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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Funfzehnter Gesang.
Auf die glühende Stirn. Nimm hin den Segen der Segen,
Und das ewige Leben! Der Gott, der Jesus erweckt hat,
Führe zu Jesus dich! ... Sie verschwanden der Betenden Auge.
Schnell rief Boa: Sie sind verschwunden, Elkanan! und Joel
Richtet sich auf, und sagt mit dem sanften Laute der Freude:

Wenn du hier noch verweilst, du schöne Seele Maria,
O so bringe du ihnen von uns, den stärksten, den besten,
Feurigsten Dank, daß sie der Erscheinung gewürdigt uns haben,
Jhrer Gespräche von Gott, und ihrer himmlischen Segen!
Also sagte der Jüngling, und sank in die Arme des Vaters.
Christus Mutter saß auf dem hohen Söller. Die Sonne
War gesunken; der Abendstern entstrahlte dem Himmel.
Neben ihr ruhte die Tempelharfe. Sie sahe, das daucht ihr,
Ueber den Bach der Pilgerinnen eine, nicht gehen,
Sah sie schweben, und werden, indem herüber sie schwebte,
Himmelsgestalt. Also wird That ein grosser Gedanke!
Und schon stand die lichte Gestalt bey ihr auf dem Söller.
Christus Mutter staunte nicht mehr. Es war ein Erstandner,
Oder ein Engel. Sie hatt' erstanden vom Tode gesehen
Jhren Sohn! ... Jch verhülle vor dir mich, Mutter des Herrn, nicht.
Warum sollt' ich? Du strahlest mit mir nun bald an dem Throne!
Mirjam, auch ich bin Mutter! ... Vielleicht des gehorsamen Opfrers?
Oder deß, der das Grab nicht kannte, des himmlischen Henochs?
Abrahams auch, und Henochs! Jch bin, o die der Unschuld
Wiederbringer gebahr, ich bin die Mutter der Menschen!
Dich, dich seh' ich! O Wonne des offnen Himmels! die Mutter
Abels seh' ich! ... Auch Kains. Jch bin herübergekommen,
Daß
Q 2

Funfzehnter Geſang.
Auf die gluͤhende Stirn. Nimm hin den Segen der Segen,
Und das ewige Leben! Der Gott, der Jeſus erweckt hat,
Fuͤhre zu Jeſus dich! … Sie verſchwanden der Betenden Auge.
Schnell rief Boa: Sie ſind verſchwunden, Elkanan! und Joel
Richtet ſich auf, und ſagt mit dem ſanften Laute der Freude:

Wenn du hier noch verweilſt, du ſchoͤne Seele Maria,
O ſo bringe du ihnen von uns, den ſtaͤrkſten, den beſten,
Feurigſten Dank, daß ſie der Erſcheinung gewuͤrdigt uns haben,
Jhrer Geſpraͤche von Gott, und ihrer himmliſchen Segen!
Alſo ſagte der Juͤngling, und ſank in die Arme des Vaters.
Chriſtus Mutter ſaß auf dem hohen Soͤller. Die Sonne
War geſunken; der Abendſtern entſtrahlte dem Himmel.
Neben ihr ruhte die Tempelharfe. Sie ſahe, das daucht ihr,
Ueber den Bach der Pilgerinnen eine, nicht gehen,
Sah ſie ſchweben, und werden, indem heruͤber ſie ſchwebte,
Himmelsgeſtalt. Alſo wird That ein groſſer Gedanke!
Und ſchon ſtand die lichte Geſtalt bey ihr auf dem Soͤller.
Chriſtus Mutter ſtaunte nicht mehr. Es war ein Erſtandner,
Oder ein Engel. Sie hatt’ erſtanden vom Tode geſehen
Jhren Sohn! … Jch verhuͤlle vor dir mich, Mutter des Herrn, nicht.
Warum ſollt’ ich? Du ſtrahleſt mit mir nun bald an dem Throne!
Mirjam, auch ich bin Mutter! … Vielleicht des gehorſamen Opfrers?
Oder deß, der das Grab nicht kannte, des himmliſchen Henochs?
Abrahams auch, und Henochs! Jch bin, o die der Unſchuld
Wiederbringer gebahr, ich bin die Mutter der Menſchen!
Dich, dich ſeh’ ich! O Wonne des offnen Himmels! die Mutter
Abels ſeh’ ich! … Auch Kains. Jch bin heruͤbergekommen,
Daß
Q 2
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[243/0259] Funfzehnter Geſang. Auf die gluͤhende Stirn. Nimm hin den Segen der Segen, Und das ewige Leben! Der Gott, der Jeſus erweckt hat, Fuͤhre zu Jeſus dich! … Sie verſchwanden der Betenden Auge. Schnell rief Boa: Sie ſind verſchwunden, Elkanan! und Joel Richtet ſich auf, und ſagt mit dem ſanften Laute der Freude: Wenn du hier noch verweilſt, du ſchoͤne Seele Maria, O ſo bringe du ihnen von uns, den ſtaͤrkſten, den beſten, Feurigſten Dank, daß ſie der Erſcheinung gewuͤrdigt uns haben, Jhrer Geſpraͤche von Gott, und ihrer himmliſchen Segen! Alſo ſagte der Juͤngling, und ſank in die Arme des Vaters. Chriſtus Mutter ſaß auf dem hohen Soͤller. Die Sonne War geſunken; der Abendſtern entſtrahlte dem Himmel. Neben ihr ruhte die Tempelharfe. Sie ſahe, das daucht ihr, Ueber den Bach der Pilgerinnen eine, nicht gehen, Sah ſie ſchweben, und werden, indem heruͤber ſie ſchwebte, Himmelsgeſtalt. Alſo wird That ein groſſer Gedanke! Und ſchon ſtand die lichte Geſtalt bey ihr auf dem Soͤller. Chriſtus Mutter ſtaunte nicht mehr. Es war ein Erſtandner, Oder ein Engel. Sie hatt’ erſtanden vom Tode geſehen Jhren Sohn! … Jch verhuͤlle vor dir mich, Mutter des Herrn, nicht. Warum ſollt’ ich? Du ſtrahleſt mit mir nun bald an dem Throne! Mirjam, auch ich bin Mutter! … Vielleicht des gehorſamen Opfrers? Oder deß, der das Grab nicht kannte, des himmliſchen Henochs? Abrahams auch, und Henochs! Jch bin, o die der Unſchuld Wiederbringer gebahr, ich bin die Mutter der Menſchen! Dich, dich ſeh’ ich! O Wonne des offnen Himmels! die Mutter Abels ſeh’ ich! … Auch Kains. Jch bin heruͤbergekommen, Daß Q 2

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/259>, abgerufen am 26.04.2024.