Gelehrte vom Handwerke beschämen. Dürfte ich es wagen, hier öffentlich einen Namen zu nennen, den ich nie ohne Ehrfurcht ausspreche; so könnte ich beweisen, daß ich ein Original zu diesem Bilde nicht weit zu suchen brauchte; Allein wie geringe ist nicht die Anzahl solcher Frauen! Und ist es nicht Pflicht, die mittel¬ mäßigen weiblichen Genies abzuschrecken, auf Unkosten ihrer und Andrer Glückseligkeit, nach einer Höhe zu streben, die so Wenige erreichen?
Ich tadle nicht, daß ein Frauenzimmer ihre Schreibart und ihre mündliche Unterre¬ dung durch einiges Studium und durch keusch gewählte Lectur zu verfeinern suche, daß sie sich bemühe, nicht ganz ohne wissenschaftliche Kenntnisse zu seyn; aber sie soll kein Hand¬ werk aus der Litteratur machen; sie soll nicht umherschweifen in allen Theilen der Gelehr¬ samkeit. Es erregt wahrlich, wo nicht Ekel, doch Mitleiden, wenn man hört, wie solche arme Geschöpfe sich erkühnen, über die wichtig¬ sten Gegenstände, die Jahrhunderte hindurch der Vorwurf der mühsamsten Nachforschungen großer Männer gewesen sind, und von denen
Diese
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Gelehrte vom Handwerke beſchaͤmen. Duͤrfte ich es wagen, hier oͤffentlich einen Namen zu nennen, den ich nie ohne Ehrfurcht ausſpreche; ſo koͤnnte ich beweiſen, daß ich ein Original zu dieſem Bilde nicht weit zu ſuchen brauchte; Allein wie geringe iſt nicht die Anzahl ſolcher Frauen! Und iſt es nicht Pflicht, die mittel¬ maͤßigen weiblichen Genies abzuſchrecken, auf Unkoſten ihrer und Andrer Gluͤckſeligkeit, nach einer Hoͤhe zu ſtreben, die ſo Wenige erreichen?
Ich tadle nicht, daß ein Frauenzimmer ihre Schreibart und ihre muͤndliche Unterre¬ dung durch einiges Studium und durch keuſch gewaͤhlte Lectur zu verfeinern ſuche, daß ſie ſich bemuͤhe, nicht ganz ohne wiſſenſchaftliche Kenntniſſe zu ſeyn; aber ſie ſoll kein Hand¬ werk aus der Litteratur machen; ſie ſoll nicht umherſchweifen in allen Theilen der Gelehr¬ ſamkeit. Es erregt wahrlich, wo nicht Ekel, doch Mitleiden, wenn man hoͤrt, wie ſolche arme Geſchoͤpfe ſich erkuͤhnen, uͤber die wichtig¬ ſten Gegenſtaͤnde, die Jahrhunderte hindurch der Vorwurf der muͤhſamſten Nachforſchungen großer Maͤnner geweſen ſind, und von denen
Dieſe
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Gelehrte vom Handwerke beſchaͤmen. Duͤrfte
ich es wagen, hier oͤffentlich einen Namen zu
nennen, den ich nie ohne Ehrfurcht ausſpreche;
ſo koͤnnte ich beweiſen, daß ich ein Original zu
dieſem Bilde nicht weit zu ſuchen brauchte;
Allein wie geringe iſt nicht die Anzahl ſolcher
Frauen! Und iſt es nicht Pflicht, die mittel¬
maͤßigen weiblichen Genies abzuſchrecken, auf
Unkoſten ihrer und Andrer Gluͤckſeligkeit, nach
einer Hoͤhe zu ſtreben, die ſo Wenige erreichen?
Ich tadle nicht, daß ein Frauenzimmer
ihre Schreibart und ihre muͤndliche Unterre¬
dung durch einiges Studium und durch keuſch
gewaͤhlte Lectur zu verfeinern ſuche, daß ſie
ſich bemuͤhe, nicht ganz ohne wiſſenſchaftliche
Kenntniſſe zu ſeyn; aber ſie ſoll kein Hand¬
werk aus der Litteratur machen; ſie ſoll nicht
umherſchweifen in allen Theilen der Gelehr¬
ſamkeit. Es erregt wahrlich, wo nicht Ekel,
doch Mitleiden, wenn man hoͤrt, wie ſolche
arme Geſchoͤpfe ſich erkuͤhnen, uͤber die wichtig¬
ſten Gegenſtaͤnde, die Jahrhunderte hindurch
der Vorwurf der muͤhſamſten Nachforſchungen
großer Maͤnner geweſen ſind, und von denen
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/225>, abgerufen am 16.02.2025.
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