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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

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Zwanzigster Gesang.
Furchtbar und schön, voll Hoheit, wie keine Hoheit sie kanten;
Waren vielleicht auch Götter! Allein der Götter einer
Sprach zu ihnen, und lieblich erscholl des Redenden Stimme:

Menschen waren wir einst, wie ihr vor kurzem noch waret;
Aber Er hat uns zu dieser Vollendung erhoben,
Welchen ihr hier bey den Sternen wandeln seht, mit des Urlichts
Glanze bedekt, und mit Wundenmaalen! Lernet! ihr könnt hier
Vieles lernen. Erwählet ihn euch zum Helfer; erwählet
Jhn auch nicht. So frey, wie jezt, seyd ihr nie noch gewesen!
Dreymal die Zeit, die ein Engel, bevor er von Einem Entschlusse
Uebergehet zum Andern, die dann der Unsterbliche zweifelt,
Folgten die Seelen jezo nur nach, und blieben auf einem
Sterne zurük, und warteten dort auf Lehrer, die Jesus
Jhnen, so sagte Gabriel, senden würde vom Himmel!
Weit in der Ferne sah des Ewigen Thron die Triumphschaar,
Und des Allerheiligsten Nacht an des Ewigen Throne.
Schon verhüllten ihr Antliz mit ihren Flügeln der Engel
Viele. Das Antliz deß, der geopfert auf Golgathas Altar
Blutete, ward lichtheller. Ein Chor Erstandener bebte
Freudig, und erst nach langem Verstummen begann es von neuem
Seine Psalme, beganns hinauf nach Sion zu singen:
Begleit ihn zum Thron auf, o Lichtheer!
Mit der Harf ihn, der Posaun' Hall, und dem Chorpsalm,
Jesus, Gottes Sohn! Menschlich ist Er!
Gnädig! Das rufest du laut, blutiger Altar!
Es

Zwanzigſter Geſang.
Furchtbar und ſchoͤn, voll Hoheit, wie keine Hoheit ſie kanten;
Waren vielleicht auch Goͤtter! Allein der Goͤtter einer
Sprach zu ihnen, und lieblich erſcholl des Redenden Stimme:

Menſchen waren wir einſt, wie ihr vor kurzem noch waret;
Aber Er hat uns zu dieſer Vollendung erhoben,
Welchen ihr hier bey den Sternen wandeln ſeht, mit des Urlichts
Glanze bedekt, und mit Wundenmaalen! Lernet! ihr koͤnnt hier
Vieles lernen. Erwaͤhlet ihn euch zum Helfer; erwaͤhlet
Jhn auch nicht. So frey, wie jezt, ſeyd ihr nie noch geweſen!
Dreymal die Zeit, die ein Engel, bevor er von Einem Entſchluſſe
Uebergehet zum Andern, die dann der Unſterbliche zweifelt,
Folgten die Seelen jezo nur nach, und blieben auf einem
Sterne zuruͤk, und warteten dort auf Lehrer, die Jeſus
Jhnen, ſo ſagte Gabriel, ſenden wuͤrde vom Himmel!
Weit in der Ferne ſah des Ewigen Thron die Triumphſchaar,
Und des Allerheiligſten Nacht an des Ewigen Throne.
Schon verhuͤllten ihr Antliz mit ihren Fluͤgeln der Engel
Viele. Das Antliz deß, der geopfert auf Golgathas Altar
Blutete, ward lichtheller. Ein Chor Erſtandener bebte
Freudig, und erſt nach langem Verſtummen begann es von neuem
Seine Pſalme, beganns hinauf nach Sion zu ſingen:
Begleit ihn zum Thron auf, o Lichtheer!
Mit der Harf ihn, der Poſaun’ Hall, und dem Chorpſalm,
Jeſus, Gottes Sohn! Menſchlich iſt Er!
Gnaͤdig! Das rufeſt du laut, blutiger Altar!
Es
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[203/0203] Zwanzigſter Geſang. Furchtbar und ſchoͤn, voll Hoheit, wie keine Hoheit ſie kanten; Waren vielleicht auch Goͤtter! Allein der Goͤtter einer Sprach zu ihnen, und lieblich erſcholl des Redenden Stimme: Menſchen waren wir einſt, wie ihr vor kurzem noch waret; Aber Er hat uns zu dieſer Vollendung erhoben, Welchen ihr hier bey den Sternen wandeln ſeht, mit des Urlichts Glanze bedekt, und mit Wundenmaalen! Lernet! ihr koͤnnt hier Vieles lernen. Erwaͤhlet ihn euch zum Helfer; erwaͤhlet Jhn auch nicht. So frey, wie jezt, ſeyd ihr nie noch geweſen! Dreymal die Zeit, die ein Engel, bevor er von Einem Entſchluſſe Uebergehet zum Andern, die dann der Unſterbliche zweifelt, Folgten die Seelen jezo nur nach, und blieben auf einem Sterne zuruͤk, und warteten dort auf Lehrer, die Jeſus Jhnen, ſo ſagte Gabriel, ſenden wuͤrde vom Himmel! Weit in der Ferne ſah des Ewigen Thron die Triumphſchaar, Und des Allerheiligſten Nacht an des Ewigen Throne. Schon verhuͤllten ihr Antliz mit ihren Fluͤgeln der Engel Viele. Das Antliz deß, der geopfert auf Golgathas Altar Blutete, ward lichtheller. Ein Chor Erſtandener bebte Freudig, und erſt nach langem Verſtummen begann es von neuem Seine Pſalme, beganns hinauf nach Sion zu ſingen: Begleit ihn zum Thron auf, o Lichtheer! Mit der Harf ihn, der Poſaun’ Hall, und dem Chorpſalm, Jeſus, Gottes Sohn! Menſchlich iſt Er! Gnaͤdig! Das rufeſt du laut, blutiger Altar! Es

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/203>, abgerufen am 28.11.2024.