Vorsicht ist am nöthigsten gegen die feinern Coketten zu beobachten, die, ohne eben Plane auf Verletzung der Ehre zu haben, ihr Spiel¬ wert mit der Ruhe eines gefühlvollen redlichen Mannes treiben, und einen zwecklosen Triumpf darinn suchen, schlaflose Nächte zu verursachen, Thränen zu veranlassen, und andrer Weiber Neid zu erregen. Es giebt viel solcher eitlen Damen, die, nicht immer durch böses Herz noch Temperament, aber wohl durch die rasende Begierde stets zu glänzen, allgemein zu gefal¬ len, getrieben, manche stille häusliche Ruhe und den Frieden unter Eheleuten auf diese Weise zerstöhren. In reifern Jahren hinge¬ gen rathe ich die entgegengesetzte Curart an. Ein Mann von festen Grundsätzen, der seinem Verstande Rechenschaft von den Gefühlen sei¬ nes Herzens giebt und dauerhaftes Glück sucht, wird am leichtesten von den zu vortheilhaften Begriffen, die er von fremden Personen in Vergleichung mit seiner Gattinn gefasst hat, zu¬ rückkommen, wenn er Jene so oft und vielfäl¬ tig sieht, daß er an ihnen mehr Fehler wahr¬ nimt, als an seinem edlen, verständigen, treuen Weibe. Und dann kommen die Augenblicke
des
J
Vorſicht iſt am noͤthigſten gegen die feinern Coketten zu beobachten, die, ohne eben Plane auf Verletzung der Ehre zu haben, ihr Spiel¬ wert mit der Ruhe eines gefuͤhlvollen redlichen Mannes treiben, und einen zweckloſen Triumpf darinn ſuchen, ſchlafloſe Naͤchte zu verurſachen, Thraͤnen zu veranlaſſen, und andrer Weiber Neid zu erregen. Es giebt viel ſolcher eitlen Damen, die, nicht immer durch boͤſes Herz noch Temperament, aber wohl durch die raſende Begierde ſtets zu glaͤnzen, allgemein zu gefal¬ len, getrieben, manche ſtille haͤusliche Ruhe und den Frieden unter Eheleuten auf dieſe Weiſe zerſtoͤhren. In reifern Jahren hinge¬ gen rathe ich die entgegengeſetzte Curart an. Ein Mann von feſten Grundſaͤtzen, der ſeinem Verſtande Rechenſchaft von den Gefuͤhlen ſei¬ nes Herzens giebt und dauerhaftes Gluͤck ſucht, wird am leichteſten von den zu vortheilhaften Begriffen, die er von fremden Perſonen in Vergleichung mit ſeiner Gattinn gefaſſt hat, zu¬ ruͤckkommen, wenn er Jene ſo oft und vielfaͤl¬ tig ſieht, daß er an ihnen mehr Fehler wahr¬ nimt, als an ſeinem edlen, verſtaͤndigen, treuen Weibe. Und dann kommen die Augenblicke
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Vorſicht iſt am noͤthigſten gegen die feinern
Coketten zu beobachten, die, ohne eben Plane
auf Verletzung der Ehre zu haben, ihr Spiel¬
wert mit der Ruhe eines gefuͤhlvollen redlichen
Mannes treiben, und einen zweckloſen Triumpf
darinn ſuchen, ſchlafloſe Naͤchte zu verurſachen,
Thraͤnen zu veranlaſſen, und andrer Weiber
Neid zu erregen. Es giebt viel ſolcher eitlen
Damen, die, nicht immer durch boͤſes Herz
noch Temperament, aber wohl durch die raſende
Begierde ſtets zu glaͤnzen, allgemein zu gefal¬
len, getrieben, manche ſtille haͤusliche Ruhe
und den Frieden unter Eheleuten auf dieſe
Weiſe zerſtoͤhren. In reifern Jahren hinge¬
gen rathe ich die entgegengeſetzte Curart an.
Ein Mann von feſten Grundſaͤtzen, der ſeinem
Verſtande Rechenſchaft von den Gefuͤhlen ſei¬
nes Herzens giebt und dauerhaftes Gluͤck ſucht,
wird am leichteſten von den zu vortheilhaften
Begriffen, die er von fremden Perſonen in
Vergleichung mit ſeiner Gattinn gefaſſt hat, zu¬
ruͤckkommen, wenn er Jene ſo oft und vielfaͤl¬
tig ſieht, daß er an ihnen mehr Fehler wahr¬
nimt, als an ſeinem edlen, verſtaͤndigen, treuen
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/159>, abgerufen am 22.12.2024.
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