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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Elfter Gesang.
Auf der Ebne hatten ihr Grab die Frommen, Asarja,
Misael, und Hananja in Einen Felsen gehauen.
Von dem Grabe der göttlichglaubenden Helden nicht fern lag
Eine große Trümmer, das Bild! Einst hatt' es der König,
Welchen hinab zu den Thieren der Herr von Babylons Höhn stieß,
Unter die Wolken gestellt, wie er in dem Traum es erblickte.
Königreiche, des Bildes Bedeutung, verworfne, zerstörte
Königreiche, noch liegen sie, Eine große Trümmer!
Misael, und Hananja begruben Asarja, und freuten
Sich der Auferstehung, als sie den Geliebten begruben.
Dich, Hananja, begrub der einsame Misael trostvoll,
Und erquicket von dem Gedanken des näheren Todes.
Jetzo suchte sein Aug' in ihrem Grabe der Todten
Staub; doch selbst des Unsterblichen Auge suchte vergebens.
Und er schwung sich voll vom Gefühle der freudigsten Hoffnung
Ueber die hohen Gräber empor, und sang, in der Wonne
Seiner Seele, nach seinen Geliebten hinab, und gen Himmel,
Sang mit dem wehenden Rauschen Euphrates. Nicht wie der Menschen
Unbeseelteres Ohr es vernimmt, wie es Himmlische hören,
Wenn ein fliegender Strom an seinen Ufern hinabhallt,
Hörten die Beyden die Stimme des Stroms und Misaels Stimme.

Dennoch werden wir einst aus diesen Gräbern hervorgehn!
Ja wie weit, o Verwesung, du auch in die Tiefen der Schöpfung
Unsern Staub zerstreutest; in deinen donnernden Strudeln,
Ocean, dort fließ er! in deinen Stralen, o Sonne,
Schweb' er! ihn schuf einst Gott! unsterbliche Seelen bewohnten
Diesen Staub! ihn wird, ihn wird der Allmächtige sammeln!
Ueber
B 5

Elfter Geſang.
Auf der Ebne hatten ihr Grab die Frommen, Aſarja,
Miſael, und Hananja in Einen Felſen gehauen.
Von dem Grabe der goͤttlichglaubenden Helden nicht fern lag
Eine große Truͤmmer, das Bild! Einſt hatt’ es der Koͤnig,
Welchen hinab zu den Thieren der Herr von Babylons Hoͤhn ſtieß,
Unter die Wolken geſtellt, wie er in dem Traum es erblickte.
Koͤnigreiche, des Bildes Bedeutung, verworfne, zerſtoͤrte
Koͤnigreiche, noch liegen ſie, Eine große Truͤmmer!
Miſael, und Hananja begruben Aſarja, und freuten
Sich der Auferſtehung, als ſie den Geliebten begruben.
Dich, Hananja, begrub der einſame Miſael troſtvoll,
Und erquicket von dem Gedanken des naͤheren Todes.
Jetzo ſuchte ſein Aug’ in ihrem Grabe der Todten
Staub; doch ſelbſt des Unſterblichen Auge ſuchte vergebens.
Und er ſchwung ſich voll vom Gefuͤhle der freudigſten Hoffnung
Ueber die hohen Graͤber empor, und ſang, in der Wonne
Seiner Seele, nach ſeinen Geliebten hinab, und gen Himmel,
Sang mit dem wehenden Rauſchen Euphrates. Nicht wie der Menſchen
Unbeſeelteres Ohr es vernimmt, wie es Himmliſche hoͤren,
Wenn ein fliegender Strom an ſeinen Ufern hinabhallt,
Hoͤrten die Beyden die Stimme des Stroms und Miſaels Stimme.

Dennoch werden wir einſt aus dieſen Graͤbern hervorgehn!
Ja wie weit, o Verweſung, du auch in die Tiefen der Schoͤpfung
Unſern Staub zerſtreuteſt; in deinen donnernden Strudeln,
Ocean, dort fließ er! in deinen Stralen, o Sonne,
Schweb’ er! ihn ſchuf einſt Gott! unſterbliche Seelen bewohnten
Dieſen Staub! ihn wird, ihn wird der Allmaͤchtige ſammeln!
Ueber
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[25/0041] Elfter Geſang. Auf der Ebne hatten ihr Grab die Frommen, Aſarja, Miſael, und Hananja in Einen Felſen gehauen. Von dem Grabe der goͤttlichglaubenden Helden nicht fern lag Eine große Truͤmmer, das Bild! Einſt hatt’ es der Koͤnig, Welchen hinab zu den Thieren der Herr von Babylons Hoͤhn ſtieß, Unter die Wolken geſtellt, wie er in dem Traum es erblickte. Koͤnigreiche, des Bildes Bedeutung, verworfne, zerſtoͤrte Koͤnigreiche, noch liegen ſie, Eine große Truͤmmer! Miſael, und Hananja begruben Aſarja, und freuten Sich der Auferſtehung, als ſie den Geliebten begruben. Dich, Hananja, begrub der einſame Miſael troſtvoll, Und erquicket von dem Gedanken des naͤheren Todes. Jetzo ſuchte ſein Aug’ in ihrem Grabe der Todten Staub; doch ſelbſt des Unſterblichen Auge ſuchte vergebens. Und er ſchwung ſich voll vom Gefuͤhle der freudigſten Hoffnung Ueber die hohen Graͤber empor, und ſang, in der Wonne Seiner Seele, nach ſeinen Geliebten hinab, und gen Himmel, Sang mit dem wehenden Rauſchen Euphrates. Nicht wie der Menſchen Unbeſeelteres Ohr es vernimmt, wie es Himmliſche hoͤren, Wenn ein fliegender Strom an ſeinen Ufern hinabhallt, Hoͤrten die Beyden die Stimme des Stroms und Miſaels Stimme. Dennoch werden wir einſt aus dieſen Graͤbern hervorgehn! Ja wie weit, o Verweſung, du auch in die Tiefen der Schoͤpfung Unſern Staub zerſtreuteſt; in deinen donnernden Strudeln, Ocean, dort fließ er! in deinen Stralen, o Sonne, Schweb’ er! ihn ſchuf einſt Gott! unſterbliche Seelen bewohnten Dieſen Staub! ihn wird, ihn wird der Allmaͤchtige ſammeln! Ueber B 5

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/41>, abgerufen am 29.03.2024.