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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

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Der Messias.
Jammervoll ist die Scheidung, der keine Stunde gesezt ward
Ach zum Wiedersehen, ist seelenerschütternd, durchdringet
Bis zu dem innersten Mark und Gebein des bleibenden Leben,
Senket es, stürzet es nieder; zu welcher Wonne der Freund auch
Komme: Denn ach weit weg in der Fern' ist des Wiedersehens
Stunde, gehüllt, verborgen in Nacht! Kein Engel erbarmt sich,
Und verräth nur mit Einem leisen Laut, wenn mit ihrer
Freude Schrecken sie kommen werde! Kein Todter erbarmt sich,
Und verräth, von fern nur in Dämrung erscheinend, mit Einem
Laute, wenn kommen werde die theure, die heilige Stunde,
Wie kein Morgen sie brachte, kein Tag bestralte, kein Abend
Sie mit Schatten oder umgab mit Schimmer des Mondes.
Und ihr waret doch unsere Brüder, ihr Todten Gottes,
Kantet das Schiksal der Menschen, und weintet unsere Thränen!

Thomas hatte die Zwölfe, und hatte die Siebzig versammelt,
Nach Gethsemane sie zu führen, und dort zu besuchen
Jene Stäte, wo Christus am Abend der ersten Scheidung
Niedergesunken zu tiefem Gebet vor dem Richter der Welt lag.
Thomas Gedanke war's nicht; es war die Leitung des Mitlers,
Die ihn nach Gethsemane brachte. Auf Einmal wandelt
Jesus unter ihnen. Er führt die Zeugen; sie folgen;
Gehen langsam vorüber am Grabe der Bethanaitin,
Segnen die Schlummernde Gottes. Jzt wurden die Pfade des Oelbergs
Steiler, Salem fernte sich, und die Gipfel des Berges
Ragten grösser empor. Noch schweigt der Mitler; sie aber
Reden mit Wehmut unter einander. Sie glauben an Jesus
Was

Der Meſſias.
Jammervoll iſt die Scheidung, der keine Stunde geſezt ward
Ach zum Wiederſehen, iſt ſeelenerſchuͤtternd, durchdringet
Bis zu dem innerſten Mark und Gebein des bleibenden Leben,
Senket es, ſtuͤrzet es nieder; zu welcher Wonne der Freund auch
Komme: Denn ach weit weg in der Fern’ iſt des Wiederſehens
Stunde, gehuͤllt, verborgen in Nacht! Kein Engel erbarmt ſich,
Und verraͤth nur mit Einem leiſen Laut, wenn mit ihrer
Freude Schrecken ſie kommen werde! Kein Todter erbarmt ſich,
Und verraͤth, von fern nur in Daͤmrung erſcheinend, mit Einem
Laute, wenn kommen werde die theure, die heilige Stunde,
Wie kein Morgen ſie brachte, kein Tag beſtralte, kein Abend
Sie mit Schatten oder umgab mit Schimmer des Mondes.
Und ihr waret doch unſere Bruͤder, ihr Todten Gottes,
Kantet das Schikſal der Menſchen, und weintet unſere Thraͤnen!

Thomas hatte die Zwoͤlfe, und hatte die Siebzig verſammelt,
Nach Gethſemane ſie zu fuͤhren, und dort zu beſuchen
Jene Staͤte, wo Chriſtus am Abend der erſten Scheidung
Niedergeſunken zu tiefem Gebet vor dem Richter der Welt lag.
Thomas Gedanke war’s nicht; es war die Leitung des Mitlers,
Die ihn nach Gethſemane brachte. Auf Einmal wandelt
Jeſus unter ihnen. Er fuͤhrt die Zeugen; ſie folgen;
Gehen langſam voruͤber am Grabe der Bethanaitin,
Segnen die Schlummernde Gottes. Jzt wurden die Pfade des Oelbergs
Steiler, Salem fernte ſich, und die Gipfel des Berges
Ragten groͤſſer empor. Noch ſchweigt der Mitler; ſie aber
Reden mit Wehmut unter einander. Sie glauben an Jeſus
Was
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[154/0154] Der Meſſias. Jammervoll iſt die Scheidung, der keine Stunde geſezt ward Ach zum Wiederſehen, iſt ſeelenerſchuͤtternd, durchdringet Bis zu dem innerſten Mark und Gebein des bleibenden Leben, Senket es, ſtuͤrzet es nieder; zu welcher Wonne der Freund auch Komme: Denn ach weit weg in der Fern’ iſt des Wiederſehens Stunde, gehuͤllt, verborgen in Nacht! Kein Engel erbarmt ſich, Und verraͤth nur mit Einem leiſen Laut, wenn mit ihrer Freude Schrecken ſie kommen werde! Kein Todter erbarmt ſich, Und verraͤth, von fern nur in Daͤmrung erſcheinend, mit Einem Laute, wenn kommen werde die theure, die heilige Stunde, Wie kein Morgen ſie brachte, kein Tag beſtralte, kein Abend Sie mit Schatten oder umgab mit Schimmer des Mondes. Und ihr waret doch unſere Bruͤder, ihr Todten Gottes, Kantet das Schikſal der Menſchen, und weintet unſere Thraͤnen! Thomas hatte die Zwoͤlfe, und hatte die Siebzig verſammelt, Nach Gethſemane ſie zu fuͤhren, und dort zu beſuchen Jene Staͤte, wo Chriſtus am Abend der erſten Scheidung Niedergeſunken zu tiefem Gebet vor dem Richter der Welt lag. Thomas Gedanke war’s nicht; es war die Leitung des Mitlers, Die ihn nach Gethſemane brachte. Auf Einmal wandelt Jeſus unter ihnen. Er fuͤhrt die Zeugen; ſie folgen; Gehen langſam voruͤber am Grabe der Bethanaitin, Segnen die Schlummernde Gottes. Jzt wurden die Pfade des Oelbergs Steiler, Salem fernte ſich, und die Gipfel des Berges Ragten groͤſſer empor. Noch ſchweigt der Mitler; ſie aber Reden mit Wehmut unter einander. Sie glauben an Jeſus Was

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/154>, abgerufen am 24.11.2024.