Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Messias.
Aber deren Auge den Auferstandnen nicht sahe,
Werden auch die Schmach und den Hohn der Christusleugner
Dulden, den Dolch, der von Blute nicht rauchet, und dennoch tödtet!
Werden glauben, und schauen! Gott gehet unter den Menschen
Seinen verborgenen Weg mit stillem Wandeln; doch endlich,
Wenn er dem Ziele sich naht, mit dem Donnergang der Entscheidung!

Also sagt' er, und blickt' umher, und sah, in dem Schatten
Eines Hügels, Gefässe mit Speis' und Tranke, des Halmes
Frucht und der Rebe stehn. Schon redete Lazarus wieder:
Sondert Brodt und Wein des Brudermahles, und setzet
Vor den Zeugen es nieder, damit es geheiliget werde.
Jhr, die seiner Erscheinung harren, lasset sein Mahl uns
Halten, das heilige Mahl zu seines Todes Gedächtniß.
Und sie hörten es freudig ihn sagen, und sendeten sieben
Jünglinge, Brodt zu sondern, und Wein, und lagerten näher
Sich an einander, und schon begannen viele zu knieen,
Viele die Hände gen Himmel zu falten mit Thränen im Blicke.
Und die Jünglinge brachten das Brodt, und den Wein, und setzten
Vor der Versammlung es nieder. Als Lazarus aber hinzutrat,
Stand, und mit denkendem Blicke die festgefalteten Hände
Hoch gen Himmel erhub, und zu reden jezo beginnen
Wollte; da drangen von allen Seiten, mit Schauer der Wonne,
Und mit ihren Thränen, die Auferstandnen und Engel
Zu der Gemeine Christus herzu, und Lazarus sagte
Feyerlichernst, und als fleht' er zugleich dem Geopferten Gottes:
Jesus Christus unser Versöhner, in seiner Leiden
Schrecklichen Nacht, da er verrathen wurde zum Tode,
Nahm

Der Meſſias.
Aber deren Auge den Auferſtandnen nicht ſahe,
Werden auch die Schmach und den Hohn der Chriſtusleugner
Dulden, den Dolch, der von Blute nicht rauchet, und dennoch toͤdtet!
Werden glauben, und ſchauen! Gott gehet unter den Menſchen
Seinen verborgenen Weg mit ſtillem Wandeln; doch endlich,
Wenn er dem Ziele ſich naht, mit dem Donnergang der Entſcheidung!

