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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749.

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Dritter Gesang.

Und im Triumph die Unsterblichen siehst, da will ich den
Fehler

Durch die zärtlichste Freundschaft vor diesen Seraphim
gut thun.

Ach! so muß ich denn reden? sprach Seraph Jthuriel
seufzend,

Und gieng mit kläglich gerungenen Händen dem Seraph
entgegen,

Ach! so muß ich denn reden, mein Freund? Ein ewiges
Schweigen

Wäre für meine Betrübniß und deine Beruhigung besser!
Doch du wilst es, ich red, o Seraph. Jscharioth heißt er,
Welchen du siehst. Ja, Seraph, ich wollte nicht über ihn
weinen,

Ungerührt wollt ich ihn sehn, unbethränt und ohne Be-
trübniß

Wollt ich ihn sehn, und in heiligem Zorne den Strafbaren
meiden;

Hätt ihm nicht GOtt ein edles Gemüth, und ein tugend-
haft Herze,

Und in der unentheiligten Jugend viel Unschuld gege-
ben;

Hätt ihn nicht selbst der Messias der Jüngerschaft würdig
geachtet,

Jn der er anfangs auch heilig und fromm und untadel-
haft lebte.

Aber ach nun! - - Doch ich schweige, mein Leid nicht
unendlich zu häufen!

Ja nun weis ich, warum, da wir uns von den Seelen der
Jünger
Einst
H 3

Dritter Geſang.

Und im Triumph die Unſterblichen ſiehſt, da will ich den
Fehler

Durch die zaͤrtlichſte Freundſchaft vor dieſen Seraphim
gut thun.

Ach! ſo muß ich denn reden? ſprach Seraph Jthuriel
ſeufzend,

Und gieng mit klaͤglich gerungenen Haͤnden dem Seraph
entgegen,

Ach! ſo muß ich denn reden, mein Freund? Ein ewiges
Schweigen

Waͤre fuͤr meine Betruͤbniß und deine Beruhigung beſſer!
Doch du wilſt es, ich red, o Seraph. Jſcharioth heißt er,
Welchen du ſiehſt. Ja, Seraph, ich wollte nicht uͤber ihn
weinen,

Ungeruͤhrt wollt ich ihn ſehn, unbethraͤnt und ohne Be-
truͤbniß

Wollt ich ihn ſehn, und in heiligem Zorne den Strafbaren
meiden;

Haͤtt ihm nicht GOtt ein edles Gemuͤth, und ein tugend-
haft Herze,

Und in der unentheiligten Jugend viel Unſchuld gege-
ben;

Haͤtt ihn nicht ſelbſt der Meſſias der Juͤngerſchaft wuͤrdig
geachtet,

Jn der er anfangs auch heilig und fromm und untadel-
haft lebte.

Aber ach nun! - - Doch ich ſchweige, mein Leid nicht
unendlich zu haͤufen!

Ja nun weis ich, warum, da wir uns von den Seelen der
Juͤnger
Einſt
H 3
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[117/0121] Dritter Geſang. Und im Triumph die Unſterblichen ſiehſt, da will ich den Fehler Durch die zaͤrtlichſte Freundſchaft vor dieſen Seraphim gut thun. Ach! ſo muß ich denn reden? ſprach Seraph Jthuriel ſeufzend, Und gieng mit klaͤglich gerungenen Haͤnden dem Seraph entgegen, Ach! ſo muß ich denn reden, mein Freund? Ein ewiges Schweigen Waͤre fuͤr meine Betruͤbniß und deine Beruhigung beſſer! Doch du wilſt es, ich red, o Seraph. Jſcharioth heißt er, Welchen du ſiehſt. Ja, Seraph, ich wollte nicht uͤber ihn weinen, Ungeruͤhrt wollt ich ihn ſehn, unbethraͤnt und ohne Be- truͤbniß Wollt ich ihn ſehn, und in heiligem Zorne den Strafbaren meiden; Haͤtt ihm nicht GOtt ein edles Gemuͤth, und ein tugend- haft Herze, Und in der unentheiligten Jugend viel Unſchuld gege- ben; Haͤtt ihn nicht ſelbſt der Meſſias der Juͤngerſchaft wuͤrdig geachtet, Jn der er anfangs auch heilig und fromm und untadel- haft lebte. Aber ach nun! - - Doch ich ſchweige, mein Leid nicht unendlich zu haͤufen! Ja nun weis ich, warum, da wir uns von den Seelen der Juͤnger Einſt H 3

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Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias_1749/121>, abgerufen am 23.11.2024.