Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.II. Geschichte des geistigen Eigenthumes. §. 6. Aeltere Zeit. Hand der Zünfte, welche die mittelalterliche Form der As-sociation der freien Arbeit darstellen. Die Geschlossenheit der Zünfte beruhte neben andern Ursachen auf dem Bedürfnisse eines Schutzes für das geistige Eigenthum. Die Verbesserungen, welche ein Zunftgenosse seinem Gewerbe hinzufügte, wurden Eigenthum der Zunft und von der eifersüchtigen Wachsamkeit dieser Corporationen sorgfältiger behütet, als dies durch irgend eine Form des modernen Patentschutzes möglich wäre. So sammelte sich in den Bauhütten des Mittelalters unter dem Schutze eines durch mystische Formen geheiligten Verbandes ein Schatz künstlerischer und technischer Erfahrungen, der al- len Gliedern des Verbandes gemeinsam, jedem Uneingeweihten verschlossen blieb und deshalb mit dem Zerfalle der Bauhütten grossentheils verloren gehen konnte. Das geistige Eigenthum auf dem Gebiete der Wissenschaft, Die Erfindung der Buchdruckerkunst war viel- II. Geschichte des geistigen Eigenthumes. §. 6. Aeltere Zeit. Hand der Zünfte, welche die mittelalterliche Form der As-sociation der freien Arbeit darstellen. Die Geschlossenheit der Zünfte beruhte neben andern Ursachen auf dem Bedürfnisse eines Schutzes für das geistige Eigenthum. Die Verbesserungen, welche ein Zunftgenosse seinem Gewerbe hinzufügte, wurden Eigenthum der Zunft und von der eifersüchtigen Wachsamkeit dieser Corporationen sorgfältiger behütet, als dies durch irgend eine Form des modernen Patentschutzes möglich wäre. So sammelte sich in den Bauhütten des Mittelalters unter dem Schutze eines durch mystische Formen geheiligten Verbandes ein Schatz künstlerischer und technischer Erfahrungen, der al- len Gliedern des Verbandes gemeinsam, jedem Uneingeweihten verschlossen blieb und deshalb mit dem Zerfalle der Bauhütten grossentheils verloren gehen konnte. Das geistige Eigenthum auf dem Gebiete der Wissenschaft, Die Erfindung der Buchdruckerkunst war viel- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0056" n="40"/><fw place="top" type="header">II. Geschichte des geistigen Eigenthumes. §. 6. Aeltere Zeit.</fw><lb/> Hand der <hi rendition="#g">Zünfte,</hi> welche die mittelalterliche Form der As-<lb/> sociation der freien Arbeit darstellen. Die Geschlossenheit der<lb/> Zünfte beruhte neben andern Ursachen auf dem Bedürfnisse<lb/> eines Schutzes für das geistige Eigenthum. Die Verbesserungen,<lb/> welche ein Zunftgenosse seinem Gewerbe hinzufügte, wurden<lb/> Eigenthum der Zunft und von der eifersüchtigen Wachsamkeit<lb/> dieser Corporationen sorgfältiger behütet, als dies durch irgend<lb/> eine Form des modernen Patentschutzes möglich wäre. So<lb/> sammelte sich in den Bauhütten des Mittelalters unter dem<lb/> Schutze eines durch mystische Formen geheiligten Verbandes<lb/> ein Schatz künstlerischer und technischer Erfahrungen, der al-<lb/> len Gliedern des Verbandes gemeinsam, jedem Uneingeweihten<lb/> verschlossen blieb und deshalb mit dem Zerfalle der Bauhütten<lb/> grossentheils verloren gehen konnte.</p><lb/> <p>Das geistige Eigenthum auf dem Gebiete der Wissenschaft,<lb/> der Kunst und der Technik zeigt sich also im Mittelalter nicht<lb/> geschützt in der Person des Einzelnen, sondern im Besitze der<lb/> Kirche, der Universitäten und der Zünfte, jener grossen und<lb/> kleinen Körperschaften, die eine so allumfassende Bedeutung<lb/> hatten in einer Zeit, da der Einzelne als Individuum recht-<lb/> und schutzlos dastand und nur im Anschluss an eine dieser<lb/> Vereinigungen Sicherheit und Geltung finden konnte.