortheils nicht gewiß
sind, wo nicht zu helfen, vielleicht gar zu scha¬
den ist, unsre verfolgten Freunde allein kämpfen
zu lassen, und uns Ihrer nicht öffentlich anzu¬
nehmen. Da kann es nöthig seyn, sich anfangs
sehr klein zu stellen, um nicht beobachtet, in un¬
sern Planen nicht gestöhrt, vielmehr als ein un¬
bedeutender Mensch, (weil ein Solcher immer
mehr Stimmen auf seiner Seite hat, als der
von besserer Art) befördert zu werden. Zu al¬
len Geschäften aber, die man in der großen Welt
führen muß, ist nichts so dringend anzuempfeh¬
len als -- Kaltblütigkeit, das heisst: sich

nie

tig, fuͤr den Andern vielleicht von gar keinem
Belange ſeyn koͤnne! Wer nicht blos in derſel¬
ben leben und geachtet werden, ſondern wer auch
wuͤrken, ſich emporarbeiten, regieren will, der
muß das Ding freylich noch viel feiner ſtudiren.
Da kann es aͤuſſerſt wichtig werden, entweder
zu der herrſchenden Parthey, oder (wobey man
groͤßtentheils am ſicherſten geht, wenn man ſonſt
kein ganz unwichtiger Mann iſt) zu gar keiner
zu gehoͤren, um von allen aufgeſucht zu werden,
und nach Gelegenheit unmerklich Anfuͤhrer einer
eigenen zu werden. Da muß oft die Politic uns
lehren, wo wir des ſichern Vortheils nicht gewiß
ſind, wo nicht zu helfen, vielleicht gar zu ſcha¬
den iſt, unſre verfolgten Freunde allein kaͤmpfen
zu laſſen, und uns Ihrer nicht oͤffentlich anzu¬
nehmen. Da kann es noͤthig ſeyn, ſich anfangs
ſehr klein zu ſtellen, um nicht beobachtet, in un¬
ſern Planen nicht geſtoͤhrt, vielmehr als ein un¬
bedeutender Menſch, (weil ein Solcher immer
mehr Stimmen auf ſeiner Seite hat, als der
von beſſerer Art) befoͤrdert zu werden. Zu al¬
len Geſchaͤften aber, die man in der großen Welt
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[63/0085] tig, fuͤr den Andern vielleicht von gar keinem Belange ſeyn koͤnne! Wer nicht blos in derſel¬ ben leben und geachtet werden, ſondern wer auch wuͤrken, ſich emporarbeiten, regieren will, der muß das Ding freylich noch viel feiner ſtudiren. Da kann es aͤuſſerſt wichtig werden, entweder zu der herrſchenden Parthey, oder (wobey man groͤßtentheils am ſicherſten geht, wenn man ſonſt kein ganz unwichtiger Mann iſt) zu gar keiner zu gehoͤren, um von allen aufgeſucht zu werden, und nach Gelegenheit unmerklich Anfuͤhrer einer eigenen zu werden. Da muß oft die Politic uns lehren, wo wir des ſichern Vortheils nicht gewiß ſind, wo nicht zu helfen, vielleicht gar zu ſcha¬ den iſt, unſre verfolgten Freunde allein kaͤmpfen zu laſſen, und uns Ihrer nicht oͤffentlich anzu¬ nehmen. Da kann es noͤthig ſeyn, ſich anfangs ſehr klein zu ſtellen, um nicht beobachtet, in un¬ ſern Planen nicht geſtoͤhrt, vielmehr als ein un¬ bedeutender Menſch, (weil ein Solcher immer mehr Stimmen auf ſeiner Seite hat, als der von beſſerer Art) befoͤrdert zu werden. Zu al¬ len Geſchaͤften aber, die man in der großen Welt fuͤhren muß, iſt nichts ſo dringend anzuempfeh¬ len als — Kaltbluͤtigkeit, das heiſſt: ſich nie

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/85>, abgerufen am 19.04.2024.