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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

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Der Messias.
Hatt' auch dieß sich verloren. Er sahe wieder Gesichte.
Als erwach' er aus tiefen Gedanken, beginnt er von neuem:

Jezo sah ich die Schnitter der Erndte die Schaaren hinauf gehn,
Und hinunter. Sie giengen mit scharfer Forschung Gebehrden
Langsam vorüber, und schauten voll Ernst in die Schaaren und riefen:
Komm!.. Dann führeten sie die Gerufnen, wie trübe Gedanken
Stumm sie alle, wie Bilder an Gräbern, als Gräber noch waren,
Auf den Gerichtsplatz hin. Da ward ein Seraph gesendet;
Der trat langsam hervor, und brachte den hohen Befehl mit:
Fallt auf das Angesicht nieder, und hört euer Urtheil, das vormals
Jn dem Leben der Stunden, allein für sich nur der Fromme
Ueber euch sprach; und zitternd sich lehrte, selbst| selig zu werden!
Und ich sah sie erblassen, und niederfallen zur Erde!
Und sie lagen, und hielten zertrümmerte Felsen. Der Seraph
Trat stillschweigend zurück. Jm Glanze der reineren Tugend,
Mit der Hoheit der Religion, die er drüben am Grabe
Schon in ihrer Göttlichkeit sah, erhub sich der beste,
Und der liebenswürdigste Jünger, der fromme Johannes.
Und die Aeltesten standen um ihn. Er erhub sich, die Stolzen,
Welche zur Erde niedergesunken auf dem Gerichtsplatz
Lagen, die zu enthüllen; ihr Thun dem Tage zu zeigen!
Gleich dem Wetter des Mächtigen, traf er nicht jede der Tiefen,
Jede Höh nicht; berührete nur hier Gipfel, dort Abgrund;
Ließ dann schweigen die schreckende Wolke. So sprach er: Jhr schuft euch
Eigne Tugend, und stelltet dem Abgott über den Thron hin,
Wo des Richters Gesetz stand, und, neben dem ernsten Gesetze,
Euer

Der Meſſias.
Hatt’ auch dieß ſich verloren. Er ſahe wieder Geſichte.
Als erwach’ er aus tiefen Gedanken, beginnt er von neuem:

Jezo ſah ich die Schnitter der Erndte die Schaaren hinauf gehn,
Und hinunter. Sie giengen mit ſcharfer Forſchung Gebehrden
Langſam voruͤber, und ſchauten voll Ernſt in die Schaaren und riefen:
Komm!.. Dann fuͤhreten ſie die Gerufnen, wie truͤbe Gedanken
Stumm ſie alle, wie Bilder an Graͤbern, als Graͤber noch waren,
Auf den Gerichtsplatz hin. Da ward ein Seraph geſendet;
Der trat langſam hervor, und brachte den hohen Befehl mit:
Fallt auf das Angeſicht nieder, und hoͤrt euer Urtheil, das vormals
Jn dem Leben der Stunden, allein fuͤr ſich nur der Fromme
Ueber euch ſprach; und zitternd ſich lehrte, ſelbſt| ſelig zu werden!
Und ich ſah ſie erblaſſen, und niederfallen zur Erde!
Und ſie lagen, und hielten zertruͤmmerte Felſen. Der Seraph
Trat ſtillſchweigend zuruͤck. Jm Glanze der reineren Tugend,
Mit der Hoheit der Religion, die er druͤben am Grabe
Schon in ihrer Goͤttlichkeit ſah, erhub ſich der beſte,
Und der liebenswuͤrdigſte Juͤnger, der fromme Johannes.
Und die Aelteſten ſtanden um ihn. Er erhub ſich, die Stolzen,
Welche zur Erde niedergeſunken auf dem Gerichtsplatz
Lagen, die zu enthuͤllen; ihr Thun dem Tage zu zeigen!
Gleich dem Wetter des Maͤchtigen, traf er nicht jede der Tiefen,
Jede Hoͤh nicht; beruͤhrete nur hier Gipfel, dort Abgrund;
Ließ dann ſchweigen die ſchreckende Wolke. So ſprach er: Jhr ſchuft euch
Eigne Tugend, und ſtelltet dem Abgott uͤber den Thron hin,
Wo des Richters Geſetz ſtand, und, neben dem ernſten Geſetze,
Euer
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[118/0118] Der Meſſias. Hatt’ auch dieß ſich verloren. Er ſahe wieder Geſichte. Als erwach’ er aus tiefen Gedanken, beginnt er von neuem: Jezo ſah ich die Schnitter der Erndte die Schaaren hinauf gehn, Und hinunter. Sie giengen mit ſcharfer Forſchung Gebehrden Langſam voruͤber, und ſchauten voll Ernſt in die Schaaren und riefen: Komm!.. Dann fuͤhreten ſie die Gerufnen, wie truͤbe Gedanken Stumm ſie alle, wie Bilder an Graͤbern, als Graͤber noch waren, Auf den Gerichtsplatz hin. Da ward ein Seraph geſendet; Der trat langſam hervor, und brachte den hohen Befehl mit: Fallt auf das Angeſicht nieder, und hoͤrt euer Urtheil, das vormals Jn dem Leben der Stunden, allein fuͤr ſich nur der Fromme Ueber euch ſprach; und zitternd ſich lehrte, ſelbſt| ſelig zu werden! Und ich ſah ſie erblaſſen, und niederfallen zur Erde! Und ſie lagen, und hielten zertruͤmmerte Felſen. Der Seraph Trat ſtillſchweigend zuruͤck. Jm Glanze der reineren Tugend, Mit der Hoheit der Religion, die er druͤben am Grabe Schon in ihrer Goͤttlichkeit ſah, erhub ſich der beſte, Und der liebenswuͤrdigſte Juͤnger, der fromme Johannes. Und die Aelteſten ſtanden um ihn. Er erhub ſich, die Stolzen, Welche zur Erde niedergeſunken auf dem Gerichtsplatz Lagen, die zu enthuͤllen; ihr Thun dem Tage zu zeigen! Gleich dem Wetter des Maͤchtigen, traf er nicht jede der Tiefen, Jede Hoͤh nicht; beruͤhrete nur hier Gipfel, dort Abgrund; Ließ dann ſchweigen die ſchreckende Wolke. So ſprach er: Jhr ſchuft euch Eigne Tugend, und ſtelltet dem Abgott uͤber den Thron hin, Wo des Richters Geſetz ſtand, und, neben dem ernſten Geſetze, Euer

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/118>, abgerufen am 21.11.2024.