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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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II. Geschichte des geistigen Eigenthumes. §. 7. Neuere Zeit.

Der Geist und die Tragweite dieser Bestimmungen ist viel-
fach verkannt worden. Es ist zunächst unrichtig, wenn ge-
wöhnlich behauptet wird, das Allg. Landrecht habe nur den
Schutz des Verlegers im Auge, da es vielmehr im §. 998 das
Verlagsrecht ausdrücklich auf den Verfasser zurückführt und
im §. 1297 Th. II Tit. 20 ausdrücklich auch den Selbstverlag
des Verfassers erwähnt. Die im §. 996 gegebene Definition
des Verlagsrechtes entspricht dem Begriffe des literarischen
Eigenthumes. Sie passt nicht bloss auf das abgeleitete Recht
des Verlegers, sondern auf das ausschliessliche Vervielfältigungs-
recht des Verfassers, welches nach §. 998 erst durch schrift-
lichen Vertrag auf den Verleger übertragen wird.1) Es war
deshalb ohne den geringsten Zwang möglich, das Nachdruck-
verbot der §§. 1034 ff. auch auf den unbefugten Abdruck noch
ungedruckter Schriften zu beziehen. Der Rechtsschutz des
schriftstellerischen Eigenthumes ist also im Allgem. Landrecht
unter den continentalen Gesetzgebungen zuerst2) im Princip
und in seiner Allgemeinheit anerkannt, wenn auch in der
Durchführung dieses Principes insofern eine Inconsequenz be-
gangen ist, als in den §§. 1029--1032 Th. I Tit. 11, auch
der Wiederabdruck eines Buches, an welchem kein Verlags-
recht mehr besteht, gegen Nachdruck geschützt wird.

Auf der andern Seite ist im Allgemeinen Landrecht zuerst
der Rechtsschutz des geistigen Eigenthumes über die Grenzen
des eigenen Staates auf alle Länder des deutschen Reiches
ausgedehnt, ja unter gewissen Beschränkungen auch für das
Ausland ausgesprochen. Es würde nur der Annahme derselben
Bestimmungen in den übrigen Staaten bedurft haben, um sofort

stehenden Grundsätzen unerlaubt ist, dennoch nachdruckt, muss den
rechtmässigen Verleger entschädigen.
§. 1036. Uebrigens sollen unerlaubte Nachdrucke in hiesige Lande
bei Vermeidung der Confiscation nicht eingeführt und unbefugte Nach-
drucker nach näherer Bestimmung des Criminalrechts ernstlich bestraft
werden (Th. 2 Tit. 20 Abschn. 14 [lies 15]).
1) Vergl. das Erkenntniss des Obertribunals vom 1. Juni 1859,
Goltdammers Archiv Bd. 7 S. 471; ferner die bei Bornemann, System
Bd. III S. 351 mitgetheilte Erinnerung Suarez's: Das Recht des Schrift-
stellers an seinem Werke gehöre in die Lehre vom Eigenthume.
2) Das Allg. Landrecht ist zwar später promulgirt als das fran-
zösische Gesetz vom 19. Juli 1793. Allein seine Redaction war be-
kanntlich schon im Jahre 1792 vollendet.
II. Geschichte des geistigen Eigenthumes. §. 7. Neuere Zeit.

Der Geist und die Tragweite dieser Bestimmungen ist viel-
fach verkannt worden. Es ist zunächst unrichtig, wenn ge-
wöhnlich behauptet wird, das Allg. Landrecht habe nur den
Schutz des Verlegers im Auge, da es vielmehr im §. 998 das
Verlagsrecht ausdrücklich auf den Verfasser zurückführt und
im §. 1297 Th. II Tit. 20 ausdrücklich auch den Selbstverlag
des Verfassers erwähnt. Die im §. 996 gegebene Definition
des Verlagsrechtes entspricht dem Begriffe des literarischen
Eigenthumes. Sie passt nicht bloss auf das abgeleitete Recht
des Verlegers, sondern auf das ausschliessliche Vervielfältigungs-
recht des Verfassers, welches nach §. 998 erst durch schrift-
lichen Vertrag auf den Verleger übertragen wird.1) Es war
deshalb ohne den geringsten Zwang möglich, das Nachdruck-
verbot der §§. 1034 ff. auch auf den unbefugten Abdruck noch
ungedruckter Schriften zu beziehen. Der Rechtsschutz des
schriftstellerischen Eigenthumes ist also im Allgem. Landrecht
unter den continentalen Gesetzgebungen zuerst2) im Princip
und in seiner Allgemeinheit anerkannt, wenn auch in der
Durchführung dieses Principes insofern eine Inconsequenz be-
gangen ist, als in den §§. 1029—1032 Th. I Tit. 11, auch
der Wiederabdruck eines Buches, an welchem kein Verlags-
recht mehr besteht, gegen Nachdruck geschützt wird.