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Erfindung der Buchdruckerkunst</hi> war viel-<lb/> leicht der mächtigste der Hebel, durch deren vereinte Wirkung<lb/> die geschlossene Organisation der Stände gebrochen, ein öffent-<lb/> liches Leben und in ihm die individuelle Freiheit heraufgeführt<lb/> wurde, auf welcher die moderne Gesellschaft beruht. Durch<lb/> die Typen wurde es möglich, dass Einer zu Vielen sprach,<lb/> ohne dieselben in dem geschlossenen Verbande einer Schule<lb/> oder Kirche zu versammeln und den Einlass durch die ortho-<lb/> doxe oder zünftige Thüre zu gewinnen. Es half nicht mehr,<lb/> die Lehren eines Luther und eines Galilei offiziell zu verdam-<lb/> men, seit die Buchdruckerpresse ihnen Zugang zu dem Hause<lb/> jedes Gebildeten zu verschaffen wusste. Es half nicht mehr,<lb/> die alten Körperschaften der Universitäten und der Kirche zu<lb/> beherrschen, seit die neue Macht der Presse die ganze Nation<lb/> zn einer Gemeinschaft des Denkens, des Glaubens und des<lb/> Handelns umzuschaffen bemüht war. Die Erfindung der Buch-<lb/> druckerkunst, welche der geistigen Arbeit eine so gewaltige<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [40/0056]
II. Geschichte des geistigen Eigenthumes. §. 6. Aeltere Zeit.
Hand der Zünfte, welche die mittelalterliche Form der As-
sociation der freien Arbeit darstellen. Die Geschlossenheit der
Zünfte beruhte neben andern Ursachen auf dem Bedürfnisse
eines Schutzes für das geistige Eigenthum. Die Verbesserungen,
welche ein Zunftgenosse seinem Gewerbe hinzufügte, wurden
Eigenthum der Zunft und von der eifersüchtigen Wachsamkeit
dieser Corporationen sorgfältiger behütet, als dies durch irgend
eine Form des modernen Patentschutzes möglich wäre. So
sammelte sich in den Bauhütten des Mittelalters unter dem
Schutze eines durch mystische Formen geheiligten Verbandes
ein Schatz künstlerischer und technischer Erfahrungen, der al-
len Gliedern des Verbandes gemeinsam, jedem Uneingeweihten
verschlossen blieb und deshalb mit dem Zerfalle der Bauhütten
grossentheils verloren gehen konnte.
Das geistige Eigenthum auf dem Gebiete der Wissenschaft,
der Kunst und der Technik zeigt sich also im Mittelalter nicht
geschützt in der Person des Einzelnen, sondern im Besitze der
Kirche, der Universitäten und der Zünfte, jener grossen und
kleinen Körperschaften, die eine so allumfassende Bedeutung
hatten in einer Zeit, da der Einzelne als Individuum recht-
und schutzlos dastand und nur im Anschluss an eine dieser
Vereinigungen Sicherheit und Geltung finden konnte.
Die Erfindung der Buchdruckerkunst war viel-
leicht der mächtigste der Hebel, durch deren vereinte Wirkung
die geschlossene Organisation der Stände gebrochen, ein öffent-
liches Leben und in ihm die individuelle Freiheit heraufgeführt
wurde, auf welcher die moderne Gesellschaft beruht. Durch
die Typen wurde es möglich, dass Einer zu Vielen sprach,
ohne dieselben in dem geschlossenen Verbande einer Schule
oder Kirche zu versammeln und den Einlass durch die ortho-
doxe oder zünftige Thüre zu gewinnen. Es half nicht mehr,
die Lehren eines Luther und eines Galilei offiziell zu verdam-
men, seit die Buchdruckerpresse ihnen Zugang zu dem Hause
jedes Gebildeten zu verschaffen wusste. Es half nicht mehr,
die alten Körperschaften der Universitäten und der Kirche zu
beherrschen, seit die neue Macht der Presse die ganze Nation
zn einer Gemeinschaft des Denkens, des Glaubens und des
Handelns umzuschaffen bemüht war. Die Erfindung der Buch-
druckerkunst, welche der geistigen Arbeit eine so gewaltige
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