"Würde dem Erfinder gestattet, seine Entdeckung geheim zu halten; lange Jahre hindurch das factische Monopol zu be- wahren; seine Waare zu verkaufen und den Nutzen daraus zu beziehen, lediglich gestützt auf seine ausschliessliche und vor- zugsweise Kenntniss ihrer Fabrikation; demnächst aber, wenn ihm endlich die Gefahr der Concurrenz droht, ein Patent zu lösen, welches ihm das ausschliessliche Recht der Fabrikation sichert, so würde das Patent keinen andern Zweck haben, als für weitere 14 Jahre das einseitige Interesse des Fabrikanten zu sichern. Ein solches Verfahren würde den Fortschritt des Wissens und der Gewerbe erheblich beeinträchtigen und denen zum Gewinn gereichen, welche am längsten mit der Mittheilung ihrer Entdeckungen zögern."
Im Gegensatze zu dieser Auffassung erklärt Merlin (Re- pertoire; Brevet d'invention no. 6) jeden Gebrauch, welcher vor der Patentirung stattfindet, ohne dass das Geheimniss der Erfindung verrathen wird, für unschädlich. Er führt aus:
"Es steht nirgend geschrieben, dass der Erfinder durch den Gebrauch, welchen er von seinem Verfahren für seine eigene Rechnung und mit Geheimhaltung während beliebiger Zeit macht, den Anspruch auf die ausschliessliche Nutzung ver- wirkt. So lange er die Erfindung geheim hält, so lange er sie gebraucht, ohne dass das Publicum in ihren Zusammenhang eindringt, bleibt sein Eigenthum unversehrt und es steht ihm jederzeit frei, die gesetzlichen Mittel zu gebrauchen, um zu verhüten, dass sie in den öffentlichen Gebrauch übergeht."
Die continentalen Gesetzgebungen schliessen sich auch dem oben erläuterten Grundsatze des Englischen Patentrechtes nur zum Theil an. Dies ist der Fall in Oesterreich, wo nach der unten (S. 48 Note 1) angeführten Gesetzesstelle zum Begriff der Neuheit erfordert wird, dass die Erfindung im Inlande "nicht in Ausübung steht." Das unten angeführte Belgische Gesetz stellt nur den Ge- brauch durch einen Dritten dem Thatbestande der Veröffentli- chung gleich. Die übrigen Gesetzgebungen, namentlich die Preus- sische und die Französische, betrachten den Gebrauch nur als eine Art der Mittheilung und lassen folglich den unter Geheimhal- tung der Erfindung erfolgten Gebrauch unberücksichtigt.
Die Veröffentlichung der Erfindung vor der Patentirung schliesst den Patentschutz unbedingt aus, da eine bereits ver- öffentlichte Entdeckung nicht mehr als eine neue Erfindung
Gebrauch mit Geheimhaltung.
»Würde dem Erfinder gestattet, seine Entdeckung geheim zu halten; lange Jahre hindurch das factische Monopol zu be- wahren; seine Waare zu verkaufen und den Nutzen daraus zu beziehen, lediglich gestützt auf seine ausschliessliche und vor- zugsweise Kenntniss ihrer Fabrikation; demnächst aber, wenn ihm endlich die Gefahr der Concurrenz droht, ein Patent zu lösen, welches ihm das ausschliessliche Recht der Fabrikation sichert, so würde das Patent keinen andern Zweck haben, als für weitere 14 Jahre das einseitige Interesse des Fabrikanten zu sichern. Ein solches Verfahren würde den Fortschritt des Wissens und der Gewerbe erheblich beeinträchtigen und denen zum Gewinn gereichen, welche am längsten mit der Mittheilung ihrer Entdeckungen zögern.«
Im Gegensatze zu dieser Auffassung erklärt Merlin (Ré- pertoire; Brevet d’invention no. 6) jeden Gebrauch, welcher vor der Patentirung stattfindet, ohne dass das Geheimniss der Erfindung verrathen wird, für unschädlich. Er führt aus:
»Es steht nirgend geschrieben, dass der Erfinder durch den Gebrauch, welchen er von seinem Verfahren für seine eigene Rechnung und mit Geheimhaltung während beliebiger Zeit macht, den Anspruch auf die ausschliessliche Nutzung ver- wirkt. So lange er die Erfindung geheim hält, so lange er sie gebraucht, ohne dass das Publicum in ihren Zusammenhang eindringt, bleibt sein Eigenthum unversehrt und es steht ihm jederzeit frei, die gesetzlichen Mittel zu gebrauchen, um zu verhüten, dass sie in den öffentlichen Gebrauch übergeht.«
Die continentalen Gesetzgebungen schliessen sich auch dem oben erläuterten Grundsatze des Englischen Patentrechtes nur zum Theil an. Dies ist der Fall in Oesterreich, wo nach der unten (S. 48 Note 1) angeführten Gesetzesstelle zum Begriff der Neuheit erfordert wird, dass die Erfindung im Inlande »nicht in Ausübung steht.« Das unten angeführte Belgische Gesetz stellt nur den Ge- brauch durch einen Dritten dem Thatbestande der Veröffentli- chung gleich. Die übrigen Gesetzgebungen, namentlich die Preus- sische und die Französische, betrachten den Gebrauch nur als eine Art der Mittheilung und lassen folglich den unter Geheimhal- tung der Erfindung erfolgten Gebrauch unberücksichtigt.