Auf der andern Seite ist im Allgemeinen Landrecht zuerst
der Rechtsschutz des geistigen Eigenthumes über die Grenzen
des eigenen Staates auf alle Länder des deutschen Reiches
ausgedehnt, ja unter gewissen Beschränkungen auch für das
Ausland ausgesprochen. Es würde nur der Annahme derselben
Bestimmungen in den übrigen Staaten bedurft haben, um sofort

stehenden Grundsätzen unerlaubt ist, dennoch nachdruckt, muss den
rechtmässigen Verleger entschädigen.
§. 1036. Uebrigens sollen unerlaubte Nachdrucke in hiesige Lande
bei Vermeidung der Confiscation nicht eingeführt und unbefugte Nach-
drucker nach näherer Bestimmung des Criminalrechts ernstlich bestraft
werden (Th. 2 Tit. 20 Abschn. 14 [lies 15]).
1) Vergl. das Erkenntniss des Obertribunals vom 1. Juni 1859,
Goltdammers Archiv Bd. 7 S. 471; ferner die bei Bornemann, System
Bd. III S. 351 mitgetheilte Erinnerung Suarez’s: Das Recht des Schrift-
stellers an seinem Werke gehöre in die Lehre vom Eigenthume.
2) Das Allg. Landrecht ist zwar später promulgirt als das fran-
zösische Gesetz vom 19. Juli 1793. Allein seine Redaction war be-
kanntlich schon im Jahre 1792 vollendet.
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[48/0064] II. Geschichte des geistigen Eigenthumes. §. 7. Neuere Zeit. Der Geist und die Tragweite dieser Bestimmungen ist viel- fach verkannt worden. Es ist zunächst unrichtig, wenn ge- wöhnlich behauptet wird, das Allg. Landrecht habe nur den Schutz des Verlegers im Auge, da es vielmehr im §. 998 das Verlagsrecht ausdrücklich auf den Verfasser zurückführt und im §. 1297 Th. II Tit. 20 ausdrücklich auch den Selbstverlag des Verfassers erwähnt. Die im §. 996 gegebene Definition des Verlagsrechtes entspricht dem Begriffe des literarischen Eigenthumes. Sie passt nicht bloss auf das abgeleitete Recht des Verlegers, sondern auf das ausschliessliche Vervielfältigungs- recht des Verfassers, welches nach §. 998 erst durch schrift- lichen Vertrag auf den Verleger übertragen wird. 1) Es war deshalb ohne den geringsten Zwang möglich, das Nachdruck- verbot der §§. 1034 ff. auch auf den unbefugten Abdruck noch ungedruckter Schriften zu beziehen. Der Rechtsschutz des schriftstellerischen Eigenthumes ist also im Allgem. Landrecht unter den continentalen Gesetzgebungen zuerst 2) im Princip und in seiner Allgemeinheit anerkannt, wenn auch in der Durchführung dieses Principes insofern eine Inconsequenz be- gangen ist, als in den §§. 1029—1032 Th. I Tit. 11, auch der Wiederabdruck eines Buches, an welchem kein Verlags- recht mehr besteht, gegen Nachdruck geschützt wird. Auf der andern Seite ist im Allgemeinen Landrecht zuerst der Rechtsschutz des geistigen Eigenthumes über die Grenzen des eigenen Staates auf alle Länder des deutschen Reiches ausgedehnt, ja unter gewissen Beschränkungen auch für das Ausland ausgesprochen. Es würde nur der Annahme derselben Bestimmungen in den übrigen Staaten bedurft haben, um sofort 1) 1) Vergl. das Erkenntniss des Obertribunals vom 1. Juni 1859, Goltdammers Archiv Bd. 7 S. 471; ferner die bei Bornemann, System Bd. III S. 351 mitgetheilte Erinnerung Suarez’s: Das Recht des Schrift- stellers an seinem Werke gehöre in die Lehre vom Eigenthume. 2) Das Allg. Landrecht ist zwar später promulgirt als das fran- zösische Gesetz vom 19. Juli 1793. Allein seine Redaction war be- kanntlich schon im Jahre 1792 vollendet. 1) stehenden Grundsätzen unerlaubt ist, dennoch nachdruckt, muss den rechtmässigen Verleger entschädigen. §. 1036. Uebrigens sollen unerlaubte Nachdrucke in hiesige Lande bei Vermeidung der Confiscation nicht eingeführt und unbefugte Nach- drucker nach näherer Bestimmung des Criminalrechts ernstlich bestraft werden (Th. 2 Tit. 20 Abschn. 14 [lies 15]).

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/64>, abgerufen am 24.11.2024.