Dich thun! Nicht immer herrscht böser Wil¬ len bey ihnen. Ich habe vorhin gesagt, daß schwache und durch Leidenschaft beherrschte Menschen unsichre Freunde sind; doch wie We¬ nige giebt es, die ganz fest und unerschütterlich in ihrem Character, ganz frey von kleinen Lei¬ denschaften und Nebenabsichten wären, die nicht bey ihrer Anhänglichkeit an Dich mit Rücksicht nähmen auf Deinen äussern Ruf, auf Deine Verhältnisse, darauf daß sie, wo nicht durch Dich geehrt werden, doch wenig¬ stens nicht Schande vor der Welt wegen ihrer Zuneigung zu Dir auf sich laden wollen! Wenn Diese nun, sobald ein Ungewitter sich über Dei¬ nem Haupte zusammenzieht, einen kleinen Schritt zurücktreten, oder wenigstens ihre Liebe und Verehrung in eine Art von Protection und Rathgebersrolle verwandelt -- nun! so sey billig! Schiebe die Schuld auf das ängst¬ liche Temperament der mehrsten Leute, auf ihre Abhängigkeit von äussern Umständen, auf die Nothwendigkeit heut zu Tage durch Gunst sein Glück zu machen, um bey den wahrhaftig theuren Zeiten fortzukommen! Wie wenig Menschen würden übrig bleiben, mit denen
Du
Dich thun! Nicht immer herrſcht boͤſer Wil¬ len bey ihnen. Ich habe vorhin geſagt, daß ſchwache und durch Leidenſchaft beherrſchte Menſchen unſichre Freunde ſind; doch wie We¬ nige giebt es, die ganz feſt und unerſchuͤtterlich in ihrem Character, ganz frey von kleinen Lei¬ denſchaften und Nebenabſichten waͤren, die nicht bey ihrer Anhaͤnglichkeit an Dich mit Ruͤckſicht naͤhmen auf Deinen aͤuſſern Ruf, auf Deine Verhaͤltniſſe, darauf daß ſie, wo nicht durch Dich geehrt werden, doch wenig¬ ſtens nicht Schande vor der Welt wegen ihrer Zuneigung zu Dir auf ſich laden wollen! Wenn Dieſe nun, ſobald ein Ungewitter ſich uͤber Dei¬ nem Haupte zuſammenzieht, einen kleinen Schritt zuruͤcktreten, oder wenigſtens ihre Liebe und Verehrung in eine Art von Protection und Rathgebersrolle verwandelt — nun! ſo ſey billig! Schiebe die Schuld auf das aͤngſt¬ liche Temperament der mehrſten Leute, auf ihre Abhaͤngigkeit von aͤuſſern Umſtaͤnden, auf die Nothwendigkeit heut zu Tage durch Gunſt ſein Gluͤck zu machen, um bey den wahrhaftig theuren Zeiten fortzukommen! Wie wenig Menſchen wuͤrden uͤbrig bleiben, mit denen
Du
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Dich thun! Nicht immer herrſcht boͤſer Wil¬
len bey ihnen. Ich habe vorhin geſagt, daß
ſchwache und durch Leidenſchaft beherrſchte
Menſchen unſichre Freunde ſind; doch wie We¬
nige giebt es, die ganz feſt und unerſchuͤtterlich
in ihrem Character, ganz frey von kleinen Lei¬
denſchaften und Nebenabſichten waͤren, die
nicht bey ihrer Anhaͤnglichkeit an Dich mit
Ruͤckſicht naͤhmen auf Deinen aͤuſſern Ruf,
auf Deine Verhaͤltniſſe, darauf daß ſie, wo
nicht durch Dich geehrt werden, doch wenig¬
ſtens nicht Schande vor der Welt wegen ihrer
Zuneigung zu Dir auf ſich laden wollen! Wenn
Dieſe nun, ſobald ein Ungewitter ſich uͤber Dei¬
nem Haupte zuſammenzieht, einen kleinen
Schritt zuruͤcktreten, oder wenigſtens ihre Liebe
und Verehrung in eine Art von Protection
und Rathgebersrolle verwandelt — nun! ſo
ſey billig! Schiebe die Schuld auf das aͤngſt¬
liche Temperament der mehrſten Leute, auf
ihre Abhaͤngigkeit von aͤuſſern Umſtaͤnden, auf
die Nothwendigkeit heut zu Tage durch Gunſt
ſein Gluͤck zu machen, um bey den wahrhaftig
theuren Zeiten fortzukommen! Wie wenig
Menſchen wuͤrden uͤbrig bleiben, mit denen
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/270>, abgerufen am 24.11.2024.
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