sich da mannigfaltige Gelegenheit, indem man an dem nützlichsten, zu sehr niedergedrückten und vernachlässigten Stande zum Wohlthäter werden kann; allein die geselligen Freuden sind auf dem Lande nicht so leicht zu verschaffen. In Augenblicken, wo man gerade Bedürfniß fühlt, seine Arme nach einem treuen Freunde auszustrecken, ist dieser Freund vielleicht Mei¬ len weit von uns entfernt, man müsste den reich genug seyn, einen ganzen Hofstaat von Freunden um sich her zu versammlen, aber auch das hat seine üble Seite, und sehr reiche Leute fühlen ja ohnehin selten dies Bedürfniß. Um also hier glücklich und vergnügt leben zu kön¬ nen, ohne so sehr wohlhabend zu seyn, soll man die Kunst verstehn, das Gute aus dem Um¬ gange der Menschen, die man grade bey sich haben kann, zu schmecken und zu erkennen, der einfachen Freuden nicht müde zu werden, damit zu geizen, und ihnen auf erfindungsreiche Art Mannigfaltigkeit zu geben. Weil man auf dem Lande seine Frau, seine Kinder und seine Hausfreunde vom Morgen bis zum Abend ununterbrochen um sich zu sehn pflegt; so ent¬ steht leicht Ueberdruß, Leere im Umgange.
Dies
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ſich da mannigfaltige Gelegenheit, indem man an dem nuͤtzlichſten, zu ſehr niedergedruͤckten und vernachlaͤſſigten Stande zum Wohlthaͤter werden kann; allein die geſelligen Freuden ſind auf dem Lande nicht ſo leicht zu verſchaffen. In Augenblicken, wo man gerade Beduͤrfniß fuͤhlt, ſeine Arme nach einem treuen Freunde auszuſtrecken, iſt dieſer Freund vielleicht Mei¬ len weit von uns entfernt, man muͤſſte den reich genug ſeyn, einen ganzen Hofſtaat von Freunden um ſich her zu verſammlen, aber auch das hat ſeine uͤble Seite, und ſehr reiche Leute fuͤhlen ja ohnehin ſelten dies Beduͤrfniß. Um alſo hier gluͤcklich und vergnuͤgt leben zu koͤn¬ nen, ohne ſo ſehr wohlhabend zu ſeyn, ſoll man die Kunſt verſtehn, das Gute aus dem Um¬ gange der Menſchen, die man grade bey ſich haben kann, zu ſchmecken und zu erkennen, der einfachen Freuden nicht muͤde zu werden, damit zu geizen, und ihnen auf erfindungsreiche Art Mannigfaltigkeit zu geben. Weil man auf dem Lande ſeine Frau, ſeine Kinder und ſeine Hausfreunde vom Morgen bis zum Abend ununterbrochen um ſich zu ſehn pflegt; ſo ent¬ ſteht leicht Ueberdruß, Leere im Umgange.
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ſich da mannigfaltige Gelegenheit, indem man
an dem nuͤtzlichſten, zu ſehr niedergedruͤckten
und vernachlaͤſſigten Stande zum Wohlthaͤter
werden kann; allein die geſelligen Freuden ſind
auf dem Lande nicht ſo leicht zu verſchaffen.
In Augenblicken, wo man gerade Beduͤrfniß
fuͤhlt, ſeine Arme nach einem treuen Freunde
auszuſtrecken, iſt dieſer Freund vielleicht Mei¬
len weit von uns entfernt, man muͤſſte den
reich genug ſeyn, einen ganzen Hofſtaat von
Freunden um ſich her zu verſammlen, aber auch
das hat ſeine uͤble Seite, und ſehr reiche Leute
fuͤhlen ja ohnehin ſelten dies Beduͤrfniß. Um
alſo hier gluͤcklich und vergnuͤgt leben zu koͤn¬
nen, ohne ſo ſehr wohlhabend zu ſeyn, ſoll man
die Kunſt verſtehn, das Gute aus dem Um¬
gange der Menſchen, die man grade bey ſich
haben kann, zu ſchmecken und zu erkennen,
der einfachen Freuden nicht muͤde zu werden,
damit zu geizen, und ihnen auf erfindungsreiche
Art Mannigfaltigkeit zu geben. Weil man
auf dem Lande ſeine Frau, ſeine Kinder und
ſeine Hausfreunde vom Morgen bis zum Abend
ununterbrochen um ſich zu ſehn pflegt; ſo ent¬
ſteht leicht Ueberdruß, Leere im Umgange.
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/85>, abgerufen am 21.12.2024.
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