fühl für Ehre in seinem Busen trägt, und wem ein solches Gefühl fremd ist, für Den schreibe ich nicht. Es giebt aber ein anders, den Fol¬ gen nach nicht weniger schädliches, obgleich in Betracht der Absicht nicht so strafbares Betra¬ gen der Männer gegen gefühlvolle Frauenzim¬ mer, worüber ich einige Worte zur Warnung sagen muß. Es glauben nemlich Manche un¬ ter uns, es könne gar kein Interesse in den Um¬ gang mit jungen Mädchen kommen, wenn man ihnen nicht Süßigkeiten sagte, sie schmeichelte, oder eine Art von Wärme und Herzens- An¬ dringlichkeit aus Worten und Gebehrden her¬ vorleuchten liesse. Dies nährt nicht nur den ohnehin schon großen Hang des Geschlechts zur Eitelkeit, sondern, da eben diese Eitelkeit, die Ueberzeugung von der Macht ihrer Reize, gern jedes Honigwort für Sprache inniger Empfin¬ dung hält; so setzen die guten Dingerchen sich leicht in den Kopf, es sey ernstlich auf eine Heyrath angesehn. Der Stutzer merkt das nicht, oder wenn er es merkt; so ist er zu leicht¬ sinnig, den Folgen nachzudenken; er verlässt sich darauf, daß er nie bestimmt etwas von Heyraths-Anträgen hat fallen lassen, und wenn
es
fuͤhl fuͤr Ehre in ſeinem Buſen traͤgt, und wem ein ſolches Gefuͤhl fremd iſt, fuͤr Den ſchreibe ich nicht. Es giebt aber ein anders, den Fol¬ gen nach nicht weniger ſchaͤdliches, obgleich in Betracht der Abſicht nicht ſo ſtrafbares Betra¬ gen der Maͤnner gegen gefuͤhlvolle Frauenzim¬ mer, woruͤber ich einige Worte zur Warnung ſagen muß. Es glauben nemlich Manche un¬ ter uns, es koͤnne gar kein Intereſſe in den Um¬ gang mit jungen Maͤdchen kommen, wenn man ihnen nicht Suͤßigkeiten ſagte, ſie ſchmeichelte, oder eine Art von Waͤrme und Herzens- An¬ dringlichkeit aus Worten und Gebehrden her¬ vorleuchten lieſſe. Dies naͤhrt nicht nur den ohnehin ſchon großen Hang des Geſchlechts zur Eitelkeit, ſondern, da eben dieſe Eitelkeit, die Ueberzeugung von der Macht ihrer Reize, gern jedes Honigwort fuͤr Sprache inniger Empfin¬ dung haͤlt; ſo ſetzen die guten Dingerchen ſich leicht in den Kopf, es ſey ernſtlich auf eine Heyrath angeſehn. Der Stutzer merkt das nicht, oder wenn er es merkt; ſo iſt er zu leicht¬ ſinnig, den Folgen nachzudenken; er verlaͤſſt ſich darauf, daß er nie beſtimmt etwas von Heyraths-Antraͤgen hat fallen laſſen, und wenn
es
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0219"n="189"/>
fuͤhl fuͤr Ehre in ſeinem Buſen traͤgt, und wem<lb/>
ein ſolches Gefuͤhl fremd iſt, fuͤr Den ſchreibe<lb/>
ich nicht. Es giebt aber ein anders, den Fol¬<lb/>
gen nach nicht weniger ſchaͤdliches, obgleich in<lb/>
Betracht der Abſicht nicht ſo ſtrafbares Betra¬<lb/>
gen der Maͤnner gegen gefuͤhlvolle Frauenzim¬<lb/>
mer, woruͤber ich einige Worte zur Warnung<lb/>ſagen muß. Es glauben nemlich Manche un¬<lb/>
ter uns, es koͤnne gar kein Intereſſe in den Um¬<lb/>
gang mit jungen Maͤdchen kommen, wenn man<lb/>
ihnen nicht Suͤßigkeiten ſagte, ſie ſchmeichelte,<lb/>
oder eine Art von Waͤrme und Herzens- An¬<lb/>
dringlichkeit aus Worten und Gebehrden her¬<lb/>
vorleuchten lieſſe. Dies naͤhrt nicht nur den<lb/>
ohnehin ſchon großen Hang des Geſchlechts zur<lb/>
Eitelkeit, ſondern, da eben dieſe Eitelkeit, die<lb/>
Ueberzeugung von der Macht ihrer Reize, gern<lb/>
jedes Honigwort fuͤr Sprache inniger Empfin¬<lb/>
dung haͤlt; ſo ſetzen die guten Dingerchen ſich<lb/>
leicht in den Kopf, es ſey ernſtlich auf eine<lb/>
Heyrath angeſehn. Der Stutzer merkt das<lb/>
nicht, oder wenn er es merkt; ſo iſt er zu leicht¬<lb/>ſinnig, den Folgen nachzudenken; er verlaͤſſt<lb/>ſich darauf, daß er nie beſtimmt etwas von<lb/>
Heyraths-Antraͤgen hat fallen laſſen, und wenn<lb/><fwplace="bottom"type="catch">es<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[189/0219]
fuͤhl fuͤr Ehre in ſeinem Buſen traͤgt, und wem
ein ſolches Gefuͤhl fremd iſt, fuͤr Den ſchreibe
ich nicht. Es giebt aber ein anders, den Fol¬
gen nach nicht weniger ſchaͤdliches, obgleich in
Betracht der Abſicht nicht ſo ſtrafbares Betra¬
gen der Maͤnner gegen gefuͤhlvolle Frauenzim¬
mer, woruͤber ich einige Worte zur Warnung
ſagen muß. Es glauben nemlich Manche un¬
ter uns, es koͤnne gar kein Intereſſe in den Um¬
gang mit jungen Maͤdchen kommen, wenn man
ihnen nicht Suͤßigkeiten ſagte, ſie ſchmeichelte,
oder eine Art von Waͤrme und Herzens- An¬
dringlichkeit aus Worten und Gebehrden her¬
vorleuchten lieſſe. Dies naͤhrt nicht nur den
ohnehin ſchon großen Hang des Geſchlechts zur
Eitelkeit, ſondern, da eben dieſe Eitelkeit, die
Ueberzeugung von der Macht ihrer Reize, gern
jedes Honigwort fuͤr Sprache inniger Empfin¬
dung haͤlt; ſo ſetzen die guten Dingerchen ſich
leicht in den Kopf, es ſey ernſtlich auf eine
Heyrath angeſehn. Der Stutzer merkt das
nicht, oder wenn er es merkt; ſo iſt er zu leicht¬
ſinnig, den Folgen nachzudenken; er verlaͤſſt
ſich darauf, daß er nie beſtimmt etwas von
Heyraths-Antraͤgen hat fallen laſſen, und wenn
es
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/219>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.