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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

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Einleitung.
indolentes Volk zu einem erfindungsreichen erhoben werden
könnte. Nicht die Gesetze schaffen die Bedingungen der Grösse
und der Blüthe der Staaten, sondern die Sitte, welche in den
Gesetzen ihren Ausdruck findet, und welche durch Gesetze
zwar bewahrt aber nicht erzeugt werden kann. Daher wird
stets dasjenige Volk an der Spitze des industriellen Fortschrit-
tes einhergehen, welches seine Industrie nicht in den ausgetre-
tenen Geleisen der Ueberlieferung oder auf der bequemen Bahn
der Nachahmung ausländischer Erzeugnisse fortführt, sondern
neue und eigene Wege zum Ziele aufsucht. Eine solche Nation
aber wird stets die Rechte des Erfinders hochhalten und in
dem Schutze derselben nicht ein Hemmniss sehen, welches den
Fortschritt der Gewerbe aufhält, sondern einen Sporn, sich wo-
möglich durch neue Erfindungen von der durch das Recht des
Erfinders bedingten Beschränkung zu befreien, und jede Erfin-
dung wird, noch ehe das ihrem Urheber gewährte Monopol er-
lischt, durch neuere und bessere Erfindungen abgelöst werden.
(Vergl. unten S. 166.)

Unter den Gegnern der Patentgesetzgebung begegnet man
häufig der Auffassung, dass unsre Industrie auf ihrem heutigen
Standpuncte eines Spornens zur Erfindung kaum mehr bedürfe.
Jede Erfindung gehe gewissermassen naturgemäss aus den vor-
hergegangenen Entdeckungen hervor und wenn im Fortschritt
der Gewerbe sich das Bedürfniss zu einer neuen technischen
Erfindung zeige, so sei sie auch schon da. Sie werde von zehn
und mehr Personen gemacht und es sei für das Allgemeine
ohne Werth, denjenigen zu begünstigen, welcher sie zuerst ge-
funden habe.

Diese gewissermassen naturhistorische Auffassung des Ent-
wickelungsganges der Menschheit, welche die Initiative des
Einzelnen und die schöpferische Kraft des Genies zurücktreten
lässt und alle Fortschritte der Civilisation aus dem Zusammen-
wirken unpersönlicher Ursachen erklären möchte, findet sich
auch auf andern Gebieten vertreten. Sie lässt Sagen und ganze
Gedichte, Religionen und Staatsformen, Erfindungen und Ent-
deckungen aus einem Volksbewusstsein hervorgehen, dem gegen-
über die Urheber jener geistigen Schöpfungen nur als die zu-
fälligen Organe gelten, die demjenigen Ausdruck geben, was
das Volksbewusstsein erkannt und erfasst hatte.

Allein diese Auffassung hat höchstens einen poetischen

Einleitung.
indolentes Volk zu einem erfindungsreichen erhoben werden
könnte. Nicht die Gesetze schaffen die Bedingungen der Grösse
und der Blüthe der Staaten, sondern die Sitte, welche in den
Gesetzen ihren Ausdruck findet, und welche durch Gesetze
zwar bewahrt aber nicht erzeugt werden kann. Daher wird
stets dasjenige Volk an der Spitze des industriellen Fortschrit-
tes einhergehen, welches seine Industrie nicht in den ausgetre-
tenen Geleisen der Ueberlieferung oder auf der bequemen Bahn
der Nachahmung ausländischer Erzeugnisse fortführt, sondern
neue und eigene Wege zum Ziele aufsucht. Eine solche Nation
aber wird stets die Rechte des Erfinders hochhalten und in
dem Schutze derselben nicht ein Hemmniss sehen, welches den
Fortschritt der Gewerbe aufhält, sondern einen Sporn, sich wo-
möglich durch neue Erfindungen von der durch das Recht des
Erfinders bedingten Beschränkung zu befreien, und jede Erfin-
dung wird, noch ehe das ihrem Urheber gewährte Monopol er-
lischt, durch neuere und bessere Erfindungen abgelöst werden.
(Vergl. unten S. 166.)

