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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

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II. Verfahren. §. 10. Prüfung.
der angemeldeten Erfindung nicht geprüft werden. Das nach
gesuchte Patent wird vielmehr ertheilt auch wenn die ange-
meldete Erfindung zu den im Art. 30 Nr. 3 & 4 bezeichneten
nicht patentfähigen Gegenständen gehört. Es werden daher in
Frankreich jährlich Patente auf die Quadratur des Cirkels oder
auf das Perpetuum mobile nachgesucht und auch ertheilt1)
und die Patentertheilung würde auch in dem Falle nicht ver-
sagt werden können, wenn der Gegenstand des Patentes gegen
die Gesetze und die guten Sitten verstiesse oder die öffentliche
Sicherheit gefährdete (Art. 30 Nr. 4).

Die Grenze, welche die Französische Gesetzgebung in
den hier erläuterten Vorschriften für die Prüfung der Patent-
gesetze zieht, ist weder zweckmässig noch folgerichtig gezogen.
In der That wurden bei der Berathung des Gesetzes vom 5.
Juli 1844 der Deputirtenkammer die Bestimmungen der Art. 11
und 12 lebhaft bekämpft und es wurde beantragt im Eingange
des Art. 11: "Les brevets, dont la demande aura ete regulie-
rement formee,
seront delivres sans examen prealable."
das Wort regulierement zu streichen, indem Marie und Beth-
mont behaupteten, dass durch diesen Zusatz und durch
die in den Art. 12 und 13 vorgesehene Zurückweisung der
nicht vorschriftsmässig eingerichteten Gesuche der ganze Miss-
brauch der Vorprüfung wieder eingeführt werde2). Die ange-
fochtenen Vorschriften wurden indess beibehalten und es muss
behauptet werden, dass es in der That zu absurden Consequen-
zen führen würde, wenn die patentertheilende Behörde auf je-
des wie immer beschaffene Gesuch für jeden beliebigen Gegen-

1) Arago oeuvres completes tom. 6 p. 677: "Tous les ans, et
d'ordinaire an retour du printemps un certain nombre de cerveaux
malades croient avoir fait des decouvertes; ils pretendent avoir trouve
la quadrature du cercle, la trissection de l'angle, le mouvement per-
petuel etc., toutes questions insolubles et qui en supposant qu'elles
fussent resolues n'ameneraient pas un centime dans la poche des in-
venteurs. Eh bien ces pretendues inventions deviennent
sans hesitation l'objet de brevets d'invention
. Leurs mal-
heureux auteurs vendent leur mobilier, leurs effets, leurs outils pour
avoir ce brevet qui leur coutait jadis 500 fr., 1500 fr., qui leur coute
encore aujourd'hui une somme annuelle de 100 francs et dont il est
evident quils ne pourront tirer aucun parti utile."
2) Renouard, Traite des brevets d'invention. Paris 1865 p. 382.

II. Verfahren. §. 10. Prüfung.
der angemeldeten Erfindung nicht geprüft werden. Das nach
gesuchte Patent wird vielmehr ertheilt auch wenn die ange-
meldete Erfindung zu den im Art. 30 Nr. 3 & 4 bezeichneten
nicht patentfähigen Gegenständen gehört. Es werden daher in
Frankreich jährlich Patente auf die Quadratur des Cirkels oder
auf das Perpetuum mobile nachgesucht und auch ertheilt1)
und die Patentertheilung würde auch in dem Falle nicht ver-
sagt werden können, wenn der Gegenstand des Patentes gegen
die Gesetze und die guten Sitten verstiesse oder die öffentliche
Sicherheit gefährdete (Art. 30 Nr. 4).

Die Grenze, welche die Französische Gesetzgebung in
den hier erläuterten Vorschriften für die Prüfung der Patent-
gesetze zieht, ist weder zweckmässig noch folgerichtig gezogen.
In der That wurden bei der Berathung des Gesetzes vom 5.
Juli 1844 der Deputirtenkammer die Bestimmungen der Art. 11
und 12 lebhaft bekämpft und es wurde beantragt im Eingange
des Art. 11: »Les brevets, dont la demande aura été réguliè-
rement formée,
seront délivrés sans examen préalable.«
das Wort régulièrement zu streichen, indem Marie und Beth-
mont behaupteten, dass durch diesen Zusatz und durch
die in den Art. 12 und 13 vorgesehene Zurückweisung der
nicht vorschriftsmässig eingerichteten Gesuche der ganze Miss-
brauch der Vorprüfung wieder eingeführt werde2). Die ange-
fochtenen Vorschriften wurden indess beibehalten und es muss
behauptet werden, dass es in der That zu absurden Consequen-
zen führen würde, wenn die patentertheilende Behörde auf je-
des wie immer beschaffene Gesuch für jeden beliebigen Gegen-

