Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

daß aller Menschen Augen nur auf uns gerich¬
tet, ihre Ohren nur für uns gespitzt seyen, denn
sonst werden wir freylich uns aller Orten zu¬
rückgesetzt glauben, eine traurige Rolle spielen,
uns und Andern Langeweile machen, menschen¬
scheu und bitter die Gesellschaft fliehen und
von ihr geflohen werden. Ich kenne viel Leute
von der Art, die durchaus, wenn sie sich in
vortheilhaftem Lichte zeigen sollen, der Mittel¬
punct seyn müssen, um welchen sich alles dreht,
so wie überhaupt manche Menschen im gemei¬
nen Leben niemand neben sich vertragen, der
mit ihnen verglichen werden könnte. Sie han¬
deln vortreflich, groß, edel, nützlich, wohlthä¬
tig, geistreich, sobald sie es allein sind, an die
man sich wendet, von denen man bittet, erwar¬
tet, hofft; aber klein, niedrig, rachsüchtig und
schwach, sobald sie in Reyhe und Gliedern stehn
sollen und zerstöhren jedes Gebäude, wozu
sie nicht den Plan gemacht, oder wenigstens
die Kranz-Rede gehalten haben, ja! ihr eige¬
nes Gebäude, sobald nur ein Andrer eine kleine
Verzierung daran angebracht hat. Dies ist
eine unglückliche, ungesellige Gemüthsart.
Ueberhaupt rathe ich, um glücklich zu leben und

An¬
D

daß aller Menſchen Augen nur auf uns gerich¬
tet, ihre Ohren nur fuͤr uns geſpitzt ſeyen, denn
ſonſt werden wir freylich uns aller Orten zu¬
ruͤckgeſetzt glauben, eine traurige Rolle ſpielen,
uns und Andern Langeweile machen, menſchen¬
ſcheu und bitter die Geſellſchaft fliehen und
von ihr geflohen werden. Ich kenne viel Leute
von der Art, die durchaus, wenn ſie ſich in
vortheilhaftem Lichte zeigen ſollen, der Mittel¬
punct ſeyn muͤſſen, um welchen ſich alles dreht,
ſo wie uͤberhaupt manche Menſchen im gemei¬
nen Leben niemand neben ſich vertragen, der
mit ihnen verglichen werden koͤnnte. Sie han¬
deln vortreflich, groß, edel, nuͤtzlich, wohlthaͤ¬
tig, geiſtreich, ſobald ſie es allein ſind, an die
man ſich wendet, von denen man bittet, erwar¬
tet, hofft; aber klein, niedrig, rachſuͤchtig und
ſchwach, ſobald ſie in Reyhe und Gliedern ſtehn
ſollen und zerſtoͤhren jedes Gebaͤude, wozu
ſie nicht den Plan gemacht, oder wenigſtens
die Kranz-Rede gehalten haben, ja! ihr eige¬
nes Gebaͤude, ſobald nur ein Andrer eine kleine
Verzierung daran angebracht hat. Dies iſt
eine ungluͤckliche, ungeſellige Gemuͤthsart.
Ueberhaupt rathe ich, um gluͤcklich zu leben und

An¬
D
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0079" n="49"/>
daß aller Men&#x017F;chen Augen nur auf uns gerich¬<lb/>
tet, ihre Ohren nur fu&#x0364;r uns ge&#x017F;pitzt &#x017F;eyen, denn<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t werden wir freylich uns aller Orten zu¬<lb/>
ru&#x0364;ckge&#x017F;etzt glauben, eine traurige Rolle &#x017F;pielen,<lb/>
uns und Andern Langeweile machen, men&#x017F;chen¬<lb/>
&#x017F;cheu und bitter die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft fliehen und<lb/>
von ihr geflohen werden. Ich kenne viel Leute<lb/>
von der Art, die durchaus, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich in<lb/>
vortheilhaftem Lichte zeigen &#x017F;ollen, der Mittel¬<lb/>
punct &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, um welchen &#x017F;ich alles dreht,<lb/>
&#x017F;o wie u&#x0364;berhaupt manche Men&#x017F;chen im gemei¬<lb/>
nen Leben niemand neben &#x017F;ich vertragen, der<lb/>
mit ihnen verglichen werden ko&#x0364;nnte. Sie han¬<lb/>
deln vortreflich, groß, edel, nu&#x0364;tzlich, wohltha&#x0364;¬<lb/>
tig, gei&#x017F;treich, &#x017F;obald &#x017F;ie es allein &#x017F;ind, an die<lb/>
man &#x017F;ich wendet, von denen man bittet, erwar¬<lb/>
tet, hofft; aber klein, niedrig, rach&#x017F;u&#x0364;chtig und<lb/>
&#x017F;chwach, &#x017F;obald &#x017F;ie in Reyhe und Gliedern &#x017F;tehn<lb/>
&#x017F;ollen und zer&#x017F;to&#x0364;hren jedes Geba&#x0364;ude, wozu<lb/>
&#x017F;ie nicht den Plan gemacht, oder wenig&#x017F;tens<lb/>
die Kranz-Rede gehalten haben, ja! ihr eige¬<lb/>
nes Geba&#x0364;ude, &#x017F;obald nur ein Andrer eine kleine<lb/>
Verzierung daran angebracht hat. Dies i&#x017F;t<lb/>
eine unglu&#x0364;ckliche, unge&#x017F;ellige Gemu&#x0364;thsart.<lb/>
Ueberhaupt rathe ich, um glu&#x0364;cklich zu leben und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D<lb/></fw> <fw place="bottom" type="catch">An¬<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0079] daß aller Menſchen Augen nur auf uns gerich¬ tet, ihre Ohren nur fuͤr uns geſpitzt ſeyen, denn ſonſt werden wir freylich uns aller Orten zu¬ ruͤckgeſetzt glauben, eine traurige Rolle ſpielen, uns und Andern Langeweile machen, menſchen¬ ſcheu und bitter die Geſellſchaft fliehen und von ihr geflohen werden. Ich kenne viel Leute von der Art, die durchaus, wenn ſie ſich in vortheilhaftem Lichte zeigen ſollen, der Mittel¬ punct ſeyn muͤſſen, um welchen ſich alles dreht, ſo wie uͤberhaupt manche Menſchen im gemei¬ nen Leben niemand neben ſich vertragen, der mit ihnen verglichen werden koͤnnte. Sie han¬ deln vortreflich, groß, edel, nuͤtzlich, wohlthaͤ¬ tig, geiſtreich, ſobald ſie es allein ſind, an die man ſich wendet, von denen man bittet, erwar¬ tet, hofft; aber klein, niedrig, rachſuͤchtig und ſchwach, ſobald ſie in Reyhe und Gliedern ſtehn ſollen und zerſtoͤhren jedes Gebaͤude, wozu ſie nicht den Plan gemacht, oder wenigſtens die Kranz-Rede gehalten haben, ja! ihr eige¬ nes Gebaͤude, ſobald nur ein Andrer eine kleine Verzierung daran angebracht hat. Dies iſt eine ungluͤckliche, ungeſellige Gemuͤthsart. Ueberhaupt rathe ich, um gluͤcklich zu leben und An¬ D

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/79
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/79>, abgerufen am 25.11.2024.