gang unter den ausgesuchtesten, aufgeklärtesten Männern; so erwartete ich vergebens Schutz von dem am Ruder stehenden Dummkopfe; Gab ich mich elenden Leuten preis; so wurde ich mit Diesen in Eine Classe gesetzt. Men¬ schen ohne Erziehung von niederm Stande misbrauchten mich, wenn ich mich ihnen zu sehr näherte; Mit Vornehmern verdarb ich es, sobald sie meine Eitelkeit beleidigten. Bald ließ ich zu viel Uebergewicht den Dummen fühlen, und wurde verfolgt; bald war ich zu bescheiden, und wurde übersehn. Bald rich¬ tete ich mich nach den Sitten der Leute, nach dem Ton aller unbedeutenden Gesellschaften, in welche ich lief, verlohr goldene Zeit, Ach¬ tung der Weisern und Zufriedenheit mit mir selbst; dann wurde ich zu einfach, und spielte eine schiefe Rolle, da, wo ich hätte glänzen können und sollen, durch Mangel an Zuver¬ sicht zu mir selbst. Zu Einer Zeit gieng ich zu selten aus; man hielt mich für stolz oder menschenscheu; zu einer andern zeigte ich mich überall, und wurde ein Alltagsgesicht. In den ersten Jünglingsjahren gab ich mich unbedachtsam Jedem ausschließlich, einzeln
und
gang unter den ausgeſuchteſten, aufgeklaͤrteſten Maͤnnern; ſo erwartete ich vergebens Schutz von dem am Ruder ſtehenden Dummkopfe; Gab ich mich elenden Leuten preis; ſo wurde ich mit Dieſen in Eine Claſſe geſetzt. Men¬ ſchen ohne Erziehung von niederm Stande misbrauchten mich, wenn ich mich ihnen zu ſehr naͤherte; Mit Vornehmern verdarb ich es, ſobald ſie meine Eitelkeit beleidigten. Bald ließ ich zu viel Uebergewicht den Dummen fuͤhlen, und wurde verfolgt; bald war ich zu beſcheiden, und wurde uͤberſehn. Bald rich¬ tete ich mich nach den Sitten der Leute, nach dem Ton aller unbedeutenden Geſellſchaften, in welche ich lief, verlohr goldene Zeit, Ach¬ tung der Weiſern und Zufriedenheit mit mir ſelbſt; dann wurde ich zu einfach, und ſpielte eine ſchiefe Rolle, da, wo ich haͤtte glaͤnzen koͤnnen und ſollen, durch Mangel an Zuver¬ ſicht zu mir ſelbſt. Zu Einer Zeit gieng ich zu ſelten aus; man hielt mich fuͤr ſtolz oder menſchenſcheu; zu einer andern zeigte ich mich uͤberall, und wurde ein Alltagsgeſicht. In den erſten Juͤnglingsjahren gab ich mich unbedachtſam Jedem ausſchließlich, einzeln
und
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gang unter den ausgeſuchteſten, aufgeklaͤrteſten
Maͤnnern; ſo erwartete ich vergebens Schutz
von dem am Ruder ſtehenden Dummkopfe;
Gab ich mich elenden Leuten preis; ſo wurde
ich mit Dieſen in Eine Claſſe geſetzt. Men¬
ſchen ohne Erziehung von niederm Stande
misbrauchten mich, wenn ich mich ihnen zu
ſehr naͤherte; Mit Vornehmern verdarb ich
es, ſobald ſie meine Eitelkeit beleidigten. Bald
ließ ich zu viel Uebergewicht den Dummen
fuͤhlen, und wurde verfolgt; bald war ich zu
beſcheiden, und wurde uͤberſehn. Bald rich¬
tete ich mich nach den Sitten der Leute, nach
dem Ton aller unbedeutenden Geſellſchaften,
in welche ich lief, verlohr goldene Zeit, Ach¬
tung der Weiſern und Zufriedenheit mit mir
ſelbſt; dann wurde ich zu einfach, und ſpielte
eine ſchiefe Rolle, da, wo ich haͤtte glaͤnzen
koͤnnen und ſollen, durch Mangel an Zuver¬
ſicht zu mir ſelbſt. Zu Einer Zeit gieng ich
zu ſelten aus; man hielt mich fuͤr ſtolz oder
menſchenſcheu; zu einer andern zeigte ich
mich uͤberall, und wurde ein Alltagsgeſicht.
In den erſten Juͤnglingsjahren gab ich mich
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/61>, abgerufen am 24.11.2024.
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