ser Willen, Eigennutz, ungesellige Gemüthsart, oder unbändige Leidenschaft im Spiele ist, folg¬ lich keine dauerhafte Wiedervereinigung nach den Gemüthsarten der Leute zu hoffen steht; so lasse man sich nicht darauf ein, Versöhnungen stiften zu wollen! Man verdirbt es dabey leicht mit Einer Parthey, und nicht selten mit beyden.
Ist es endlich gar nicht zu vermeiden, daß man sich vor oder gegen eine von den beyden Partheyen bestimmt erkläre; so nehme man sich nicht etwa, wie Leute von niedriger Denkungs¬ art zu thun pflegen, immer der stärkern gegen die schwächere an, oder drehe gar den Mantel nach dem Winde, um abzulauern, wer siegen wird, und alsdann Den im Stiche zu lassen, der von dem Andern durch allerley Cabale unter¬ drückt worden; sondern man entscheide sich, ohne Ansehn der Person und ohne Rücksicht auf Freundschaft, Schmeicheley und Verwandtschaft, männlich und unerschütterlich, nach den Regeln der Gerechtigkeit für Den, von dem uns unsre Vernunft sagt, daß er Recht habe, und bleibe ihm treu und beständig zugethan, es gehe auch, wie es wolle!
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ſer Willen, Eigennutz, ungeſellige Gemuͤthsart, oder unbaͤndige Leidenſchaft im Spiele iſt, folg¬ lich keine dauerhafte Wiedervereinigung nach den Gemuͤthsarten der Leute zu hoffen ſteht; ſo laſſe man ſich nicht darauf ein, Verſoͤhnungen ſtiften zu wollen! Man verdirbt es dabey leicht mit Einer Parthey, und nicht ſelten mit beyden.
Iſt es endlich gar nicht zu vermeiden, daß man ſich vor oder gegen eine von den beyden Partheyen beſtimmt erklaͤre; ſo nehme man ſich nicht etwa, wie Leute von niedriger Denkungs¬ art zu thun pflegen, immer der ſtaͤrkern gegen die ſchwaͤchere an, oder drehe gar den Mantel nach dem Winde, um abzulauern, wer ſiegen wird, und alsdann Den im Stiche zu laſſen, der von dem Andern durch allerley Cabale unter¬ druͤckt worden; ſondern man entſcheide ſich, ohne Anſehn der Perſon und ohne Ruͤckſicht auf Freundſchaft, Schmeicheley und Verwandtſchaft, maͤnnlich und unerſchuͤtterlich, nach den Regeln der Gerechtigkeit fuͤr Den, von dem uns unſre Vernunft ſagt, daß er Recht habe, und bleibe ihm treu und beſtaͤndig zugethan, es gehe auch, wie es wolle!
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ſer Willen, Eigennutz, ungeſellige Gemuͤthsart,
oder unbaͤndige Leidenſchaft im Spiele iſt, folg¬
lich keine dauerhafte Wiedervereinigung nach
den Gemuͤthsarten der Leute zu hoffen ſteht;
ſo laſſe man ſich nicht darauf ein, Verſoͤhnungen
ſtiften zu wollen! Man verdirbt es dabey leicht
mit Einer Parthey, und nicht ſelten mit beyden.
Iſt es endlich gar nicht zu vermeiden, daß
man ſich vor oder gegen eine von den beyden
Partheyen beſtimmt erklaͤre; ſo nehme man ſich
nicht etwa, wie Leute von niedriger Denkungs¬
art zu thun pflegen, immer der ſtaͤrkern gegen
die ſchwaͤchere an, oder drehe gar den Mantel
nach dem Winde, um abzulauern, wer ſiegen
wird, und alsdann Den im Stiche zu laſſen,
der von dem Andern durch allerley Cabale unter¬
druͤckt worden; ſondern man entſcheide ſich,
ohne Anſehn der Perſon und ohne Ruͤckſicht auf
Freundſchaft, Schmeicheley und Verwandtſchaft,
maͤnnlich und unerſchuͤtterlich, nach den Regeln
der Gerechtigkeit fuͤr Den, von dem uns unſre
Vernunft ſagt, daß er Recht habe, und bleibe
ihm treu und beſtaͤndig zugethan, es gehe auch,
wie es wolle!
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/205>, abgerufen am 21.11.2024.
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