Alſo ſagt’ er, und blickt’ umher, und ſah, in dem Schatten
Eines Huͤgels, Gefaͤſſe mit Speiſ’ und Tranke, des Halmes
Frucht und der Rebe ſtehn. Schon redete Lazarus wieder:
Sondert Brodt und Wein des Brudermahles, und ſetzet
Vor den Zeugen es nieder, damit es geheiliget werde.
Jhr, die ſeiner Erſcheinung harren, laſſet ſein Mahl uns
Halten, das heilige Mahl zu ſeines Todes Gedaͤchtniß.
Und ſie hoͤrten es freudig ihn ſagen, und ſendeten ſieben
Juͤnglinge, Brodt zu ſondern, und Wein, und lagerten naͤher
Sich an einander, und ſchon begannen viele zu knieen,
Viele die Haͤnde gen Himmel zu falten mit Thraͤnen im Blicke.
Und die Juͤnglinge brachten das Brodt, und den Wein, und ſetzten
Vor der Verſammlung es nieder. Als Lazarus aber hinzutrat,
Stand, und mit denkendem Blicke die feſtgefalteten Haͤnde
Hoch gen Himmel erhub, und zu reden jezo beginnen
Wollte; da drangen von allen Seiten, mit Schauer der Wonne,
Und mit ihren Thraͤnen, die Auferſtandnen und Engel
Zu der Gemeine Chriſtus herzu, und Lazarus ſagte
Feyerlichernſt, und als fleht’ er zugleich dem Geopferten Gottes:
Jeſus Chriſtus unſer Verſoͤhner, in ſeiner Leiden
Schrecklichen Nacht, da er verrathen wurde zum Tode,
Nahm
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="51">
              <pb facs="#f0140" n="140"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw><lb/>
              <l>Aber deren Auge den Aufer&#x017F;tandnen nicht &#x017F;ahe,</l><lb/>
              <l>Werden auch die Schmach und den Hohn der Chri&#x017F;tusleugner</l><lb/>
              <l>Dulden, den Dolch, der von Blute nicht rauchet, und dennoch to&#x0364;dtet!</l><lb/>
              <l>Werden glauben, und &#x017F;chauen! Gott gehet unter den Men&#x017F;chen</l><lb/>
              <l>Seinen verborgenen Weg mit &#x017F;tillem Wandeln; doch endlich,</l><lb/>
              <l>Wenn er dem Ziele &#x017F;ich naht, mit dem Donnergang der Ent&#x017F;cheidung!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="52">
              <l>Al&#x017F;o &#x017F;agt&#x2019; er, und blickt&#x2019; umher, und &#x017F;ah, in dem Schatten</l><lb/>
              <l>Eines Hu&#x0364;gels, Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e mit Spei&#x017F;&#x2019; und Tranke, des Halmes</l><lb/>
              <l>Frucht und der Rebe &#x017F;tehn. Schon redete Lazarus wieder:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="53">
              <l>Sondert Brodt und Wein des Brudermahles, und &#x017F;etzet</l><lb/>
              <l>Vor den Zeugen es nieder, damit es geheiliget werde.</l><lb/>
              <l>Jhr, die &#x017F;einer Er&#x017F;cheinung harren, la&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ein Mahl uns</l><lb/>
              <l>Halten, das heilige Mahl zu &#x017F;eines Todes Geda&#x0364;chtniß.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="54">
              <l>Und &#x017F;ie ho&#x0364;rten es freudig ihn &#x017F;agen, und &#x017F;endeten &#x017F;ieben</l><lb/>
              <l>Ju&#x0364;nglinge, Brodt zu &#x017F;ondern, und Wein, und lagerten na&#x0364;her</l><lb/>
              <l>Sich an einander, und &#x017F;chon begannen viele zu knieen,</l><lb/>
              <l>Viele die Ha&#x0364;nde gen Himmel zu falten mit Thra&#x0364;nen im Blicke.</l><lb/>
              <l>Und die Ju&#x0364;nglinge brachten das Brodt, und den Wein, und &#x017F;etzten</l><lb/>
              <l>Vor der Ver&#x017F;ammlung es nieder. Als Lazarus aber hinzutrat,</l><lb/>
              <l>Stand, und mit denkendem Blicke die fe&#x017F;tgefalteten Ha&#x0364;nde</l><lb/>
              <l>Hoch gen Himmel erhub, und zu reden jezo beginnen</l><lb/>
              <l>Wollte; da drangen von allen Seiten, mit Schauer der Wonne,</l><lb/>
              <l>Und mit ihren Thra&#x0364;nen, die Aufer&#x017F;tandnen und Engel</l><lb/>
              <l>Zu der Gemeine Chri&#x017F;tus herzu, und Lazarus &#x017F;agte</l><lb/>
              <l>Feyerlichern&#x017F;t, und als fleht&#x2019; er zugleich dem Geopferten Gottes:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="55">
              <l>Je&#x017F;us Chri&#x017F;tus un&#x017F;er Ver&#x017F;o&#x0364;hner, in &#x017F;einer Leiden</l><lb/>
              <l>Schrecklichen Nacht, da er verrathen wurde zum Tode,</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Nahm</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0140] Der Meſſias. Aber deren Auge den Auferſtandnen nicht ſahe, Werden auch die Schmach und den Hohn der Chriſtusleugner Dulden, den Dolch, der von Blute nicht rauchet, und dennoch toͤdtet! Werden glauben, und ſchauen! Gott gehet unter den Menſchen Seinen verborgenen Weg mit ſtillem Wandeln; doch endlich, Wenn er dem Ziele ſich naht, mit dem Donnergang der Entſcheidung! Alſo ſagt’ er, und blickt’ umher, und ſah, in dem Schatten Eines Huͤgels, Gefaͤſſe mit Speiſ’ und Tranke, des Halmes Frucht und der Rebe ſtehn. Schon redete Lazarus wieder: Sondert Brodt und Wein des Brudermahles, und ſetzet Vor den Zeugen es nieder, damit es geheiliget werde. Jhr, die ſeiner Erſcheinung harren, laſſet ſein Mahl uns Halten, das heilige Mahl zu ſeines Todes Gedaͤchtniß. Und ſie hoͤrten es freudig ihn ſagen, und ſendeten ſieben Juͤnglinge, Brodt zu ſondern, und Wein, und lagerten naͤher Sich an einander, und ſchon begannen viele zu knieen, Viele die Haͤnde gen Himmel zu falten mit Thraͤnen im Blicke. Und die Juͤnglinge brachten das Brodt, und den Wein, und ſetzten Vor der Verſammlung es nieder. Als Lazarus aber hinzutrat, Stand, und mit denkendem Blicke die feſtgefalteten Haͤnde Hoch gen Himmel erhub, und zu reden jezo beginnen Wollte; da drangen von allen Seiten, mit Schauer der Wonne, Und mit ihren Thraͤnen, die Auferſtandnen und Engel Zu der Gemeine Chriſtus herzu, und Lazarus ſagte Feyerlichernſt, und als fleht’ er zugleich dem Geopferten Gottes: Jeſus Chriſtus unſer Verſoͤhner, in ſeiner Leiden Schrecklichen Nacht, da er verrathen wurde zum Tode, Nahm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/140
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/140>, abgerufen am 21.11.2024.