lenden Herzens würdig sind. Es giebt Perso¬ nen, die nichts abschlagen können, wenigstens nicht mündlich; und da geschieht es dann, daß, um niemand zu kränken, oder damit man nicht glaube, daß es ihnen an gutem Willen fehle, sie mehr versprechen, als sie erfüllen können, mehr hingeben, mehr Arbeit für Andre über¬ nehmen, als sie gerechter Weise thun sollten. Andre sind so leichtgläubig, daß sie Jedem trauen, sich jedem preisgeben und aufopfern, Jeden für einen treuen Freund halten, der die Aussenseite des ehrlichen, menschenliebenden Mannes trägt. Noch Andre sind nicht im Stande für sich selbst etwas zu erbitten, sollten sie auch darüber nichts in der Welt von demje¬ nigen erlangen, worauf sie die billigsten An¬ sprüche machen dürften. Ich brauche wohl nicht zu sagen, wie sehr alle diese Schwachen gemis¬ handelt werden; wie man auf die Gutherzigkeit und Dienstfertigkeit der Erstern losstürmt, und wie den Andern die Unverschämtheit alles vor dem Munde wegnimt, weil sie nicht den Muth haben, zuzugreifen. Misbrauche keines Men¬ schen Schwäche! Erschleiche von Keinem Vor¬ theile, Geschenke, Verwendung von Kräften,
die
lenden Herzens wuͤrdig ſind. Es giebt Perſo¬ nen, die nichts abſchlagen koͤnnen, wenigſtens nicht muͤndlich; und da geſchieht es dann, daß, um niemand zu kraͤnken, oder damit man nicht glaube, daß es ihnen an gutem Willen fehle, ſie mehr verſprechen, als ſie erfuͤllen koͤnnen, mehr hingeben, mehr Arbeit fuͤr Andre uͤber¬ nehmen, als ſie gerechter Weiſe thun ſollten. Andre ſind ſo leichtglaͤubig, daß ſie Jedem trauen, ſich jedem preisgeben und aufopfern, Jeden fuͤr einen treuen Freund halten, der die Auſſenſeite des ehrlichen, menſchenliebenden Mannes traͤgt. Noch Andre ſind nicht im Stande fuͤr ſich ſelbſt etwas zu erbitten, ſollten ſie auch daruͤber nichts in der Welt von demje¬ nigen erlangen, worauf ſie die billigſten An¬ ſpruͤche machen duͤrften. Ich brauche wohl nicht zu ſagen, wie ſehr alle dieſe Schwachen gemis¬ handelt werden; wie man auf die Gutherzigkeit und Dienſtfertigkeit der Erſtern losſtuͤrmt, und wie den Andern die Unverſchaͤmtheit alles vor dem Munde wegnimt, weil ſie nicht den Muth haben, zuzugreifen. Misbrauche keines Men¬ ſchen Schwaͤche! Erſchleiche von Keinem Vor¬ theile, Geſchenke, Verwendung von Kraͤften,
die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0275"n="253"/>
lenden Herzens wuͤrdig ſind. Es giebt Perſo¬<lb/>
nen, die nichts abſchlagen koͤnnen, wenigſtens<lb/>
nicht muͤndlich; und da geſchieht es dann, daß,<lb/>
um niemand zu kraͤnken, oder damit man nicht<lb/>
glaube, daß es ihnen an gutem Willen fehle,<lb/>ſie mehr verſprechen, als ſie erfuͤllen koͤnnen,<lb/>
mehr hingeben, mehr Arbeit fuͤr Andre uͤber¬<lb/>
nehmen, als ſie gerechter Weiſe thun ſollten.<lb/>
Andre ſind ſo <hirendition="#b">leichtglaͤubig,</hi> daß ſie Jedem<lb/>
trauen, ſich jedem preisgeben und aufopfern,<lb/>
Jeden fuͤr einen treuen Freund halten, der die<lb/>
Auſſenſeite des ehrlichen, menſchenliebenden<lb/>
Mannes traͤgt. Noch Andre ſind nicht im<lb/>
Stande fuͤr ſich ſelbſt etwas zu erbitten, ſollten<lb/>ſie auch daruͤber nichts in der Welt von demje¬<lb/>
nigen erlangen, worauf ſie die billigſten An¬<lb/>ſpruͤche machen duͤrften. Ich brauche wohl nicht<lb/>
zu ſagen, wie ſehr alle dieſe Schwachen gemis¬<lb/>
handelt werden; wie man auf die Gutherzigkeit<lb/>
und Dienſtfertigkeit der Erſtern losſtuͤrmt, und<lb/>
wie den Andern die Unverſchaͤmtheit alles vor<lb/>
dem Munde wegnimt, weil ſie nicht den Muth<lb/>
haben, zuzugreifen. Misbrauche keines Men¬<lb/>ſchen Schwaͤche! Erſchleiche von Keinem Vor¬<lb/>
theile, Geſchenke, Verwendung von Kraͤften,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">die<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[253/0275]
lenden Herzens wuͤrdig ſind. Es giebt Perſo¬
nen, die nichts abſchlagen koͤnnen, wenigſtens
nicht muͤndlich; und da geſchieht es dann, daß,
um niemand zu kraͤnken, oder damit man nicht
glaube, daß es ihnen an gutem Willen fehle,
ſie mehr verſprechen, als ſie erfuͤllen koͤnnen,
mehr hingeben, mehr Arbeit fuͤr Andre uͤber¬
nehmen, als ſie gerechter Weiſe thun ſollten.
Andre ſind ſo leichtglaͤubig, daß ſie Jedem
trauen, ſich jedem preisgeben und aufopfern,
Jeden fuͤr einen treuen Freund halten, der die
Auſſenſeite des ehrlichen, menſchenliebenden
Mannes traͤgt. Noch Andre ſind nicht im
Stande fuͤr ſich ſelbſt etwas zu erbitten, ſollten
ſie auch daruͤber nichts in der Welt von demje¬
nigen erlangen, worauf ſie die billigſten An¬
ſpruͤche machen duͤrften. Ich brauche wohl nicht
zu ſagen, wie ſehr alle dieſe Schwachen gemis¬
handelt werden; wie man auf die Gutherzigkeit
und Dienſtfertigkeit der Erſtern losſtuͤrmt, und
wie den Andern die Unverſchaͤmtheit alles vor
dem Munde wegnimt, weil ſie nicht den Muth
haben, zuzugreifen. Misbrauche keines Men¬
ſchen Schwaͤche! Erſchleiche von Keinem Vor¬
theile, Geſchenke, Verwendung von Kraͤften,
die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/275>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.