[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.Aus einer Abhandl. vom Sylbenmaaße. lassen der Bewegung ist zum Ausdrucke gewisser Leidenschaftennothwendig. Werthing. Meynen Sie, daß die Strophe vom Langsa- men zum Schnellen, oder umgekehrt, auf Einmal übergehe: Selmer. Dieß wäre kein Uebergang mehr; sondern ein Sprung; und den dürfen nur Dithyramben thun. Minna. Wie steigt die Strophe am besten? Selmer. Eine der guten Arten des Steigens ist, wenn sie in den beyden ersten Versen zu schweben scheint; in dem dritten etwas, aber in dem vierten noch merklicher, als von dem zweyten zum dritten, zunimmt. Minna. Welche Art der Strophen ziehen Sie vor? Selmer. Das würde uns sehr weit führen, wenn wir in diese Untersuchung hineingehn wollten. Vielleicht werden Sie selbst, wenn ich gelesen haben werde, nicht sagen können, welche Art Sie vorziehn. Minna. Nun so werden Sie mir doch wenigstens sagen, welche Art der Abwechslung Sie vorziehn? Selmer. Jch kann mich nun einmal auf das Vorziehn nicht einlassen; aber eine gute Abwechslung ist es, wenn sich der zweyte Vers leise, der dritte merklicher senket, und der vierte nicht zu stark wieder steigt; oder wenn der zweyte und dritte Vers eben so steigen, und der vierte auf gleiche Weise sinkt. Werthing. Die schwebende Strophe (ich stelle mir ihre Verse dabey von grösserm Umfange vor, als lyrische Verse gewöhn- A 3
Aus einer Abhandl. vom Sylbenmaaße. laſſen der Bewegung iſt zum Ausdrucke gewiſſer Leidenſchaftennothwendig. Werthing. Meynen Sie, daß die Strophe vom Langſa- men zum Schnellen, oder umgekehrt, auf Einmal uͤbergehe: Selmer. Dieß waͤre kein Uebergang mehr; ſondern ein Sprung; und den duͤrfen nur Dithyramben thun. Minna. Wie ſteigt die Strophe am beſten? Selmer. Eine der guten Arten des Steigens iſt, wenn ſie in den beyden erſten Verſen zu ſchweben ſcheint; in dem dritten etwas, aber in dem vierten noch merklicher, als von dem zweyten zum dritten, zunimmt. Minna. Welche Art der Strophen ziehen Sie vor? Selmer. Das wuͤrde uns ſehr weit fuͤhren, wenn wir in dieſe Unterſuchung hineingehn wollten. Vielleicht werden Sie ſelbſt, wenn ich geleſen haben werde, nicht ſagen koͤnnen, welche Art Sie vorziehn. Minna. Nun ſo werden Sie mir doch wenigſtens ſagen, welche Art der Abwechslung Sie vorziehn? Selmer. Jch kann mich nun einmal auf das Vorziehn nicht einlaſſen; aber eine gute Abwechslung iſt es, wenn ſich der zweyte Vers leiſe, der dritte merklicher ſenket, und der vierte nicht zu ſtark wieder ſteigt; oder wenn der zweyte und dritte Vers eben ſo ſteigen, und der vierte auf gleiche Weiſe ſinkt. Werthing. Die ſchwebende Strophe (ich ſtelle mir ihre Verſe dabey von groͤſſerm Umfange vor, als lyriſche Verſe gewoͤhn- A 3
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Aus einer Abhandl. vom Sylbenmaaße.
laſſen der Bewegung iſt zum Ausdrucke gewiſſer Leidenſchaften
nothwendig.
Werthing. Meynen Sie, daß die Strophe vom Langſa-
men zum Schnellen, oder umgekehrt, auf Einmal uͤbergehe:
Selmer. Dieß waͤre kein Uebergang mehr; ſondern ein
Sprung; und den duͤrfen nur Dithyramben thun.
Minna. Wie ſteigt die Strophe am beſten?
Selmer. Eine der guten Arten des Steigens iſt, wenn
ſie in den beyden erſten Verſen zu ſchweben ſcheint; in dem
dritten etwas, aber in dem vierten noch merklicher, als von
dem zweyten zum dritten, zunimmt.
Minna. Welche Art der Strophen ziehen Sie vor?
Selmer. Das wuͤrde uns ſehr weit fuͤhren, wenn wir in
dieſe Unterſuchung hineingehn wollten. Vielleicht werden
Sie ſelbſt, wenn ich geleſen haben werde, nicht ſagen koͤnnen,
welche Art Sie vorziehn.
Minna. Nun ſo werden Sie mir doch wenigſtens ſagen,
welche Art der Abwechslung Sie vorziehn?
Selmer. Jch kann mich nun einmal auf das Vorziehn
nicht einlaſſen; aber eine gute Abwechslung iſt es, wenn
ſich der zweyte Vers leiſe, der dritte merklicher ſenket, und
der vierte nicht zu ſtark wieder ſteigt; oder wenn der zweyte
und dritte Vers eben ſo ſteigen, und der vierte auf gleiche
Weiſe ſinkt.
Werthing. Die ſchwebende Strophe (ich ſtelle mir
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