mehrsten Vornehmen und Reichen, etwa nur dann herablassend gegen Leute von geringerm Stande, wenn man Ihrer bedarf, da man sie hingegen verabsäumt, oder ihnen übermüthig begegnet, sobald man Ihrer entbehren kann! Man vernachlässige nicht, sobald ein Größerer gegen¬ wärtig ist, den Mann, den man unter vier Au¬ gen mit Freundschaft und Vertraulichkeit behan¬ delt, schäme sich nicht, öffentlich den Mann vor der Welt zu ehren, der Achtung verdient, mögte er auch weder Rang, noch Geld, noch Titel führen! Man ziehe aber nicht die niedern Clas¬ sen blos aus Eigennutz und Eitelkeit vor, um die Stimme des Volks auf unsre Seite zu brin¬ gen, um als ein lieber, leutseliger Herr geprie¬ sen und über Andre erhoben zu werden! Man wähle nicht vorzüglich den Umgang mit Leuten von gemeiner Erziehung, um etwa in diesen Cir¬ keln mehr geehrt, mehr geschmeichelt zu werden, und glaube nicht, daß man populär und natür¬ lich sey, wenn man die Sitten des Pöbels nach¬ ahmt! Man sey nicht lediglich darum freundlich gegen die Geringern, um irgend einen Höhern im Range zu demüthigen, nicht aus Stolz her¬ ablassend, um desto mehr geehrt zu werden, son¬
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mehrſten Vornehmen und Reichen, etwa nur dann herablaſſend gegen Leute von geringerm Stande, wenn man Ihrer bedarf, da man ſie hingegen verabſaͤumt, oder ihnen uͤbermuͤthig begegnet, ſobald man Ihrer entbehren kann! Man vernachlaͤſſige nicht, ſobald ein Groͤßerer gegen¬ waͤrtig iſt, den Mann, den man unter vier Au¬ gen mit Freundſchaft und Vertraulichkeit behan¬ delt, ſchaͤme ſich nicht, oͤffentlich den Mann vor der Welt zu ehren, der Achtung verdient, moͤgte er auch weder Rang, noch Geld, noch Titel fuͤhren! Man ziehe aber nicht die niedern Claſ¬ ſen blos aus Eigennutz und Eitelkeit vor, um die Stimme des Volks auf unſre Seite zu brin¬ gen, um als ein lieber, leutſeliger Herr geprie¬ ſen und uͤber Andre erhoben zu werden! Man waͤhle nicht vorzuͤglich den Umgang mit Leuten von gemeiner Erziehung, um etwa in dieſen Cir¬ keln mehr geehrt, mehr geſchmeichelt zu werden, und glaube nicht, daß man populaͤr und natuͤr¬ lich ſey, wenn man die Sitten des Poͤbels nach¬ ahmt! Man ſey nicht lediglich darum freundlich gegen die Geringern, um irgend einen Hoͤhern im Range zu demuͤthigen, nicht aus Stolz her¬ ablaſſend, um deſto mehr geehrt zu werden, ſon¬
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mehrſten Vornehmen und Reichen, etwa nur
dann herablaſſend gegen Leute von geringerm
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hingegen verabſaͤumt, oder ihnen uͤbermuͤthig
begegnet, ſobald man Ihrer entbehren kann! Man
vernachlaͤſſige nicht, ſobald ein Groͤßerer gegen¬
waͤrtig iſt, den Mann, den man unter vier Au¬
gen mit Freundſchaft und Vertraulichkeit behan¬
delt, ſchaͤme ſich nicht, oͤffentlich den Mann vor
der Welt zu ehren, der Achtung verdient, moͤgte
er auch weder Rang, noch Geld, noch Titel
fuͤhren! Man ziehe aber nicht die niedern Claſ¬
ſen blos aus Eigennutz und Eitelkeit vor, um
die Stimme des Volks auf unſre Seite zu brin¬
gen, um als ein lieber, leutſeliger Herr geprie¬
ſen und uͤber Andre erhoben zu werden! Man
waͤhle nicht vorzuͤglich den Umgang mit Leuten
von gemeiner Erziehung, um etwa in dieſen Cir¬
keln mehr geehrt, mehr geſchmeichelt zu werden,
und glaube nicht, daß man populaͤr und natuͤr¬
lich ſey, wenn man die Sitten des Poͤbels nach¬
ahmt! Man ſey nicht lediglich darum freundlich
gegen die Geringern, um irgend einen Hoͤhern
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ablaſſend, um deſto mehr geehrt zu werden, ſon¬
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/57>, abgerufen am 21.11.2024.
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