Die Veröffentlichung der Erfindung vor der Patentirung schliesst den Patentschutz unbedingt aus, da eine bereits ver- öffentlichte Entdeckung nicht mehr als eine neue Erfindung
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Gebrauch mit Geheimhaltung.
»Würde dem Erfinder gestattet, seine Entdeckung geheim
zu halten; lange Jahre hindurch das factische Monopol zu be-
wahren; seine Waare zu verkaufen und den Nutzen daraus zu
beziehen, lediglich gestützt auf seine ausschliessliche und vor-
zugsweise Kenntniss ihrer Fabrikation; demnächst aber, wenn
ihm endlich die Gefahr der Concurrenz droht, ein Patent zu
lösen, welches ihm das ausschliessliche Recht der Fabrikation
sichert, so würde das Patent keinen andern Zweck haben, als
für weitere 14 Jahre das einseitige Interesse des Fabrikanten
zu sichern. Ein solches Verfahren würde den Fortschritt des
Wissens und der Gewerbe erheblich beeinträchtigen und denen
zum Gewinn gereichen, welche am längsten mit der Mittheilung
ihrer Entdeckungen zögern.«
Im Gegensatze zu dieser Auffassung erklärt Merlin (Ré-
pertoire; Brevet d’invention no. 6) jeden Gebrauch, welcher
vor der Patentirung stattfindet, ohne dass das Geheimniss der
Erfindung verrathen wird, für unschädlich. Er führt aus:
»Es steht nirgend geschrieben, dass der Erfinder durch
den Gebrauch, welchen er von seinem Verfahren für seine eigene
Rechnung und mit Geheimhaltung während beliebiger Zeit
macht, den Anspruch auf die ausschliessliche Nutzung ver-
wirkt. So lange er die Erfindung geheim hält, so lange er sie
gebraucht, ohne dass das Publicum in ihren Zusammenhang
eindringt, bleibt sein Eigenthum unversehrt und es steht ihm
jederzeit frei, die gesetzlichen Mittel zu gebrauchen, um zu
verhüten, dass sie in den öffentlichen Gebrauch übergeht.«
Die continentalen Gesetzgebungen schliessen sich auch dem
oben erläuterten Grundsatze des Englischen Patentrechtes nur
zum Theil an. Dies ist der Fall in Oesterreich, wo nach der unten
(S. 48 Note 1) angeführten Gesetzesstelle zum Begriff der Neuheit
erfordert wird, dass die Erfindung im Inlande »nicht in Ausübung
steht.« Das unten angeführte Belgische Gesetz stellt nur den Ge-
brauch durch einen Dritten dem Thatbestande der Veröffentli-
chung gleich. Die übrigen Gesetzgebungen, namentlich die Preus-
sische und die Französische, betrachten den Gebrauch nur als eine
Art der Mittheilung und lassen folglich den unter Geheimhal-
tung der Erfindung erfolgten Gebrauch unberücksichtigt.
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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/74>, abgerufen am 22.11.2024.
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