Unter den Gegnern der Patentgesetzgebung begegnet man
häufig der Auffassung, dass unsre Industrie auf ihrem heutigen
Standpuncte eines Spornens zur Erfindung kaum mehr bedürfe.
Jede Erfindung gehe gewissermassen naturgemäss aus den vor-
hergegangenen Entdeckungen hervor und wenn im Fortschritt
der Gewerbe sich das Bedürfniss zu einer neuen technischen
Erfindung zeige, so sei sie auch schon da. Sie werde von zehn
und mehr Personen gemacht und es sei für das Allgemeine
ohne Werth, denjenigen zu begünstigen, welcher sie zuerst ge-
funden habe.

Diese gewissermassen naturhistorische Auffassung des Ent-
wickelungsganges der Menschheit, welche die Initiative des
Einzelnen und die schöpferische Kraft des Genies zurücktreten
lässt und alle Fortschritte der Civilisation aus dem Zusammen-
wirken unpersönlicher Ursachen erklären möchte, findet sich
auch auf andern Gebieten vertreten. Sie lässt Sagen und ganze
Gedichte, Religionen und Staatsformen, Erfindungen und Ent-
deckungen aus einem Volksbewusstsein hervorgehen, dem gegen-
über die Urheber jener geistigen Schöpfungen nur als die zu-
fälligen Organe gelten, die demjenigen Ausdruck geben, was
das Volksbewusstsein erkannt und erfasst hatte.

Allein diese Auffassung hat höchstens einen poetischen

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[XVIII/0021] Einleitung. indolentes Volk zu einem erfindungsreichen erhoben werden könnte. Nicht die Gesetze schaffen die Bedingungen der Grösse und der Blüthe der Staaten, sondern die Sitte, welche in den Gesetzen ihren Ausdruck findet, und welche durch Gesetze zwar bewahrt aber nicht erzeugt werden kann. Daher wird stets dasjenige Volk an der Spitze des industriellen Fortschrit- tes einhergehen, welches seine Industrie nicht in den ausgetre- tenen Geleisen der Ueberlieferung oder auf der bequemen Bahn der Nachahmung ausländischer Erzeugnisse fortführt, sondern neue und eigene Wege zum Ziele aufsucht. Eine solche Nation aber wird stets die Rechte des Erfinders hochhalten und in dem Schutze derselben nicht ein Hemmniss sehen, welches den Fortschritt der Gewerbe aufhält, sondern einen Sporn, sich wo- möglich durch neue Erfindungen von der durch das Recht des Erfinders bedingten Beschränkung zu befreien, und jede Erfin- dung wird, noch ehe das ihrem Urheber gewährte Monopol er- lischt, durch neuere und bessere Erfindungen abgelöst werden. (Vergl. unten S. 166.) Unter den Gegnern der Patentgesetzgebung begegnet man häufig der Auffassung, dass unsre Industrie auf ihrem heutigen Standpuncte eines Spornens zur Erfindung kaum mehr bedürfe. Jede Erfindung gehe gewissermassen naturgemäss aus den vor- hergegangenen Entdeckungen hervor und wenn im Fortschritt der Gewerbe sich das Bedürfniss zu einer neuen technischen Erfindung zeige, so sei sie auch schon da. Sie werde von zehn und mehr Personen gemacht und es sei für das Allgemeine ohne Werth, denjenigen zu begünstigen, welcher sie zuerst ge- funden habe. Diese gewissermassen naturhistorische Auffassung des Ent- wickelungsganges der Menschheit, welche die Initiative des Einzelnen und die schöpferische Kraft des Genies zurücktreten lässt und alle Fortschritte der Civilisation aus dem Zusammen- wirken unpersönlicher Ursachen erklären möchte, findet sich auch auf andern Gebieten vertreten. Sie lässt Sagen und ganze Gedichte, Religionen und Staatsformen, Erfindungen und Ent- deckungen aus einem Volksbewusstsein hervorgehen, dem gegen- über die Urheber jener geistigen Schöpfungen nur als die zu- fälligen Organe gelten, die demjenigen Ausdruck geben, was das Volksbewusstsein erkannt und erfasst hatte. Allein diese Auffassung hat höchstens einen poetischen

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. XVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/21>, abgerufen am 22.11.2024.