beurtheilen, wie er es anfangen müsse, Meister zu werden über seine Begierden und gefährlichen Gelegenheiten und Verfüh¬ rungen auszuweichen, welches freylich in der Jugend und in gewissen Lagen und Ver¬ hältnissen nicht so leicht ist, als man wohl denkt. Doch so viel über diesen Gegenstand, als hier¬ her gehört, und sich ohne Beleidigung der Sitt¬ samkeit sagen lässt! Man gewöhne sich selber, und Einer den Andern nicht an Ueppigkeit, Wollust, Weichlichkeit und Schwelgerey, mache, daß die cörperlichen Bedürfnisse und Begier¬ den nicht zu heftig in uns werden; man sey, selbst in der Ehe, schamhaft, keusch, delicat und cokett in Gunstbezeugungen, um Eckel, Ueber¬ druß und faunische Lüsternheit zu entfernen! Ein Kuß ist ein Kuß und es wird wahrlich fast immer des Weibes Schuld seyn, wenn ein sonst nicht schlechter Mann diesen Kuß, den er von treuen, reinen und warmen Lippen eh¬ renvoll und bequem zu Hause erlangen könnte, mit Hintansetzung von Pflicht und Anstand, bey Fremden holt. Hat aber die größere Schwierig¬ keit und Seltenheit so viel Reiz für den Men¬ schen; ey nun! so suche man auch der ehelichen
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beurtheilen, wie er es anfangen muͤſſe, Meiſter zu werden uͤber ſeine Begierden und gefaͤhrlichen Gelegenheiten und Verfuͤh¬ rungen auszuweichen, welches freylich in der Jugend und in gewiſſen Lagen und Ver¬ haͤltniſſen nicht ſo leicht iſt, als man wohl denkt. Doch ſo viel uͤber dieſen Gegenſtand, als hier¬ her gehoͤrt, und ſich ohne Beleidigung der Sitt¬ ſamkeit ſagen laͤſſt! Man gewoͤhne ſich ſelber, und Einer den Andern nicht an Ueppigkeit, Wolluſt, Weichlichkeit und Schwelgerey, mache, daß die coͤrperlichen Beduͤrfniſſe und Begier¬ den nicht zu heftig in uns werden; man ſey, ſelbſt in der Ehe, ſchamhaft, keuſch, delicat und cokett in Gunſtbezeugungen, um Eckel, Ueber¬ druß und fauniſche Luͤſternheit zu entfernen! Ein Kuß iſt ein Kuß und es wird wahrlich faſt immer des Weibes Schuld ſeyn, wenn ein ſonſt nicht ſchlechter Mann dieſen Kuß, den er von treuen, reinen und warmen Lippen eh¬ renvoll und bequem zu Hauſe erlangen koͤnnte, mit Hintanſetzung von Pflicht und Anſtand, bey Fremden holt. Hat aber die groͤßere Schwierig¬ keit und Seltenheit ſo viel Reiz fuͤr den Men¬ ſchen; ey nun! ſo ſuche man auch der ehelichen
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beurtheilen, wie er es anfangen muͤſſe,
Meiſter zu werden uͤber ſeine Begierden
und gefaͤhrlichen Gelegenheiten und Verfuͤh¬
rungen auszuweichen, welches freylich in
der Jugend und in gewiſſen Lagen und Ver¬
haͤltniſſen nicht ſo leicht iſt, als man wohl denkt.
Doch ſo viel uͤber dieſen Gegenſtand, als hier¬
her gehoͤrt, und ſich ohne Beleidigung der Sitt¬
ſamkeit ſagen laͤſſt! Man gewoͤhne ſich ſelber,
und Einer den Andern nicht an Ueppigkeit,
Wolluſt, Weichlichkeit und Schwelgerey, mache,
daß die coͤrperlichen Beduͤrfniſſe und Begier¬
den nicht zu heftig in uns werden; man ſey,
ſelbſt in der Ehe, ſchamhaft, keuſch, delicat und
cokett in Gunſtbezeugungen, um Eckel, Ueber¬
druß und fauniſche Luͤſternheit zu entfernen!
Ein Kuß iſt ein Kuß und es wird wahrlich
faſt immer des Weibes Schuld ſeyn, wenn ein
ſonſt nicht ſchlechter Mann dieſen Kuß, den
er von treuen, reinen und warmen Lippen eh¬
renvoll und bequem zu Hauſe erlangen koͤnnte,
mit Hintanſetzung von Pflicht und Anſtand, bey
Fremden holt. Hat aber die groͤßere Schwierig¬
keit und Seltenheit ſo viel Reiz fuͤr den Men¬
ſchen; ey nun! ſo ſuche man auch der ehelichen
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/165>, abgerufen am 24.12.2024.
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