men und Fremde zu seyn, selbst ihren Cörper zu vernachlässigen, ohne alle Grazie beym Tanze herumzuspringen, krumm und schief und gebückt zu gehn, keine Kunst, keine Wissenschaft gründ¬ lich zu erlernen. Es giebt freylich einen Bocks¬ beutel, einen Zwang, eine Steifigkeit im Um¬ gange, die in vorigen Zeiten in Teutschland herr¬ schend waren, und wovon es ein Glück ist, daß wir anfangen, sie abzulegen; aber edler Anstand ist nicht Steifigkeit, verbindliche Höflichkeit und Aufmerksamkeit nicht Bocksbeutel, Grazie nicht Zwang, und ächtes Talent, wahre Geschicklich¬ keit nicht Pedanterey. Und man sehe auch die papiernen Männchen an, wie Ueberdruß und Langeweile auf ihrer früh sich runzelnden Stirne wohnen, wie sie unfähig sind, von ganzem Her¬ zen froh zu werden, wie sie in den schönsten Jah¬ ren des Lebens schon bey den unschuldigen Freu¬ den der Jugend Eckel empfinden. -- Doch, ich habe Hofnung, daß es bald wieder besser damit werden soll, und, ohne Stolz auf unsre Vater¬ stadt kann ich es wohl sagen, wir haben hier eine liebenswürdige, wohlerzogene Jugend in allen Classen und Ständen auszuweisen.
7.
men und Fremde zu ſeyn, ſelbſt ihren Coͤrper zu vernachlaͤſſigen, ohne alle Grazie beym Tanze herumzuſpringen, krumm und ſchief und gebuͤckt zu gehn, keine Kunſt, keine Wiſſenſchaft gruͤnd¬ lich zu erlernen. Es giebt freylich einen Bocks¬ beutel, einen Zwang, eine Steifigkeit im Um¬ gange, die in vorigen Zeiten in Teutſchland herr¬ ſchend waren, und wovon es ein Gluͤck iſt, daß wir anfangen, ſie abzulegen; aber edler Anſtand iſt nicht Steifigkeit, verbindliche Hoͤflichkeit und Aufmerkſamkeit nicht Bocksbeutel, Grazie nicht Zwang, und aͤchtes Talent, wahre Geſchicklich¬ keit nicht Pedanterey. Und man ſehe auch die papiernen Maͤnnchen an, wie Ueberdruß und Langeweile auf ihrer fruͤh ſich runzelnden Stirne wohnen, wie ſie unfaͤhig ſind, von ganzem Her¬ zen froh zu werden, wie ſie in den ſchoͤnſten Jah¬ ren des Lebens ſchon bey den unſchuldigen Freu¬ den der Jugend Eckel empfinden. — Doch, ich habe Hofnung, daß es bald wieder beſſer damit werden ſoll, und, ohne Stolz auf unſre Vater¬ ſtadt kann ich es wohl ſagen, wir haben hier eine liebenswuͤrdige, wohlerzogene Jugend in allen Claſſen und Staͤnden auszuweiſen.
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men und Fremde zu ſeyn, ſelbſt ihren Coͤrper
zu vernachlaͤſſigen, ohne alle Grazie beym Tanze
herumzuſpringen, krumm und ſchief und gebuͤckt
zu gehn, keine Kunſt, keine Wiſſenſchaft gruͤnd¬
lich zu erlernen. Es giebt freylich einen Bocks¬
beutel, einen Zwang, eine Steifigkeit im Um¬
gange, die in vorigen Zeiten in Teutſchland herr¬
ſchend waren, und wovon es ein Gluͤck iſt, daß
wir anfangen, ſie abzulegen; aber edler Anſtand
iſt nicht Steifigkeit, verbindliche Hoͤflichkeit und
Aufmerkſamkeit nicht Bocksbeutel, Grazie nicht
Zwang, und aͤchtes Talent, wahre Geſchicklich¬
keit nicht Pedanterey. Und man ſehe auch die
papiernen Maͤnnchen an, wie Ueberdruß und
Langeweile auf ihrer fruͤh ſich runzelnden Stirne
wohnen, wie ſie unfaͤhig ſind, von ganzem Her¬
zen froh zu werden, wie ſie in den ſchoͤnſten Jah¬
ren des Lebens ſchon bey den unſchuldigen Freu¬
den der Jugend Eckel empfinden. — Doch, ich
habe Hofnung, daß es bald wieder beſſer damit
werden ſoll, und, ohne Stolz auf unſre Vater¬
ſtadt kann ich es wohl ſagen, wir haben hier
eine liebenswuͤrdige, wohlerzogene Jugend in
allen Claſſen und Staͤnden auszuweiſen.
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/76>, abgerufen am 28.01.2025.
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