[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.Zwanzigster Gesang. War der Himlischen keinem bekannt, war's selber der ThronenErsten nicht. Sie hatten nur fern durch der Welten Getöne Jubel gehört. Von Gebirge rief zu Gebirge, der Cherub Rief: Der Messias! dem Cherub, aus Hainen riefen in Haine Seelen, und Seraphim sich: Der Messias! von Strale zu Strale, Bis hinauf zu den Opferaltären, hinauf zu den hohen Wolken des Allerheiligsten scholl: Der Messias! hinaufscholl Zu dem Thron: Der Messias! daß welt um sie her der Wälder, Daß der Ströme Geräusch unhörbar ward, des Krystallmeers Woge selbst, vor der Stimme der Rufenden! Aber da Jesus, Da der grosse Vollender nunmehr mit einem der lezten Sonnenschimmer den Himmel betrat, da sanken der Engel Kronen, da streuten mit sanfterer Freude die Himlischen alle Palmen auf den erhabenen Weg, der zum Throne des Herrn führt. Auch die Triumphbegleiter, die Auferstandnen und Engel, Streuten Palmen, und gingen einher mit froher Demut. Aber die Seelen, belastet von neuem Himmelsgefühle, Wären in einem der Haine des Weges geblieben; hätt' ihnen Gabriel nicht mit der goldnen Posaune zu folgen gerufen. Jesus nahte dem Thron. Und stiller wurde die Stille: Und die Posaune rief den Seelen nicht mehr; die Väter Standen; noch folgten die Engel, nicht lange, so blieben auch sie stehn, Sanken nieder anzubeten. Gabriel hatte, Keiner der Endlichen sonst, des Thrones unterste Stufe Mit dem Messias betreten. Dort kniet' er, beynah unsichtbar Durch den herunterströmenden Glanz, und schaute zu Gott auf. Siehe
Zwanzigſter Geſang. War der Himliſchen keinem bekannt, war’s ſelber der ThronenErſten nicht. Sie hatten nur fern durch der Welten Getoͤne Jubel gehoͤrt. Von Gebirge rief zu Gebirge, der Cherub Rief: Der Meſſias! dem Cherub, aus Hainen riefen in Haine Seelen, und Seraphim ſich: Der Meſſias! von Strale zu Strale, Bis hinauf zu den Opferaltaͤren, hinauf zu den hohen Wolken des Allerheiligſten ſcholl: Der Meſſias! hinaufſcholl Zu dem Thron: Der Meſſias! daß welt um ſie her der Waͤlder, Daß der Stroͤme Geraͤuſch unhoͤrbar ward, des Kryſtallmeers Woge ſelbſt, vor der Stimme der Rufenden! Aber da Jeſus, Da der groſſe Vollender nunmehr mit einem der lezten Sonnenſchimmer den Himmel betrat, da ſanken der Engel Kronen, da ſtreuten mit ſanfterer Freude die Himliſchen alle Palmen auf den erhabenen Weg, der zum Throne des Herrn fuͤhrt. Auch die Triumphbegleiter, die Auferſtandnen und Engel, Streuten Palmen, und gingen einher mit froher Demut. Aber die Seelen, belaſtet von neuem Himmelsgefuͤhle, Waͤren in einem der Haine des Weges geblieben; haͤtt’ ihnen Gabriel nicht mit der goldnen Poſaune zu folgen gerufen. Jeſus nahte dem Thron. Und ſtiller wurde die Stille: Und die Poſaune rief den Seelen nicht mehr; die Vaͤter Standen; noch folgten die Engel, nicht lange, ſo blieben auch ſie ſtehn, Sanken nieder anzubeten. Gabriel hatte, Keiner der Endlichen ſonſt, des Thrones unterſte Stufe Mit dem Meſſias betreten. Dort kniet’ er, beynah unſichtbar Durch den herunterſtroͤmenden Glanz, und ſchaute zu Gott auf. Siehe
