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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

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Einfluss auf das Ausland.
mes der Patentgesetzgebung finden, als auch bei den Regier-
ten, welche in diesem Grundsatz den sichersten Schutz gegen
büreaukratische Bevormundung und Willkür erblicken.

Diese Abneigung gegen alles obrigkeitliche Ermessen und
die gewaltsame Reaction gegen den auf allen Lebensverhält-
nissen lastenden Druck einer despotischen Verwaltung, welche
alle Gesetzgebungsacte der Revolutionszeit beherrschte, war
auch für das Patentgesetz des Jahres 1791 bestimmend und
in dieser tiefgehenden Strömung darf der hauptsächlichste, wenn
nicht der alleinige Grund gefunden werden, weshalb man. in
der Patentertheilung sich so weit von dem Muster der damals
so viel bewunderten Gesetzgebung des nordamerikanischen Frei-
staates entfernte und die Thätigkeit der patentertheilenden
Behörde mit Ausschluss jeder Art der Vorprüfung auf die
blosse Registrirung und Beurkundung des Gesuches beschränkte.

In der That fand das Misstrauen in die Einsicht und in
die Fähigkeit der Verwaltung wohl auf keinem Felde grössere
Nahrung, als auf dem Gebiete der Gewerbepolizei, welche wäh-
rend der beiden Jahrhunderte vor der Revolution in Frank-
reich das Beispiel des crassesten Zwanges und einer ebenso
kleinlichen als allumfassenden Bevormundung geboten hatte. Und
dieses Misstrauen hat nicht bloss, wie die Verhandlungen der
constituirenden Nationalversammlung ergeben, die Richtung des
ersten Französischen Patentgesetzes beeinflusst, sondern es ist bis
heute in dem Geiste der Nation lebendig geblieben und hat jeden
Versuch vereitelt, die offenbaren Schäden des reinen Anmel-
dungsprincips durch ein Vorprüfungs- oder Aufgebotsverfahren
zu beseitigen. Nicht bloss der gewaltige Wille des ersten
Consuls scheiterte in diesem Bestreben (vergl. unten §. 40 i. f.),
sondern auch alle spätern Vorschläge zu einer Reform der
Patentgesetzgebung in der angedeuteten Richtung wurden durch
den einmüthig ausgesprochenen Widerwillen gegen jede Art
der obrigkeitlichen Vorprüfung beseitigt.

Es ist deshalb für das Verständniss der Französischen
Patentgesetzgebung und ihres Entwicklungsganges wichtig, den
vor der Revolution bestandenen Rechtszustand kennen zu ler-
nen. Indem dabei auf dasjenige Bezug genommen wird, was
in der geschichtlichen Einleitung des ersten Bandes (S. 63 f.)
über den Zustand der älteren Französischen Gewerbegesetz-
gebung im Allgemeinen gesagt ist, sollen im Folgenden die

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Einfluss auf das Ausland.
mes der Patentgesetzgebung finden, als auch bei den Regier-
ten, welche in diesem Grundsatz den sichersten Schutz gegen
büreaukratische Bevormundung und Willkür erblicken.

Diese Abneigung gegen alles obrigkeitliche Ermessen und
die gewaltsame Reaction gegen den auf allen Lebensverhält-
nissen lastenden Druck einer despotischen Verwaltung, welche
alle Gesetzgebungsacte der Revolutionszeit beherrschte, war
auch für das Patentgesetz des Jahres 1791 bestimmend und
in dieser tiefgehenden Strömung darf der hauptsächlichste, wenn
nicht der alleinige Grund gefunden werden, weshalb man. in
der Patentertheilung sich so weit von dem Muster der damals
so viel bewunderten Gesetzgebung des nordamerikanischen Frei-
staates entfernte und die Thätigkeit der patentertheilenden
Behörde mit Ausschluss jeder Art der Vorprüfung auf die
blosse Registrirung und Beurkundung des Gesuches beschränkte.

