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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

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Einleitung.

Seit kurzer Zeit, im Laufe des gegenwärtigen Jahrzehntes,
ist eine Wendung in der öffentlichen Stimmung eingetreten, in
Folge deren zahlreiche und darunter einige sehr gewichtige
Stimmen laut geworden sind, welche die vollständige Ab-
schaffung der Erfindungspatente fordern. Man behauptet, das
Bestehen derselben sei unverträglich mit der freien Bewe-
gung der Gewerbthätigkeit. Es halte die Fortschritte der In-
dustrie auf, statt dieselben zu fördern. Der Anspruch des Er-
finders auf das Monopol seiner Erfindung sei rechtlich unhalt-
bar. Die Erfindung sei bei dem heutigen Stande der Industrie
nicht das Werk eines Mannes, sondern die reife Frucht der
ganzen industriellen Entwickelung. Die Belohnung dagegen,
welche durch das Patent gewährt werden solle, falle demjeni-
gen zu, welcher sich zufällig zuerst dieser Idee bemächtige,
während die Männer der Wissenschaft, aus deren Arbeiten die-
selbe hervorgegangen sei, unbelohnt ausgehen.

Man würde sehr fehlgreifen, wenn man diese Wendung
in den Anschauungen lediglich einer vorübergehenden Strömung
der Meinungen zuschreiben oder sie etwa bloss dem Erfolge
einer durch ihre Neuheit bestechenden und durch ihren negativen
Inhalt ansprechenden Theorie zuschreiben wollte. Wohl mag
es auf Viele einen Reiz ausüben, anders zu denken, als die
Jahrhunderte vor ihnen. Wohl mag auch so Mancher, der von
der Nothwendigkeit und von den Schwierigkeiten einer Reform
unsrer Patentgesetzgebung ernstlich durchdrungen ist, ihm selbst
unbewusst dazu neigen, derjenigen Auffassung Beifall zu schen-
ken, die alle diese Noth und diese Schwierigkeit durch die ein-
fache Abschaffung der Erfindungspatente beseitigt. Die Ursache
der gegen die Patentgesetzgebung erhobenen Agitation und ihrer
wachsenden Zunahme liegt dennoch in den Dingen selbst, sie
beruht auf der durchgreifenden und umfassenden Umwälzung,
welche unsre internationalen Verkehrsverhältnisse im Laufe der
letzten Jahrzehnte durch den Freihandel, durch die Seedampf-
schifffahrt und durch die Eisenbahnen erfahren haben.

Vor einem Menschenalter noch war es selten, dass einem
Industriestaate innerhalb seiner eigenen Grenzen durch die In-
dustrie eines Nachbarstaates Concurrenz gemacht wurde. Es
gab Staaten, welche ihren Markt in einigen oder selbst in
allen Zweigen der Industrie von andern Nationen versorgen
liessen. Die gewerbtreibenden Staaten aber duldeten in den-

Einleitung.

Seit kurzer Zeit, im Laufe des gegenwärtigen Jahrzehntes,
ist eine Wendung in der öffentlichen Stimmung eingetreten, in
Folge deren zahlreiche und darunter einige sehr gewichtige
Stimmen laut geworden sind, welche die vollständige Ab-
schaffung der Erfindungspatente fordern. Man behauptet, das
Bestehen derselben sei unverträglich mit der freien Bewe-
gung der Gewerbthätigkeit. Es halte die Fortschritte der In-
dustrie auf, statt dieselben zu fördern. Der Anspruch des Er-
finders auf das Monopol seiner Erfindung sei rechtlich unhalt-
bar. Die Erfindung sei bei dem heutigen Stande der Industrie
nicht das Werk eines Mannes, sondern die reife Frucht der
ganzen industriellen Entwickelung. Die Belohnung dagegen,
welche durch das Patent gewährt werden solle, falle demjeni-
gen zu, welcher sich zufällig zuerst dieser Idee bemächtige,
während die Männer der Wissenschaft, aus deren Arbeiten die-
selbe hervorgegangen sei, unbelohnt ausgehen.