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="264"> <pb facs="#f0207" n="207"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zwanzigſter Geſang.</hi> </fw><lb/> <l>War der Himliſchen keinem bekannt, war’s ſelber der Thronen</l><lb/> <l>Erſten nicht. Sie hatten nur fern durch der Welten Getoͤne</l><lb/> <l>Jubel gehoͤrt. Von Gebirge rief zu Gebirge, der Cherub</l><lb/> <l>Rief: Der Meſſias! dem Cherub, aus Hainen riefen in Haine</l><lb/> <l>Seelen, und Seraphim ſich: Der Meſſias! von Strale zu Strale,</l><lb/> <l>Bis hinauf zu den Opferaltaͤren, hinauf zu den hohen</l><lb/> <l>Wolken des Allerheiligſten ſcholl: Der Meſſias! hinaufſcholl</l><lb/> <l>Zu dem Thron: Der Meſſias! daß welt um ſie her der Waͤlder,</l><lb/> <l>Daß der Stroͤme Geraͤuſch unhoͤrbar ward, des Kryſtallmeers</l><lb/> <l>Woge ſelbſt, vor der Stimme der Rufenden! Aber da Jeſus,</l><lb/> <l>Da der groſſe Vollender nunmehr mit einem der lezten</l><lb/> <l>Sonnenſchimmer den Himmel betrat, da ſanken der Engel</l><lb/> <l>Kronen, da ſtreuten mit ſanfterer Freude die Himliſchen alle</l><lb/> <l>Palmen auf den erhabenen Weg, der zum Throne des Herrn fuͤhrt.</l><lb/> <l>Auch die Triumphbegleiter, die Auferſtandnen und Engel,</l><lb/> <l>Streuten Palmen, und gingen einher mit froher Demut.</l><lb/> <l>Aber die Seelen, belaſtet von neuem Himmelsgefuͤhle,</l><lb/> <l>Waͤren in einem der Haine des Weges geblieben; haͤtt’ ihnen</l><lb/> <l>Gabriel nicht mit der goldnen Poſaune zu folgen gerufen.</l> </lg><lb/> <lg n="265"> <l>Jeſus nahte dem Thron. Und ſtiller wurde die Stille:</l><lb/> <l>Und die Poſaune rief den Seelen nicht mehr; die Vaͤter</l><lb/> <l>Standen; noch folgten die Engel, nicht lange, ſo blieben auch ſie ſtehn,</l> </lg><lb/> <lg n="266"> <l>Sanken nieder anzubeten. Gabriel hatte,</l><lb/> <l>Keiner der Endlichen ſonſt, des Thrones unterſte Stufe</l><lb/> <l>Mit dem Meſſias betreten. Dort kniet’ er, beynah unſichtbar</l><lb/> <l>Durch den herunterſtroͤmenden Glanz, und ſchaute zu Gott auf.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Siehe</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [207/0207]
Zwanzigſter Geſang.
War der Himliſchen keinem bekannt, war’s ſelber der Thronen
Erſten nicht. Sie hatten nur fern durch der Welten Getoͤne
Jubel gehoͤrt. Von Gebirge rief zu Gebirge, der Cherub
Rief: Der Meſſias! dem Cherub, aus Hainen riefen in Haine
Seelen, und Seraphim ſich: Der Meſſias! von Strale zu Strale,
Bis hinauf zu den Opferaltaͤren, hinauf zu den hohen
Wolken des Allerheiligſten ſcholl: Der Meſſias! hinaufſcholl
Zu dem Thron: Der Meſſias! daß welt um ſie her der Waͤlder,
Daß der Stroͤme Geraͤuſch unhoͤrbar ward, des Kryſtallmeers
Woge ſelbſt, vor der Stimme der Rufenden! Aber da Jeſus,
Da der groſſe Vollender nunmehr mit einem der lezten
Sonnenſchimmer den Himmel betrat, da ſanken der Engel
Kronen, da ſtreuten mit ſanfterer Freude die Himliſchen alle
Palmen auf den erhabenen Weg, der zum Throne des Herrn fuͤhrt.
Auch die Triumphbegleiter, die Auferſtandnen und Engel,
Streuten Palmen, und gingen einher mit froher Demut.
Aber die Seelen, belaſtet von neuem Himmelsgefuͤhle,
Waͤren in einem der Haine des Weges geblieben; haͤtt’ ihnen
Gabriel nicht mit der goldnen Poſaune zu folgen gerufen.
Jeſus nahte dem Thron. Und ſtiller wurde die Stille:
Und die Poſaune rief den Seelen nicht mehr; die Vaͤter
Standen; noch folgten die Engel, nicht lange, ſo blieben auch ſie ſtehn,
Sanken nieder anzubeten. Gabriel hatte,
Keiner der Endlichen ſonſt, des Thrones unterſte Stufe
Mit dem Meſſias betreten. Dort kniet’ er, beynah unſichtbar
Durch den herunterſtroͤmenden Glanz, und ſchaute zu Gott auf.
Siehe
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |