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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

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ob der Mann, dem Du helfen kannst, selbst an
seinem Unglücke Schuld sey, oder nicht! Wer
in der Welt würde ganz unschuldig an den Lei¬
den, die ihn treffen, befunden werden, wenn
man alles so strenge untersuchen wollte? Willst
oder kannst Du aber gar nichts, oder nur wenig
geben; so brauche keine leere Ausflüchte! Laß
den Armen nicht durch Deine Bedienten unter
allerley Vorwande wiederbestellen, oder vertrö¬
sten! Am wenigsten aber erlaube Dir, etwa zu
Rechtfertigung Deiner Hartherzigkeit, Grob¬
heiten, beleidigende Strafpredigten gegen Den,
dessen Bitte Du abzuschlagen entschlossen bist;
sondern sprich den Mann selbst, und sage ihm
kurz und menschenfreundlich, warum Du nicht
geben kannst, nicht geben willst! Thue auch
auf das erste Wort, was zu thun vernünftig
und gut ist, und warte nicht darauf, daß man
durch wiederholtes Betteln Dein Herz erweiche!
Gieb aber nicht als ein Verschwender, sondern
laß Deine Wohlthaten von der Gerechtigkeit ge¬
gen Dich und Andre geordnet werden, und ver¬
schleudre nicht an den Landläufer, Bettler von
Handwerke und Faullenzer, was Du dem hülf¬
losen Alter, der Gebrechlichkeit und dem durch

wie¬

ob der Mann, dem Du helfen kannſt, ſelbſt an
ſeinem Ungluͤcke Schuld ſey, oder nicht! Wer
in der Welt wuͤrde ganz unſchuldig an den Lei¬
den, die ihn treffen, befunden werden, wenn
man alles ſo ſtrenge unterſuchen wollte? Willſt
oder kannſt Du aber gar nichts, oder nur wenig
geben; ſo brauche keine leere Ausfluͤchte! Laß
den Armen nicht durch Deine Bedienten unter
allerley Vorwande wiederbeſtellen, oder vertroͤ¬
ſten! Am wenigſten aber erlaube Dir, etwa zu
Rechtfertigung Deiner Hartherzigkeit, Grob¬
heiten, beleidigende Strafpredigten gegen Den,
deſſen Bitte Du abzuſchlagen entſchloſſen biſt;
ſondern ſprich den Mann ſelbſt, und ſage ihm
kurz und menſchenfreundlich, warum Du nicht
geben kannſt, nicht geben willſt! Thue auch
auf das erſte Wort, was zu thun vernuͤnftig
und gut iſt, und warte nicht darauf, daß man
durch wiederholtes Betteln Dein Herz erweiche!
Gieb aber nicht als ein Verſchwender, ſondern
laß Deine Wohlthaten von der Gerechtigkeit ge¬
gen Dich und Andre geordnet werden, und ver¬
ſchleudre nicht an den Landlaͤufer, Bettler von
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[189/0211] ob der Mann, dem Du helfen kannſt, ſelbſt an ſeinem Ungluͤcke Schuld ſey, oder nicht! Wer in der Welt wuͤrde ganz unſchuldig an den Lei¬ den, die ihn treffen, befunden werden, wenn man alles ſo ſtrenge unterſuchen wollte? Willſt oder kannſt Du aber gar nichts, oder nur wenig geben; ſo brauche keine leere Ausfluͤchte! Laß den Armen nicht durch Deine Bedienten unter allerley Vorwande wiederbeſtellen, oder vertroͤ¬ ſten! Am wenigſten aber erlaube Dir, etwa zu Rechtfertigung Deiner Hartherzigkeit, Grob¬ heiten, beleidigende Strafpredigten gegen Den, deſſen Bitte Du abzuſchlagen entſchloſſen biſt; ſondern ſprich den Mann ſelbſt, und ſage ihm kurz und menſchenfreundlich, warum Du nicht geben kannſt, nicht geben willſt! Thue auch auf das erſte Wort, was zu thun vernuͤnftig und gut iſt, und warte nicht darauf, daß man durch wiederholtes Betteln Dein Herz erweiche! Gieb aber nicht als ein Verſchwender, ſondern laß Deine Wohlthaten von der Gerechtigkeit ge¬ gen Dich und Andre geordnet werden, und ver¬ ſchleudre nicht an den Landlaͤufer, Bettler von Handwerke und Faullenzer, was Du dem huͤlf¬ loſen Alter, der Gebrechlichkeit und dem durch wie¬

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/211>, abgerufen am 29.03.2024.