Man würde sehr fehlgreifen, wenn man diese Wendung
in den Anschauungen lediglich einer vorübergehenden Strömung
der Meinungen zuschreiben oder sie etwa bloss dem Erfolge
einer durch ihre Neuheit bestechenden und durch ihren negativen
Inhalt ansprechenden Theorie zuschreiben wollte. Wohl mag
es auf Viele einen Reiz ausüben, anders zu denken, als die
Jahrhunderte vor ihnen. Wohl mag auch so Mancher, der von
der Nothwendigkeit und von den Schwierigkeiten einer Reform
unsrer Patentgesetzgebung ernstlich durchdrungen ist, ihm selbst
unbewusst dazu neigen, derjenigen Auffassung Beifall zu schen-
ken, die alle diese Noth und diese Schwierigkeit durch die ein-
fache Abschaffung der Erfindungspatente beseitigt. Die Ursache
der gegen die Patentgesetzgebung erhobenen Agitation und ihrer
wachsenden Zunahme liegt dennoch in den Dingen selbst, sie
beruht auf der durchgreifenden und umfassenden Umwälzung,
welche unsre internationalen Verkehrsverhältnisse im Laufe der
letzten Jahrzehnte durch den Freihandel, durch die Seedampf-
schifffahrt und durch die Eisenbahnen erfahren haben.

Vor einem Menschenalter noch war es selten, dass einem
Industriestaate innerhalb seiner eigenen Grenzen durch die In-
dustrie eines Nachbarstaates Concurrenz gemacht wurde. Es
gab Staaten, welche ihren Markt in einigen oder selbst in
allen Zweigen der Industrie von andern Nationen versorgen
liessen. Die gewerbtreibenden Staaten aber duldeten in den-

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[XIV/0017] Einleitung. Seit kurzer Zeit, im Laufe des gegenwärtigen Jahrzehntes, ist eine Wendung in der öffentlichen Stimmung eingetreten, in Folge deren zahlreiche und darunter einige sehr gewichtige Stimmen laut geworden sind, welche die vollständige Ab- schaffung der Erfindungspatente fordern. Man behauptet, das Bestehen derselben sei unverträglich mit der freien Bewe- gung der Gewerbthätigkeit. Es halte die Fortschritte der In- dustrie auf, statt dieselben zu fördern. Der Anspruch des Er- finders auf das Monopol seiner Erfindung sei rechtlich unhalt- bar. Die Erfindung sei bei dem heutigen Stande der Industrie nicht das Werk eines Mannes, sondern die reife Frucht der ganzen industriellen Entwickelung. Die Belohnung dagegen, welche durch das Patent gewährt werden solle, falle demjeni- gen zu, welcher sich zufällig zuerst dieser Idee bemächtige, während die Männer der Wissenschaft, aus deren Arbeiten die- selbe hervorgegangen sei, unbelohnt ausgehen. Man würde sehr fehlgreifen, wenn man diese Wendung in den Anschauungen lediglich einer vorübergehenden Strömung der Meinungen zuschreiben oder sie etwa bloss dem Erfolge einer durch ihre Neuheit bestechenden und durch ihren negativen Inhalt ansprechenden Theorie zuschreiben wollte. Wohl mag es auf Viele einen Reiz ausüben, anders zu denken, als die Jahrhunderte vor ihnen. Wohl mag auch so Mancher, der von der Nothwendigkeit und von den Schwierigkeiten einer Reform unsrer Patentgesetzgebung ernstlich durchdrungen ist, ihm selbst unbewusst dazu neigen, derjenigen Auffassung Beifall zu schen- ken, die alle diese Noth und diese Schwierigkeit durch die ein- fache Abschaffung der Erfindungspatente beseitigt. Die Ursache der gegen die Patentgesetzgebung erhobenen Agitation und ihrer wachsenden Zunahme liegt dennoch in den Dingen selbst, sie beruht auf der durchgreifenden und umfassenden Umwälzung, welche unsre internationalen Verkehrsverhältnisse im Laufe der letzten Jahrzehnte durch den Freihandel, durch die Seedampf- schifffahrt und durch die Eisenbahnen erfahren haben. Vor einem Menschenalter noch war es selten, dass einem Industriestaate innerhalb seiner eigenen Grenzen durch die In- dustrie eines Nachbarstaates Concurrenz gemacht wurde. Es gab Staaten, welche ihren Markt in einigen oder selbst in allen Zweigen der Industrie von andern Nationen versorgen liessen. Die gewerbtreibenden Staaten aber duldeten in den-

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. XIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/17>, abgerufen am 25.11.2024.