In der That fand das Misstrauen in die Einsicht und in
die Fähigkeit der Verwaltung wohl auf keinem Felde grössere
Nahrung, als auf dem Gebiete der Gewerbepolizei, welche wäh-
rend der beiden Jahrhunderte vor der Revolution in Frank-
reich das Beispiel des crassesten Zwanges und einer ebenso
kleinlichen als allumfassenden Bevormundung geboten hatte. Und
dieses Misstrauen hat nicht bloss, wie die Verhandlungen der
constituirenden Nationalversammlung ergeben, die Richtung des
ersten Französischen Patentgesetzes beeinflusst, sondern es ist bis
heute in dem Geiste der Nation lebendig geblieben und hat jeden
Versuch vereitelt, die offenbaren Schäden des reinen Anmel-
dungsprincips durch ein Vorprüfungs- oder Aufgebotsverfahren
zu beseitigen. Nicht bloss der gewaltige Wille des ersten
Consuls scheiterte in diesem Bestreben (vergl. unten §. 40 i. f.),
sondern auch alle spätern Vorschläge zu einer Reform der
Patentgesetzgebung in der angedeuteten Richtung wurden durch
den einmüthig ausgesprochenen Widerwillen gegen jede Art
der obrigkeitlichen Vorprüfung beseitigt.

Es ist deshalb für das Verständniss der Französischen
Patentgesetzgebung und ihres Entwicklungsganges wichtig, den
vor der Revolution bestandenen Rechtszustand kennen zu ler-
nen. Indem dabei auf dasjenige Bezug genommen wird, was
in der geschichtlichen Einleitung des ersten Bandes (S. 63 f.)
über den Zustand der älteren Französischen Gewerbegesetz-
gebung im Allgemeinen gesagt ist, sollen im Folgenden die

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[289/0316] Einfluss auf das Ausland. mes der Patentgesetzgebung finden, als auch bei den Regier- ten, welche in diesem Grundsatz den sichersten Schutz gegen büreaukratische Bevormundung und Willkür erblicken. Diese Abneigung gegen alles obrigkeitliche Ermessen und die gewaltsame Reaction gegen den auf allen Lebensverhält- nissen lastenden Druck einer despotischen Verwaltung, welche alle Gesetzgebungsacte der Revolutionszeit beherrschte, war auch für das Patentgesetz des Jahres 1791 bestimmend und in dieser tiefgehenden Strömung darf der hauptsächlichste, wenn nicht der alleinige Grund gefunden werden, weshalb man. in der Patentertheilung sich so weit von dem Muster der damals so viel bewunderten Gesetzgebung des nordamerikanischen Frei- staates entfernte und die Thätigkeit der patentertheilenden Behörde mit Ausschluss jeder Art der Vorprüfung auf die blosse Registrirung und Beurkundung des Gesuches beschränkte. In der That fand das Misstrauen in die Einsicht und in die Fähigkeit der Verwaltung wohl auf keinem Felde grössere Nahrung, als auf dem Gebiete der Gewerbepolizei, welche wäh- rend der beiden Jahrhunderte vor der Revolution in Frank- reich das Beispiel des crassesten Zwanges und einer ebenso kleinlichen als allumfassenden Bevormundung geboten hatte. Und dieses Misstrauen hat nicht bloss, wie die Verhandlungen der constituirenden Nationalversammlung ergeben, die Richtung des ersten Französischen Patentgesetzes beeinflusst, sondern es ist bis heute in dem Geiste der Nation lebendig geblieben und hat jeden Versuch vereitelt, die offenbaren Schäden des reinen Anmel- dungsprincips durch ein Vorprüfungs- oder Aufgebotsverfahren zu beseitigen. Nicht bloss der gewaltige Wille des ersten Consuls scheiterte in diesem Bestreben (vergl. unten §. 40 i. f.), sondern auch alle spätern Vorschläge zu einer Reform der Patentgesetzgebung in der angedeuteten Richtung wurden durch den einmüthig ausgesprochenen Widerwillen gegen jede Art der obrigkeitlichen Vorprüfung beseitigt. Es ist deshalb für das Verständniss der Französischen Patentgesetzgebung und ihres Entwicklungsganges wichtig, den vor der Revolution bestandenen Rechtszustand kennen zu ler- nen. Indem dabei auf dasjenige Bezug genommen wird, was in der geschichtlichen Einleitung des ersten Bandes (S. 63 f.) über den Zustand der älteren Französischen Gewerbegesetz- gebung im Allgemeinen gesagt ist, sollen im Folgenden die 19

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/316>, abgerufen am 03.05.2024.