Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749.Erster Gesang. Wie sich die Bücher des Weltgerichts hier, gleich wehen-den Fahnen Kriegender Seraphim, furchtbar eröffnen! Ein tödtender Anblick Für die niedrigen Seelen, die wider GOtt sich empör- ten! O wie GOtt sich enthüllt! ach, Urim, in heiliger Stille Schimmern die Leuchter im Silbergewölk! So gebieret der Morgen Thau auf den Bergen, so glänzen die Erben der ewigen Kindschaft, Tansend bey tausend, der wahren Gemeinen vorbildende Leuchter. Zähle sie, Urim, die heilige Zahl. Die Welten, sprach Urim, Tugenden, die Thaten der Geister, selbst GOttes Ge- dancken, Wenn er sich, einen grossen Tag, uns offenbarend eröffnet, Sind uns zählbar: allein die Folgen der grossen Erlösung, GOttes Erbarmungen nicht. Eloa sprach weiter: Jch sehe GOttes Gerichtsstuhl! Wie schrecklich bist du, Weltrich- ter, Messias! Schau das Antlitz des hohen Gerichtsstuhls! Es tödtet von ferne! Und die zur Nache gerüstete Glut! Ein lebendiger Sturm- wind Wälzet die Räder in fliehenden Wolken. Ach schone, Mes- sias, Schone, Weltrichter, mit deinem Verderben von ferne bewaffnet! Also B 5
Erſter Geſang. Wie ſich die Buͤcher des Weltgerichts hier, gleich wehen-den Fahnen Kriegender Seraphim, furchtbar eroͤffnen! Ein toͤdtender Anblick Fuͤr die niedrigen Seelen, die wider GOtt ſich empoͤr- ten! O wie GOtt ſich enthuͤllt! ach, Urim, in heiliger Stille Schimmern die Leuchter im Silbergewoͤlk! So gebieret der Morgen Thau auf den Bergen, ſo glaͤnzen die Erben der ewigen Kindſchaft, Tanſend bey tauſend, der wahren Gemeinen vorbildende Leuchter. Zaͤhle ſie, Urim, die heilige Zahl. Die Welten, ſprach Urim, Tugenden, die Thaten der Geiſter, ſelbſt GOttes Ge- dancken, Wenn er ſich, einen groſſen Tag, uns offenbarend eroͤffnet, Sind uns zaͤhlbar: allein die Folgen der groſſen Erloͤſung, GOttes Erbarmungen nicht. Eloa ſprach weiter: Jch ſehe GOttes Gerichtsſtuhl! Wie ſchrecklich biſt du, Weltrich- ter, Meſſias! Schau das Antlitz des hohen Gerichtsſtuhls! Es toͤdtet von ferne! Und die zur Nache geruͤſtete Glut! Ein lebendiger Sturm- wind Waͤlzet die Raͤder in fliehenden Wolken. Ach ſchone, Meſ- ſias, Schone, Weltrichter, mit deinem Verderben von ferne bewaffnet! Alſo B 5
<TEI> <text> <body> <lg type="poem"> <lg n="25"> <pb facs="#f0029" n="25"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Erſter Geſang.</hi> </fw><lb/> <l>Wie ſich die Buͤcher des Weltgerichts hier, gleich wehen-<lb/><hi rendition="#et">den Fahnen</hi></l><lb/> <l>Kriegender Seraphim, furchtbar eroͤffnen! Ein toͤdtender<lb/><hi rendition="#et">Anblick</hi></l><lb/> <l>Fuͤr die niedrigen Seelen, die wider GOtt ſich empoͤr-<lb/><hi rendition="#et">ten!</hi></l><lb/> <l>O wie GOtt ſich enthuͤllt! ach, Urim, in heiliger Stille</l><lb/> <l>Schimmern die Leuchter im Silbergewoͤlk! So gebieret<lb/><hi rendition="#et">der Morgen</hi></l><lb/> <l>Thau auf den Bergen, ſo glaͤnzen die Erben der ewigen<lb/><hi rendition="#et">Kindſchaft,</hi></l><lb/> <l>Tanſend bey tauſend, der wahren Gemeinen vorbildende<lb/><hi rendition="#et">Leuchter.</hi></l><lb/> <l>Zaͤhle ſie, Urim, die heilige Zahl. Die Welten, ſprach Urim,</l><lb/> <l>Tugenden, die Thaten der Geiſter, ſelbſt GOttes Ge-<lb/><hi rendition="#et">dancken,</hi></l><lb/> <l>Wenn er ſich, einen groſſen Tag, uns offenbarend eroͤffnet,</l><lb/> <l>Sind uns zaͤhlbar: allein die Folgen der groſſen Erloͤſung,</l><lb/> <l>GOttes Erbarmungen nicht. Eloa ſprach weiter: Jch<lb/><hi rendition="#et">ſehe</hi></l><lb/> <l>GOttes Gerichtsſtuhl! Wie ſchrecklich biſt du, Weltrich-<lb/><hi rendition="#et">ter, Meſſias!</hi></l><lb/> <l>Schau das Antlitz des hohen Gerichtsſtuhls! Es toͤdtet<lb/><hi rendition="#et">von ferne!</hi></l><lb/> <l>Und die zur Nache geruͤſtete Glut! Ein lebendiger Sturm-<lb/><hi rendition="#et">wind</hi></l><lb/> <l>Waͤlzet die Raͤder in fliehenden Wolken. Ach ſchone, Meſ-<lb/><hi rendition="#et">ſias,</hi></l><lb/> <l>Schone, Weltrichter, mit deinem Verderben von ferne<lb/><hi rendition="#et">bewaffnet!</hi></l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">B 5</fw> <fw place="bottom" type="catch">Alſo</fw><lb/> </lg> </body> </text> </TEI> [25/0029]
Erſter Geſang.
Wie ſich die Buͤcher des Weltgerichts hier, gleich wehen-
den Fahnen
Kriegender Seraphim, furchtbar eroͤffnen! Ein toͤdtender
Anblick
Fuͤr die niedrigen Seelen, die wider GOtt ſich empoͤr-
ten!
O wie GOtt ſich enthuͤllt! ach, Urim, in heiliger Stille
Schimmern die Leuchter im Silbergewoͤlk! So gebieret
der Morgen
Thau auf den Bergen, ſo glaͤnzen die Erben der ewigen
Kindſchaft,
Tanſend bey tauſend, der wahren Gemeinen vorbildende
Leuchter.
Zaͤhle ſie, Urim, die heilige Zahl. Die Welten, ſprach Urim,
Tugenden, die Thaten der Geiſter, ſelbſt GOttes Ge-
dancken,
Wenn er ſich, einen groſſen Tag, uns offenbarend eroͤffnet,
Sind uns zaͤhlbar: allein die Folgen der groſſen Erloͤſung,
GOttes Erbarmungen nicht. Eloa ſprach weiter: Jch
ſehe
GOttes Gerichtsſtuhl! Wie ſchrecklich biſt du, Weltrich-
ter, Meſſias!
Schau das Antlitz des hohen Gerichtsſtuhls! Es toͤdtet
von ferne!
Und die zur Nache geruͤſtete Glut! Ein lebendiger Sturm-
wind
Waͤlzet die Raͤder in fliehenden Wolken. Ach ſchone, Meſ-
ſias,
Schone, Weltrichter, mit deinem Verderben von ferne
bewaffnet!
Alſo
B 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDie ersten drei Gesänge von Klopstocks ‚Messias‘ … [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |