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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

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Neunzehnter Gesang.
Vater, zu dir zurük: sie aber bleiben auf Erden;
Sehen noch lange die Mühe der Sünder, und fühlen ihr Elend!
Laß sie, heiliger Vater, der hohen Erkentniß getreu seyn,
Die sie haben werden von dem, der jezo versönt ist.
Laß sie eins seyn, wie wir; ein Haus voll Brüder! Jch sorgte
Selber für sie, da ich noch gleich ihnen ein Mensch war. Jch wachte
Ueber ihrem unsterblichen Geist. Hier sind sie, mein Vater!
Keinen hab' ich verloren! Nur hat der Sohn des Verderbens
Mich verlassen, und ist den Propheten ein Zeuge geworden!
Jezo komm' ich zu dir! Das sag' ich, da ich bey ihnen
Noch auf der Welt bin, daß sie an meine Herlichkeit denken,
Und sich freuen, wie ich mich freue. Sie haben die Worte
Deines Lebens gehört. Der Sünder hat sie gehasset,
Wie er mich haßte. Nicht bitt' ich, daß du der Erde sie nehmest;
Schüze sie nur vor ihrem Verfolger, dem Geist des Verderbens!..
Heilige sie in deiner Wahrheit. Dein Wort ist die Wahrheit!
Vater, ich ließ mein Leben für sie, damit sie, gereinigt
Von der Sünde, vor dir erscheinen! Doch bitt' ich, o Vater,
Nicht für die Jünger allein. Der neuen Schöpfungen Kinder
Werden einst, wie aus dem Morgen der Thau, durch ihr Wort mir
geboren;
Auch für diese bitt' ich, mein Vater, daß alle sie eins seyn,
Wie wir eins sind! und daß die ganze Erd' es erkenne,
Daß du mich, Vater, sandtst! Jch habe das ewige Leben,
Meine Herlichkeit, denen gegeben, die du mir geschenkt hast,
Daß, wie wir, sie eins seyn; Einem göttlichen Endzwek
Alle vollendet! und daß es die Sünder der Erde vernehmen:

Jesus
K 3

Neunzehnter Geſang.
Vater, zu dir zuruͤk: ſie aber bleiben auf Erden;
Sehen noch lange die Muͤhe der Suͤnder, und fuͤhlen ihr Elend!
Laß ſie, heiliger Vater, der hohen Erkentniß getreu ſeyn,
Die ſie haben werden von dem, der jezo verſoͤnt iſt.
Laß ſie eins ſeyn, wie wir; ein Haus voll Bruͤder! Jch ſorgte
Selber fuͤr ſie, da ich noch gleich ihnen ein Menſch war. Jch wachte
Ueber ihrem unſterblichen Geiſt. Hier ſind ſie, mein Vater!
Keinen hab’ ich verloren! Nur hat der Sohn des Verderbens
Mich verlaſſen, und iſt den Propheten ein Zeuge geworden!
Jezo komm’ ich zu dir! Das ſag’ ich, da ich bey ihnen
Noch auf der Welt bin, daß ſie an meine Herlichkeit denken,
Und ſich freuen, wie ich mich freue. Sie haben die Worte
Deines Lebens gehoͤrt. Der Suͤnder hat ſie gehaſſet,
Wie er mich haßte. Nicht bitt’ ich, daß du der Erde ſie nehmeſt;
Schuͤze ſie nur vor ihrem Verfolger, dem Geiſt des Verderbens!..
Heilige ſie in deiner Wahrheit. Dein Wort iſt die Wahrheit!
Vater, ich ließ mein Leben fuͤr ſie, damit ſie, gereinigt
Von der Suͤnde, vor dir erſcheinen! Doch bitt’ ich, o Vater,
Nicht fuͤr die Juͤnger allein. Der neuen Schoͤpfungen Kinder
Werden einſt, wie aus dem Morgen der Thau, durch ihr Wort mir
geboren;
Auch fuͤr dieſe bitt’ ich, mein Vater, daß alle ſie eins ſeyn,
Wie wir eins ſind! und daß die ganze Erd’ es erkenne,
Daß du mich, Vater, ſandtſt! Jch habe das ewige Leben,
Meine Herlichkeit, denen gegeben, die du mir geſchenkt haſt,
Daß, wie wir, ſie eins ſeyn; Einem goͤttlichen Endzwek
Alle vollendet! und daß es die Suͤnder der Erde vernehmen:

Jeſus
K 3
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[149/0149] Neunzehnter Geſang. Vater, zu dir zuruͤk: ſie aber bleiben auf Erden; Sehen noch lange die Muͤhe der Suͤnder, und fuͤhlen ihr Elend! Laß ſie, heiliger Vater, der hohen Erkentniß getreu ſeyn, Die ſie haben werden von dem, der jezo verſoͤnt iſt. Laß ſie eins ſeyn, wie wir; ein Haus voll Bruͤder! Jch ſorgte Selber fuͤr ſie, da ich noch gleich ihnen ein Menſch war. Jch wachte Ueber ihrem unſterblichen Geiſt. Hier ſind ſie, mein Vater! Keinen hab’ ich verloren! Nur hat der Sohn des Verderbens Mich verlaſſen, und iſt den Propheten ein Zeuge geworden! Jezo komm’ ich zu dir! Das ſag’ ich, da ich bey ihnen Noch auf der Welt bin, daß ſie an meine Herlichkeit denken, Und ſich freuen, wie ich mich freue. Sie haben die Worte Deines Lebens gehoͤrt. Der Suͤnder hat ſie gehaſſet, Wie er mich haßte. Nicht bitt’ ich, daß du der Erde ſie nehmeſt; Schuͤze ſie nur vor ihrem Verfolger, dem Geiſt des Verderbens!.. Heilige ſie in deiner Wahrheit. Dein Wort iſt die Wahrheit! Vater, ich ließ mein Leben fuͤr ſie, damit ſie, gereinigt Von der Suͤnde, vor dir erſcheinen! Doch bitt’ ich, o Vater, Nicht fuͤr die Juͤnger allein. Der neuen Schoͤpfungen Kinder Werden einſt, wie aus dem Morgen der Thau, durch ihr Wort mir geboren; Auch fuͤr dieſe bitt’ ich, mein Vater, daß alle ſie eins ſeyn, Wie wir eins ſind! und daß die ganze Erd’ es erkenne, Daß du mich, Vater, ſandtſt! Jch habe das ewige Leben, Meine Herlichkeit, denen gegeben, die du mir geſchenkt haſt, Daß, wie wir, ſie eins ſeyn; Einem goͤttlichen Endzwek Alle vollendet! und daß es die Suͤnder der Erde vernehmen: Jeſus K 3

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/149>, abgerufen am 02.05.2024.