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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Zwölfter Gesang.
Gott! ... Am Cocytus, und nicht im Himmel, richten die Götter!
Er nicht, den du voll Stolz den Gott der Götter itzt nanntest,
Jsraelit! Rhadamantus, und Minos, und Aeakus richten!

Ob die Götter der Römer, und ob am Cocytus sie richten,
Laß uns dann, o Pilatus, entscheiden, wenn unsere Leichen
Urne füllen und Grab. Jetzt fleh ich, o unser Beherrscher,
Auch der Mörder Beherrscher, die Gottes Propheten erwürgten,
Jnnig dich an: Gieb mir, gieb wenigen Frommen den Leichnam
Dieses göttlichen Manns! ... So wär er so schnell denn gestorben?
Sag, ist er wirklich todt? ... Jetzt hielt es Portia's Wehmuth
Länger nicht aus. Gieb diesem redlichen Manne den Todten,
Oder begrabe mich selbst! Sie sprachs, und die Thräne stürzte.
Sende zum Hauptmann am Kreuz! Pilatus sagt' es zu Joseph,
Und wenn er kommt, so führ' ihn zu mir. Er sandte. Der Hauptmann
Kam. Sie traten herein. ... Jst, den sie vor Barrabas wählten,
Jetzt schon todt? ... Todt war er. Jhm wollte keiner die Beine
Brechen, bis einer zuletzt die Lanze tief ihm ins Herz stieß.
Und Pilatus erwiederte: Gieb dem Manne den Leichnam,
Daß er ihn, wo er will, begrabe. Wo hast du beschlossen
Jhn zu begraben? ... An Golgatha's Hügel in meinem Grabe.
Also sagt' er, und ging, und kam zu dem Hügel des Todes.
Christus Mutter erblickte zuerst den Treuen, und sah es,
Daß er das Sterbegewand zu ihres Sohnes Begräbniß
Trug, und weinte vor inniger Wehmuth; Doch ohne Sprache
Blieb sie noch stets, stumm immer noch, mit dem Schwert in der Seele.
Und so bebte zum erstenmale die Lippe Johannes:
O Maria,
E 2

Zwoͤlfter Geſang.
Gott! … Am Cocytus, und nicht im Himmel, richten die Goͤtter!
Er nicht, den du voll Stolz den Gott der Goͤtter itzt nannteſt,
Jſraelit! Rhadamantus, und Minos, und Aeakus richten!

Ob die Goͤtter der Roͤmer, und ob am Cocytus ſie richten,
Laß uns dann, o Pilatus, entſcheiden, wenn unſere Leichen
Urne fuͤllen und Grab. Jetzt fleh ich, o unſer Beherrſcher,
Auch der Moͤrder Beherrſcher, die Gottes Propheten erwuͤrgten,
Jnnig dich an: Gieb mir, gieb wenigen Frommen den Leichnam
Dieſes goͤttlichen Manns! … So waͤr er ſo ſchnell denn geſtorben?
Sag, iſt er wirklich todt? … Jetzt hielt es Portia’s Wehmuth
Laͤnger nicht aus. Gieb dieſem redlichen Manne den Todten,
Oder begrabe mich ſelbſt! Sie ſprachs, und die Thraͤne ſtuͤrzte.
Sende zum Hauptmann am Kreuz! Pilatus ſagt’ es zu Joſeph,
Und wenn er kommt, ſo fuͤhr’ ihn zu mir. Er ſandte. Der Hauptmann
Kam. Sie traten herein. … Jſt, den ſie vor Barrabas waͤhlten,
Jetzt ſchon todt? … Todt war er. Jhm wollte keiner die Beine
Brechen, bis einer zuletzt die Lanze tief ihm ins Herz ſtieß.
Und Pilatus erwiederte: Gieb dem Manne den Leichnam,
Daß er ihn, wo er will, begrabe. Wo haſt du beſchloſſen
Jhn zu begraben? … An Golgatha’s Huͤgel in meinem Grabe.
Alſo ſagt’ er, und ging, und kam zu dem Huͤgel des Todes.
Chriſtus Mutter erblickte zuerſt den Treuen, und ſah es,
Daß er das Sterbegewand zu ihres Sohnes Begraͤbniß
Trug, und weinte vor inniger Wehmuth; Doch ohne Sprache
Blieb ſie noch ſtets, ſtumm immer noch, mit dem Schwert in der Seele.
Und ſo bebte zum erſtenmale die Lippe Johannes:
O Maria,
E 2
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[67/0083] Zwoͤlfter Geſang. Gott! … Am Cocytus, und nicht im Himmel, richten die Goͤtter! Er nicht, den du voll Stolz den Gott der Goͤtter itzt nannteſt, Jſraelit! Rhadamantus, und Minos, und Aeakus richten! Ob die Goͤtter der Roͤmer, und ob am Cocytus ſie richten, Laß uns dann, o Pilatus, entſcheiden, wenn unſere Leichen Urne fuͤllen und Grab. Jetzt fleh ich, o unſer Beherrſcher, Auch der Moͤrder Beherrſcher, die Gottes Propheten erwuͤrgten, Jnnig dich an: Gieb mir, gieb wenigen Frommen den Leichnam Dieſes goͤttlichen Manns! … So waͤr er ſo ſchnell denn geſtorben? Sag, iſt er wirklich todt? … Jetzt hielt es Portia’s Wehmuth Laͤnger nicht aus. Gieb dieſem redlichen Manne den Todten, Oder begrabe mich ſelbſt! Sie ſprachs, und die Thraͤne ſtuͤrzte. Sende zum Hauptmann am Kreuz! Pilatus ſagt’ es zu Joſeph, Und wenn er kommt, ſo fuͤhr’ ihn zu mir. Er ſandte. Der Hauptmann Kam. Sie traten herein. … Jſt, den ſie vor Barrabas waͤhlten, Jetzt ſchon todt? … Todt war er. Jhm wollte keiner die Beine Brechen, bis einer zuletzt die Lanze tief ihm ins Herz ſtieß. Und Pilatus erwiederte: Gieb dem Manne den Leichnam, Daß er ihn, wo er will, begrabe. Wo haſt du beſchloſſen Jhn zu begraben? … An Golgatha’s Huͤgel in meinem Grabe. Alſo ſagt’ er, und ging, und kam zu dem Huͤgel des Todes. Chriſtus Mutter erblickte zuerſt den Treuen, und ſah es, Daß er das Sterbegewand zu ihres Sohnes Begraͤbniß Trug, und weinte vor inniger Wehmuth; Doch ohne Sprache Blieb ſie noch ſtets, ſtumm immer noch, mit dem Schwert in der Seele. Und ſo bebte zum erſtenmale die Lippe Johannes: O Maria, E 2

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/83>, abgerufen am 25.11.2024.