1) Arago oeuvres complètes tom. 6 p. 677: »Tous les ans, et
d’ordinaire an retour du printemps un certain nombre de cerveaux
malades croient avoir fait des découvertes; ils prétendent avoir trouvé
la quadrature du cercle, la trissection de l’angle, le mouvement per-
pétuel etc., toutes questions insolubles et qui en supposant qu’elles
fussent résolues n’amèneraient pas un centime dans la poche des in-
venteurs. Eh bien ces prétendues inventions deviennent
sans hésitation l’objet de brevets d’invention
. Leurs mal-
heureux auteurs vendent leur mobilier, leurs effets, leurs outils pour
avoir ce brevet qui leur coutait jadis 500 fr., 1500 fr., qui leur coute
encore aujourd’hui une somme annuelle de 100 francs et dont il est
évident quils ne pourront tirer aucun parti utile.«
2) Renouard, Traité des brevets d’invention. Paris 1865 p. 382.
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[100/0127] II. Verfahren. §. 10. Prüfung. der angemeldeten Erfindung nicht geprüft werden. Das nach gesuchte Patent wird vielmehr ertheilt auch wenn die ange- meldete Erfindung zu den im Art. 30 Nr. 3 & 4 bezeichneten nicht patentfähigen Gegenständen gehört. Es werden daher in Frankreich jährlich Patente auf die Quadratur des Cirkels oder auf das Perpetuum mobile nachgesucht und auch ertheilt 1) und die Patentertheilung würde auch in dem Falle nicht ver- sagt werden können, wenn der Gegenstand des Patentes gegen die Gesetze und die guten Sitten verstiesse oder die öffentliche Sicherheit gefährdete (Art. 30 Nr. 4). Die Grenze, welche die Französische Gesetzgebung in den hier erläuterten Vorschriften für die Prüfung der Patent- gesetze zieht, ist weder zweckmässig noch folgerichtig gezogen. In der That wurden bei der Berathung des Gesetzes vom 5. Juli 1844 der Deputirtenkammer die Bestimmungen der Art. 11 und 12 lebhaft bekämpft und es wurde beantragt im Eingange des Art. 11: »Les brevets, dont la demande aura été réguliè- rement formée, seront délivrés sans examen préalable.« das Wort régulièrement zu streichen, indem Marie und Beth- mont behaupteten, dass durch diesen Zusatz und durch die in den Art. 12 und 13 vorgesehene Zurückweisung der nicht vorschriftsmässig eingerichteten Gesuche der ganze Miss- brauch der Vorprüfung wieder eingeführt werde 2). Die ange- fochtenen Vorschriften wurden indess beibehalten und es muss behauptet werden, dass es in der That zu absurden Consequen- zen führen würde, wenn die patentertheilende Behörde auf je- des wie immer beschaffene Gesuch für jeden beliebigen Gegen- 1) Arago oeuvres complètes tom. 6 p. 677: »Tous les ans, et d’ordinaire an retour du printemps un certain nombre de cerveaux malades croient avoir fait des découvertes; ils prétendent avoir trouvé la quadrature du cercle, la trissection de l’angle, le mouvement per- pétuel etc., toutes questions insolubles et qui en supposant qu’elles fussent résolues n’amèneraient pas un centime dans la poche des in- venteurs. Eh bien ces prétendues inventions deviennent sans hésitation l’objet de brevets d’invention. Leurs mal- heureux auteurs vendent leur mobilier, leurs effets, leurs outils pour avoir ce brevet qui leur coutait jadis 500 fr., 1500 fr., qui leur coute encore aujourd’hui une somme annuelle de 100 francs et dont il est évident quils ne pourront tirer aucun parti utile.« 2) Renouard, Traité des brevets d’invention. Paris 1865 p. 382.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/127>, abgerufen am 24.11.2024.