ren. Wenn also bey der Untreue nicht Zärt¬ lichkeit und Hochachtung gekränkt werden; so ist wahrlich, nach der Franzosen Meinung, die Hahnreyhschaft, wenn man die Sache weiß, sehr wenig, und wenn man sie nicht weiß, gar nichts. Noch ärger aber, und das sicherste Mittel, auch den treuesten Gatten zu Ausschweifungen zu verleiten, ist, ihn auf bloßen Verdacht durch Vorwürfe und niedri¬ ges Mistraun zu beleidigen. Sollte aber Dein Unglück gewiß, und Deine Schande nicht zu verbergen seyn; so ist freylich kein an¬ ders Mittel, als Trennung durch gerichtliche Hülfe, oder durch gütliche Uebereinkunft, ob¬ gleich der Schandfleck dadurch nicht ausgelöscht wird. In allen übrigen Fällen ist die Eheschei¬ dung eine höchst bedenkliche Sache. Leute, die eine Reyhe von Jahren mit einander ver¬ lebt haben, können einen solchen Schritt nicht leicht thun, ohne Beyde an öffentlicher Ach¬ tung zu verliehren. Eheleute, die Kinder ha¬ ben, können nie sich trennen, ohne sehr nachtheilige Folgen für die Bildung und zeitli¬ che Glückseligkeit dieser Kinder. Ist es daher irgend möglich, bey einem weisen, vorsichtigen
Betra¬
ren. Wenn alſo bey der Untreue nicht Zaͤrt¬ lichkeit und Hochachtung gekraͤnkt werden; ſo iſt wahrlich, nach der Franzoſen Meinung, die Hahnreyhſchaft, wenn man die Sache weiß, ſehr wenig, und wenn man ſie nicht weiß, gar nichts. Noch aͤrger aber, und das ſicherſte Mittel, auch den treueſten Gatten zu Ausſchweifungen zu verleiten, iſt, ihn auf bloßen Verdacht durch Vorwuͤrfe und niedri¬ ges Mistraun zu beleidigen. Sollte aber Dein Ungluͤck gewiß, und Deine Schande nicht zu verbergen ſeyn; ſo iſt freylich kein an¬ ders Mittel, als Trennung durch gerichtliche Huͤlfe, oder durch guͤtliche Uebereinkunft, ob¬ gleich der Schandfleck dadurch nicht ausgeloͤſcht wird. In allen uͤbrigen Faͤllen iſt die Eheſchei¬ dung eine hoͤchſt bedenkliche Sache. Leute, die eine Reyhe von Jahren mit einander ver¬ lebt haben, koͤnnen einen ſolchen Schritt nicht leicht thun, ohne Beyde an oͤffentlicher Ach¬ tung zu verliehren. Eheleute, die Kinder ha¬ ben, koͤnnen nie ſich trennen, ohne ſehr nachtheilige Folgen fuͤr die Bildung und zeitli¬ che Gluͤckſeligkeit dieſer Kinder. Iſt es daher irgend moͤglich, bey einem weiſen, vorſichtigen
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ren. Wenn alſo bey der Untreue nicht Zaͤrt¬
lichkeit und Hochachtung gekraͤnkt werden; ſo
iſt wahrlich, nach der Franzoſen Meinung,
die Hahnreyhſchaft, wenn man die Sache
weiß, ſehr wenig, und wenn man ſie nicht
weiß, gar nichts. Noch aͤrger aber, und das
ſicherſte Mittel, auch den treueſten Gatten zu
Ausſchweifungen zu verleiten, iſt, ihn auf
bloßen Verdacht durch Vorwuͤrfe und niedri¬
ges Mistraun zu beleidigen. Sollte aber
Dein Ungluͤck gewiß, und Deine Schande
nicht zu verbergen ſeyn; ſo iſt freylich kein an¬
ders Mittel, als Trennung durch gerichtliche
Huͤlfe, oder durch guͤtliche Uebereinkunft, ob¬
gleich der Schandfleck dadurch nicht ausgeloͤſcht
wird. In allen uͤbrigen Faͤllen iſt die Eheſchei¬
dung eine hoͤchſt bedenkliche Sache. Leute,
die eine Reyhe von Jahren mit einander ver¬
lebt haben, koͤnnen einen ſolchen Schritt nicht
leicht thun, ohne Beyde an oͤffentlicher Ach¬
tung zu verliehren. Eheleute, die Kinder ha¬
ben, koͤnnen nie ſich trennen, ohne ſehr
nachtheilige Folgen fuͤr die Bildung und zeitli¬
che Gluͤckſeligkeit dieſer Kinder. Iſt es daher
irgend moͤglich, bey einem weiſen, vorſichtigen
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/189>, abgerufen am 23.11.2024.
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