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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749.

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Dritter Gesang.

Fallen sehn, und ringsum dem rächenden Donner zu-
jauchzen.

Satan verließ den Oelberg, und gieng mit erhabenen
Schritten

Ueber Jerusalem hin, und sucht in stillen Pallästen
Kaiphas auf, den Feind und Hohenpriester der Gott-
heit,

Ueber sein boshaftes Herz noch viel boshaftre Gedanken
Auszugiessen, und ihn mit dunkeln Gesichten zu täuschen.
Judas Jscharioth blieb noch, in irre Gedanken vertiefet,
Auf dem Gebirge. Der Morgen gieng itzt der schlum-
mernden Welt auf.

JEsus erwachte, Johannes mit ihm. Sie giengen zu-
sammen

Auf den Oelberg, und fanden daselbst die Jünger noch
schlafend.

JEsus ergriff den frommen Lebbäus bey sinkenden
Händen,

Und sprach, als er erwachte, zu ihm: Da bin ich, und
lebe,

Frommer Lebbäus! Der Jünger sprang auf, umarmt ihn
mit Thränen,

Lief, und weckte die übrigen Jünger, und brachte sie
JEsu,

Als sie ihn ringsum vertraulich umgaben, so sprach er zu
ihnen:

Komm, du heilige Schaar, wir wollen uns unter ein-
ander

Diesen noch übrigen Tag vor dem Abschiedskusse vergnü-
gen!

Komm, itzt stehet uns Saron noch offen, itzt thaut noch
der Himmel

Ueber uns, aus des Morgens Gewölk, in die Segens-
gefilde

Jtzt läßt die himmlische Ceder, von meinem Vater erzogen,
Auf uns noch kühlende Schatten herab. Noch seh ich den
Menschen
Von
J 3

Dritter Geſang.

Fallen ſehn, und ringsum dem raͤchenden Donner zu-
jauchzen.

Satan verließ den Oelberg, und gieng mit erhabenen
Schritten

Ueber Jeruſalem hin, und ſucht in ſtillen Pallaͤſten
Kaiphas auf, den Feind und Hohenprieſter der Gott-
heit,

Ueber ſein boshaftes Herz noch viel boshaftre Gedanken
Auszugieſſen, und ihn mit dunkeln Geſichten zu taͤuſchen.
Judas Jſcharioth blieb noch, in irre Gedanken vertiefet,
Auf dem Gebirge. Der Morgen gieng itzt der ſchlum-
mernden Welt auf.

JEſus erwachte, Johannes mit ihm. Sie giengen zu-
ſammen

Auf den Oelberg, und fanden daſelbſt die Juͤnger noch
ſchlafend.

JEſus ergriff den frommen Lebbaͤus bey ſinkenden
Haͤnden,

Und ſprach, als er erwachte, zu ihm: Da bin ich, und
lebe,

Frommer Lebbaͤus! Der Juͤnger ſprang auf, umarmt ihn
mit Thraͤnen,

Lief, und weckte die uͤbrigen Juͤnger, und brachte ſie
JEſu,

Als ſie ihn ringsum vertraulich umgaben, ſo ſprach er zu
ihnen:

Komm, du heilige Schaar, wir wollen uns unter ein-
ander

Dieſen noch uͤbrigen Tag vor dem Abſchiedskuſſe vergnuͤ-
gen!

Komm, itzt ſtehet uns Saron noch offen, itzt thaut noch
der Himmel

Ueber uns, aus des Morgens Gewoͤlk, in die Segens-
gefilde

Jtzt laͤßt die himmliſche Ceder, von meinem Vater erzogen,
Auf uns noch kuͤhlende Schatten herab. Noch ſeh ich den
Menſchen
Von
J 3
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[133/0137] Dritter Geſang. Fallen ſehn, und ringsum dem raͤchenden Donner zu- jauchzen. Satan verließ den Oelberg, und gieng mit erhabenen Schritten Ueber Jeruſalem hin, und ſucht in ſtillen Pallaͤſten Kaiphas auf, den Feind und Hohenprieſter der Gott- heit, Ueber ſein boshaftes Herz noch viel boshaftre Gedanken Auszugieſſen, und ihn mit dunkeln Geſichten zu taͤuſchen. Judas Jſcharioth blieb noch, in irre Gedanken vertiefet, Auf dem Gebirge. Der Morgen gieng itzt der ſchlum- mernden Welt auf. JEſus erwachte, Johannes mit ihm. Sie giengen zu- ſammen Auf den Oelberg, und fanden daſelbſt die Juͤnger noch ſchlafend. JEſus ergriff den frommen Lebbaͤus bey ſinkenden Haͤnden, Und ſprach, als er erwachte, zu ihm: Da bin ich, und lebe, Frommer Lebbaͤus! Der Juͤnger ſprang auf, umarmt ihn mit Thraͤnen, Lief, und weckte die uͤbrigen Juͤnger, und brachte ſie JEſu, Als ſie ihn ringsum vertraulich umgaben, ſo ſprach er zu ihnen: Komm, du heilige Schaar, wir wollen uns unter ein- ander Dieſen noch uͤbrigen Tag vor dem Abſchiedskuſſe vergnuͤ- gen! Komm, itzt ſtehet uns Saron noch offen, itzt thaut noch der Himmel Ueber uns, aus des Morgens Gewoͤlk, in die Segens- gefilde Jtzt laͤßt die himmliſche Ceder, von meinem Vater erzogen, Auf uns noch kuͤhlende Schatten herab. Noch ſeh ich den Menſchen Von J 3

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Die ersten drei Gesänge von Klopstocks ‚Messias‘ … [mehr]

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Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/137>, abgerufen am 03.05.2024.